Anstoß für stärkere Kapitalmärkte

EU schlägt Einbindung privater Altersvorsorge, Förderung von Infrastruktur und neuen Aufsichtsrahmen vor

Anstoß für stärkere Kapitalmärkte

Die EU-Kommission hat zur weiteren Stärkung der Kapitalmarktunion zahlreiche neue Gesetzesvorstöße angekündigt. Noch in diesem Monat soll in diesem Zusammenhang ein neues Produkt zur Altersvorsorge vorgestellt werden. Im Herbst steht eine Neujustierung der Aufsicht an. In Deutschland erntet Brüssel mit dem Arbeitsprogramm längst nicht nur Lob.ahe Brüssel – Die EU-Kommission hat ihre bereits im Vorfeld bekannt gewordene Kapitalmarktoffensive gestartet (siehe BZ vom 20. Mai) und für die kommenden zwölf Monate eine Fülle an neuen Gesetzesvorlagen angekündigt. Die beiden Vizepräsidenten der Brüsseler Behörde, Valdis Dombrovskis und Jyrki Katainen, verwiesen bei der Vorstellung der Initiativen in Brüssel zur Begründung auf den Brexit sowie die Marktveränderungen durch Fintechs. “Angesichts der Tatsache, dass der größte europäische Finanzplatz die EU verlassen wird, wollen wir uns noch stärker für die Festigung und Integration der Kapitalmärkte in der EU einsetzen”, betonte Dombrovskis. Und Katainen verwies auf den immer noch hohen Anteil von Bankenfinanzierung in Europa. Lediglich 20 bis 30 % der Unternehmensfinanzierungen liefen über die Kapitalmärkte. In den USA sei das Verhältnis genau anders herum.Die EU-Kommission hatte vor zwei Jahren die Kapitalmarktunion ins Leben gerufen, um zusätzliche Gelder für Investitionen freizusetzen, Alternativen zur Bankenfinanzierung aufzubauen und damit auch das Finanzsystem in Europa insgesamt zu stärken. Zu den Zielen gehört auch, einen stärkeren Fokus auf nachhaltige Investitionen zu legen sowie speziell die Finanzierung für kleine und mittelgroße Unternehmen (KMU) zu erleichtern. Auf diese entfielen 2016 nur 6 % des gesamten IPO-Marktes. Und das auf KMU-spezifischen Märkten gesammelte Eigenkapital ist im Vergleich zum Vorkrisenniveau deutlich gesunken.Konkret schlug die EU-Kommission jetzt zunächst eine stärkere Förderung von Infrastruktur-Investitionen vor. Dies soll über eine Senkung der Solvency-II-Anforderungen für Versicherungsgesellschaften geschehen. So soll der Kapitalbetrag, den Versicherer bei solchen Investitionen vorhalten müssen, gesenkt werden. Kritik aus DeutschlandNoch in diesem Monat soll zudem ein Gesetzesvorschlag für ein EU-weites Produkt der privaten Altersvorsorge (Pan-European Personal Pension Product, kurz: PEPP) vorgestellt werden. Dombrovskis sprach von einem “enormen Potenzial für ein solches Angebot”, das Steueranreize bieten soll sowie die Möglichkeit der Portabilität bei einem Umzug in ein anderes EU-Land.Die Arbeitsweisen und Aufgabenbereiche der europäischen Aufsichtsbehörden (ESAs) stehen im Herbst auf der Agenda. Dombrovskis kündigte bereits an, die Befugnisse der Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA in bestimmten Bereichen weiter zu stärken und im Interesse einer gut funktionierenden Kapitalmarktunion auch eine zusätzliche direkte Beaufsichtigung zu ermöglichen. Bisher beaufsichtigt die ESMA bereits direkt die Ratingagenturen. Jetzt könnten etwa die Clearinghäuser (CCPs) hinzukommen.Der EU-Abgeordnete Markus Ferber (CSU) kritisierte, die EU-Kommission habe einmal mehr alten Wein in neuen Schläuchen präsentiert. “Anstatt immer neue Arbeitspläne zu entwerfen, wäre es jetzt an der Zeit, dass die Kommission endlich liefert.” Der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) sprach von einer “einseitigen Ausrichtung” der Maßnahmen, die höchst bedenklich sei. Eine ausschließliche Förderung der Kapitalmarktfinanzierung auf Kosten der Kreditfinanzierung berge die Gefahr, dass diese am Bedarf der Unternehmen vorbeigehe und die Entwicklung unerwünschter Schattenbankaktivitäten fördere. Banken übernähmen auch bei der Kapitalmarktfinanzierung Mittlerfunktionen, erklärte der Bundesverband deutscher Banken. “Diese Aufgaben dürfen durch die Kapitalmarktunion nicht untergraben werden.”