„Artikel-9-Fonds sind uns zu anspruchsvoll“
Im Interview: Michael Dittrich
„Lücke zwischen Artikel 8 und 9
ist zu groß“
Finanzchef der Bundesstiftung Umwelt hält SFDR und Taxonomie grundsätzlich für sinnvoll
Die Bundesstiftung Umwelt hat am Dienstag den Jahresbericht 2023 vorgelegt. Der Ertrag wurde im Vorjahresvergleich um 30% auf 97,7 Mill. Euro gesteigert. Finanzchef Michael Dittrich mahnt in dem Zusammenhang, dass in der Transformationsfinanzierung die Finanzmärkte eine Schlüsselrolle haben, da in Zeiten knapper Haushalte Staaten allein den Umbau nicht bewältigen können.
Herr Dittrich, als eine der größten Umweltstiftungen Europas schütten Sie jährlich zwischen 50 und 60 Mill. Euro an Fördermitteln aus, um den Umweltschutz voranzubringen. Das Stiftungskapital beträgt mittlerweile 2,47 Mrd. Euro. Als Verantwortlicher für die Finanzen sind Sie in der glücklichen Situation, dass Sie viel weniger reguliert sind als andere Investoren. Kann Ihnen die ESG-Regulierung aus Brüssel egal sein?
Wenn es eine ESG-Regulierung gibt, dann machen wir in der Regel auch mit. Wir halten die Vorgaben zum Thema ESG grundsätzlich für sinnvoll. Wir weisen für unsere Spezialfonds bei den Kapitalanlagen aus, inwieweit sie die Offenlegungsverordnung erfüllen. Auch wenn wir das als Stiftung nicht müssten.
Sie haben sich also mit der SFDR arrangiert und nennen, ob Ihre Anlagen nach Artikel 8 oder Artikel 9 klassifiziert sind?
Für uns ist wichtig, wie unsere Fonds klassifiziert sind. Wir investieren nur in Anlagen, die mindestens nach Artikel 8 eingestuft sind. Artikel 9 ist eine große Herausforderung, denn der Unterschied zwischen Artikel-8-Fonds und Artikel-9-Fonds ist gewaltig. Es gibt kaum gemischte Spezialfonds, in unserem Fall auch mit Einbeziehung von Emerging Markets, die nach Artikel 9 klassifiziert ist.
Reicht Ihnen denn diese auf Transparenz zielende Verordnung der EU?
Die Lücke zwischen Artikel 8 und Artikel 9 ist zu groß. Daher ist es sinnvoll, die Offenlegungsverordnung (SFDR) zu überarbeiten. Unabhängig von der EU-Klassifizierung schauen wir uns jeden einzelnen Titel an. Wir haben interne Richtlinien mit Ausschlusskriterien, und danach haben sich unsere Gesellschaften bei der Verwaltung der Spezialfonds zu richten.
Neben der Offenlegungsverordnung ist die Taxonomie ein großes Thema. Wie gehen Sie damit um?
Die Taxonomie ist wertvoll, weil sie uns Daten an die Hand gibt. Es ist wichtig, nachhaltige Aktivitäten zu beschreiben und auf Detailebene herunterzubrechen. Wir wenden die Taxonomie aber zurzeit nur mittelbar über die externen Ratings an. Bei unserer Größe ist es nicht machbar, beispielsweise 1.600 Titel des MSCI World zu untersuchen und zu prüfen, ob diese taxonomiekonform sind.
Das wäre auch sehr komplex, weil die Unternehmen aufgespalten werden in ihre Tätigkeiten, oder?
Das ist in der Tat schwierig, denn im Detail sind es extrem viele Datenpunkte. Hinzu kommt, dass es für vier Umweltziele noch keine Vorgaben der Taxonomie gibt. Da die Taxonomie aber ohnehin bislang nur die Umwelt umfasst und nicht das Soziale und die Governance, fällt ein sehr großer Teil heraus.
Wie sinnvoll ist es dann überhaupt zurzeit, mit der Taxonomie zu arbeiten?
Damit jetzt schon zu arbeiten ist wie gesagt schwierig. Aber die Taxonomie ist grundsätzlich sinnvoll, denn sie hat auch eine Steuerungswirkung für Unternehmen. Diese passen sich an, und das ist auch gewünscht.
Wie wichtig sind für Ihre Arbeit bei der Stiftung ESG-Ratingagenturen?
Sehr wichtig. Wir arbeiten mit verschiedenen Ratingagenturen und Datenanbietern zusammen, um zu entscheiden, ob ein Unternehmen ESG-konform ist oder nicht.
Es wird viel geklagt über die Kosten der ESG-Ratings. Wie sehen Sie das?
Ich weiß nicht, was kommerzielle Assetmanager zahlen. Für uns ist es ok, denn die Kosten der übrigen Finanzdienstleister sind auch nicht niedrig.
Bemängelt wird auch die Uneinheitlichkeit bei ESG-Ratings. Sind ESG-Ratings schlecht?
Wenn ich mir die Anfänge des ESG-Ratings vor 20 Jahren anschaue, dann gab es früher oft nur wenige Informationen über ein Unternehmen. Heute müssen umfangreiche Fragen beantwortet werden. Das ESG-Rating hat einen enormen Sprung nach vorne gemacht. Ich sehe auch die behauptete Divergenz nicht, für 80% aller Unternehmen stimmen die Bewertungen überein.
Das heißt, aus Ihrer Sicht müssen die ESG-Ratings nicht so stark vereinheitlicht werden wie die Bonitätsratings?
Es muss ein Mindestmaß an Qualität und Transparenz geben. Die Ratings haben auch eine sehr große Bedeutung, weil viele Investoren ihre Entscheidung auf dieser Basis treffen. Aber eine Vereinheitlichung halte ich nicht für sinnvoll.
Ein weiteres großes Thema der Regulierung ist die Nachhaltigkeitsberichterstattung, also die CSRD. Viele stöhnen über die gewaltige Bürokratie. Wie sehen Sie das?
Wenn wir akzeptieren, dass die Lebensgrundlagen auf unseren Planeten durch die Art und Weise unseres Wirtschaftens gefährdet sind, dann brauchen wir die Daten. Ohne ESG-Daten kann ich nicht steuern. Klar ist aber auch, dass die Wirtschaft und insbesondere kleine und mittlere Unternehmen nicht überfordert werden dürfen. Insofern bedarf es auch bei dieser Regulierung einer Feinjustierung.
Das Interview führte Wolf Brandes.