Andrew Bailey versetzt Libor den Todesstoß

FCA will Referenzzins Ende 2021 auslaufen lassen - Besicherte und unbesicherte Alternativen in Diskussion - Banken in der Schwebe

Andrew Bailey versetzt Libor den Todesstoß

Ab Ende 2021 soll der Referenzzins Libor, auf dem Finanzprodukte über 350 Bill. Dollar Volumen aufbauen, nicht mehr genutzt werden. Dies verkündete die britische Finanzaufsicht FCA. Das bedeutet einen erheblichen, bisweilen bis in die Geldpolitik reichenden Umstellungsbedarf hin zu neuen Referenzzinssätzen.hip/dm London/Frankfurt – Die Financial Conduct Authority hat erstmals ein Datum genannt, wie lange der skandalumwitterte Referenzzins Libor noch verwendet werden soll. Ende 2021 soll Schluss damit sein. “Wir glauben nicht, dass wir die Umstellung auf transaktionsbasierte Richtwerte abschließen können, wenn sich die Märkte weiterhin auf Libor in der derzeitigen Form verlassen”, sagte Andrew Bailey, CEO der Behörde, bei einem medienwirksamen Auftritt in der Londoner Bloomberg-Zentrale. “Die Unterstützung des derzeitigen Libor durch die Panel-Banken bis Ende 2021 wird einen Übergang ermöglichen, der planbar ist und reibungslos bewältigt werden kann.”Finanzprodukte im Volumen von mehr als 350 Bill. Dollar beziehen sich auf die London Interbank Offered Rate (Libor). Nach den Skandalen um die Manipulation von Libor und Kursen am Devisenmarkt hatte das Schatzamt Maßnahmen angekündigt, die betrügerische Beeinflussung von Benchmarks für das sogenannte FICC-Geschäft der Banken – den Handel mit Anleihen, Rohstoffen und Währungen – zu verhindern. Weitere Benchmarks für das Zinsswapgeschäft sind der Repurchase Overnight Index Average (Ronia) und Isdafix.Die Bank of England bewirbt den Sterling Overnight Index Average (Sonia) als Alternative. Eine von der Notenbank einberufene Arbeitsgruppe von 16 internationalen Großbanken, der unter anderem die Deutsche Bank, Goldman Sachs und die UBS angehören, sprach sich im Frühjahr für Sonia als bevorzugten Referenzzins für auf Pfund lautende Derivate und Kontrakte aus. Sonia wird von Marktteilnehmern als Referenzzins für OIS-Kontrakte (Overnight Indexed Swap) in Sterling verwendet. Der Nennwert der ausstehenden Zinsswaps dieser Art beläuft sich auf mehr als 10 Bill. Pfund. Sonia wurde im März 1997 von der Wholesale Markets Brokers’ Association (WMBA) geschaffen und basiert auf unbesicherten Transaktionen. Im vergangenen Jahr zog die Bank of England die Kontrolle über die Ermittlung des Referenzzinses an sich (vgl. BZ vom 14.4.2016) und arbeitet derzeit an einer Reform.Die Probleme mit dem neuen Referenzzins sind nicht nur technischer Natur. “Sonia-Zinsswaps sind zwar handelbar, sie sind aber über die Zinskurve hinweg nicht so liquide wie Libor-Swaps”, sagte Mitul Patel, Head of Rates bei Janus Henderson Investors. “Während Derivate auf den erwarteten Drei-Monats-Libor für verschiedene Quartale täglich in großen Mengen gehandelt werden, gibt es keine börsengehandelten Derivate auf Sonia-Sätze.” Zudem würden Sonia-Swaps täglich beglichen, Libor-Swaps dagegen halbjährlich. Es stelle sich auch die Frage, was aus bestehenden Produkten und Kontrakten werden soll, die sich auf Libor beziehen. “Der Übergang wird langwierig und schwierig, ist aber anscheinend unvermeidlich”, so Patel. EZB setzt auf den EoniaDer Ersatz des Libor wirft auch Fragen auf dem kontinentaleuropäischen Markt auf. Der Libor wird etwa im spanischen oder portugiesischen Hypothekarmarkt als Referenzzins verwendet. Die Europäische Zentralbank (EZB) stützt ihre Geldpolitik jedoch auf den unbesicherten Euro Overnight Index Average (Eonia), der auf tatsächlich getätigten Umsätzen beruht. Es sei eine Entscheidung des Marktes, welche Referenzzinsen verwendet würden, ist hier zu hören. Die deutsche Finanzaufsicht BaFin erklärte auf Anfrage, derzeit keine Informationen dazu geben zu können.Dabei dürfte es im Markt durchaus die eine oder andere Frage geben, wie mit einem Wechsel umzugehen ist. Das European Money Markets Institute (EMMI) arbeitet zudem daran, die Berechnungsweise des Eonia weiter zu verbessern. Zugleich erklärte EMMI im Mai, es sei nicht möglich, bei der Reform des Euribor hin zu einem transaktionsbasierten Referenzsatz einen nahtlosen Übergang herzustellen. Dennoch soll der Euribor als quotenbasierte Benchmark weitergeführt werden.Die Schweizerische Nationalbank stützt ihre Geldpolitik auf den Franken-Libor. In einer Stellungnahme sagte sie, für den Frankengeldmarkt stehe aus heutiger Sicht der Swiss Average Rate Overnight (Saron) als Referenzzinssatz im Vordergrund. “Die SNB wird rechtzeitig für ihr geldpolitisches Konzept eine Alternative zum Franken-Libor bekannt geben. Auf die geldpolitische Ausrichtung und die monetären Bedingungen wird das absehbare Ende des Franken-Libor keine Auswirkungen haben”, so die SNB. “Keine Entschädigung”Der Referenzzinssatz Saron wurde bereits 2009 eingeführt und beruht auf abgeschlossenen, besicherten Transaktionen auf dem Franken-Repo-Interbankenmarkt der Eurex Zürich. Künftig sollen unbesicherte Tomorrow/Overnight-Indexed Swaps (Tois) durch Overnight-Index-Swaps auf den Saron abgelöst werden. Der Wechsel von einer unbesicherten auf eine besicherte Basis kann für Swap-Geschäfte Verluste bringen und ist im Markt deshalb nicht unumstritten. Die Umstellung von Tois auf Saron dürfte Schätzungen zufolge rund 20 Basispunkte kosten. Die Nationale Arbeitsgruppe für Franken-Referenzzinssätze erklärt, es sei gerechtfertigt, dass es keine Entschädigung gebe, da es in beiden Fällen um “risikofreie” Sätze gehe und ein daraus entstehender Verlust nur eine Folge einer bekannten Schwäche im Bewertungsmodell für Zinsderivate sei.