GASTBEITRAG

Anspruchsvolle Gratwanderung

Börsen-Zeitung, 21.11.2017 Die hohe Nachfrage nach Immobilien lässt die Preise in allen Segmenten des Immobilienmarktes steigen. Mittlerweile mehren sich die Anzeichen, dass es dabei auch zu Übertreibungen kommt. Immobilienfinanzierer sind jedoch...

Anspruchsvolle Gratwanderung

Die hohe Nachfrage nach Immobilien lässt die Preise in allen Segmenten des Immobilienmarktes steigen. Mittlerweile mehren sich die Anzeichen, dass es dabei auch zu Übertreibungen kommt. Immobilienfinanzierer sind jedoch auf eine Marktkorrektur deutlich besser eingestellt als vor der Krise.Seit rund acht Jahren gibt es bei den Immobilienpreisen nur eine Richtung: nach oben. Im Gegenzug sinken die Renditen, und in mehreren deutschen A-Städten nähern sich die Büro-Spitzenrenditen inzwischen der 3-Prozent-Marke. In Berlin wurde dieser Wert laut Jones Lang LaSalle im zweiten Quartal 2017 sogar bereits erreicht. Setzt sich diese Entwicklung fort, wird es nicht mehr lange dauern, bis sich erste Transaktionen mit einer Zwei vor dem Komma beobachten lassen. Mit den extrem niedrigen Spitzenrenditen mehren sich die Anzeichen für Preisübertreibungen am Markt. Weniger PreisdifferenzenSo lässt sich beobachten, dass die Preisdifferenzierung zwischen Core-Objekten und Objekten, die nicht alle Kriterien an eine Core-Immobilie erfüllen, zunehmend verschwindet. Bei einer erstklassigen Immobilie, die langfristig an einen bonitätsstarken Mieter vermietet ist und sich in exzellenter Lage befindet, kann ein Preis zwischen dem 20- und dem 30-Fachen der Jahresnettomiete durchaus gerechtfertigt sein. Denn solche Objekte werden aller Voraussicht nach auch die nächste Krise ohne nachhaltige Abschläge überstehen. Allerdings werden mittlerweile auch Immobilien mit Abstrichen bei Lage oder Vermietung und mit Instandhaltungsrückstand zu Preisen auf Core-Niveau gehandelt. Kommt es zu einer Marktkorrektur, sind hier deutliche Abwertungen zu erwarten, die in einem ausgeglichenen Markt nur schwer wieder kompensiert werden dürften.Der deutsche Immobilienmarkt ist schlicht leergekauft. Das zeigt sich auch an dem insgesamt abnehmenden Transaktionsvolumen, das nicht etwa rückläufig ist, weil die Investoren Immobilien auf dem inzwischen erreichten Preisniveau als zu riskant einstufen und sich anderen Asset-Klassen zuwenden, sondern vielmehr, weil verfügbare Objekte immer knapper werden.Diese Entwicklung ist nicht auf den Handel mit Bestandsimmobilien begrenzt. Auch das Projektentwicklungsgeschäft ist betroffen, unter anderem wegen stark gestiegener Grundstückspreise. In Städten wie München, Hamburg und Berlin sind Grundstücke mit Baureife teuer. Müssen die Entwickler aufgrund dieser hohen Kosten im Verkauf mit einem noch weiter steigenden Markt kalkulieren, damit sich das Projekt für sie rechnet, wird es zunehmend riskant. Das gilt insbesondere dann, wenn es zwischen dem Ankauf des (teuren) Grundstücks und der Fertigstellung des Projekts zu einer Marktkorrektur kommen sollte. Als Reaktion auf die hohen Bodenpreise weichen Projektentwickler inzwischen häufiger auf Grundstücke aus, die noch nicht baureif sind, und nehmen damit das Risiko in Kauf, dass es zu Verzögerungen bei der Erschließung oder der Erteilung der Genehmigungen kommt.Auch Investoren haben Druck, im Niedrigzinsumfeld lukrative Anlagen zu finden. Wir beobachten, dass sie beispielsweise bei den in der Branche nicht unüblichen Forward-Deals – bei denen Anleger Objekte bereits vor der Fertigstellung erwerben – immer früher einsteigen. Um vor der Konkurrenz zu liegen, wird teilweise bereits zu Zeitpunkten gekauft, an denen weder feststeht, was bauplanungsrechtlich überhaupt möglich ist, noch welche Nutzer das Gebäude einmal beziehen sollen. Wann und in welchem Ausmaß es zu einer Korrektur im Markt kommen wird, weiß keiner. Eine entscheidende Rolle wird dabei die Europäische Zentralbank (EZB) mit ihrer Zinspolitik spielen.Es ist aber zu konstatieren, dass die Banken für den Fall zurückgehender Preise aus der Finanzkrise 2008 gelernt und mittels strikter Kreditvergabestandards ihr Risiko deutlich verringert haben. Vor der Krise waren die Eigenkapitalanteile bei Immobilieninvestments häufig so gering, dass die Banken schon bei geringen Wertkorrekturen betroffen waren. Heute liegen die Loans-to-Value (LTVs), die den Kreditbetrag im Verhältnis zum Marktwert zeigen, bei Bestandsimmobilien im Durchschnitt unter 70 %.Die LTVs sind jedoch nicht das einzige Kriterium, bei dem die Banken restriktiver agieren als früher. Denn die starken Preissteigerungen der vergangenen Jahre haben gezeigt, dass diese Größe beweglich ist und als alleiniger Maßstab nicht ausreicht. Finanzierer legen heute fast noch mehr Wert auf den laufenden Netto-Cash-flow aus dem Objekt, der auch bei steigenden Zinsen ausreichend sein muss, um den Kapitaldienst zu decken. Wichtig ist zudem, dass die Banken trotz des starken Konkurrenzdrucks bisher ihre Kreditvergabebedingungen nicht nennenswert aufgeweicht haben. Dazu gehören auch eine tiefgehende Analyse der Immobilie, die Prüfung der Drittverwendungsfähigkeit und keine Abstriche bei den Kreditvertragsklauseln (Covenants). Gründliches AbwägenDer Immobilienmarkt in den deutschen Metropolregionen ist seit Jahren von einem großen Nachfrageüberhang geprägt, und wir beobachten, dass viele Akteure – um überhaupt noch Immobilien kaufen oder entwickeln zu können – risikobereiter werden. Die meisten Banken halten sich jedoch weiterhin strikt an ihre Vorgaben und Standards und schließen Neugeschäft nur nach gründlichem Abwägen von Risiko und Ertrag ab. Sie haben aus der letzten Krise gelernt und sind heute auf Zinsanstieg und Marktkorrekturen deutlich besser vorbereitet.—-Peter Axmann, Leiter Immobilienkunden HSH Nordbank