Assekuranz kritisiert grüne Kriterien
Die deutsche Finanzbranche befürwortet mehr Transparenz für eine nachhaltige Geldanlage, reibt sich aber an möglichen Vorgaben für Geldanlage, Vertrieb und Kapitalunterlegung. Nachdem Fondsgesellschaften bereits ihre Positionen formuliert haben, melden sich nun die Versicherer über ihren Verband GDV zu Wort. jsc Frankfurt – Der EU-Aktionsplan zur nachhaltigen Geldanlage stößt in der deutschen Versicherungswirtschaft auf Skepsis. Zwar sieht die Branche etliche Punkte positiv, lehnt aber Vorschriften für die Finanzberatung und Geldanlage weitgehend ab und kritisiert insbesondere mögliche Vorgaben für die Kapitalunterlegung, wie der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) am Mittwoch in Frankfurt erklärte. Die erwogenen “Green Supporting Factors”, die eine Geldanlage in klimafreundliche Instrumente durch geringere Kapitalvorgaben begünstigen würden, sowie die “Brown Penalizing Factors”, die eine Art Strafaufschlag darstellen, könnten aus Sicht des Verbands das risikobasierte Aufsichtssystem verwässern und das Regelwerk Solvency II für politische Ziele instrumentalisieren. “Die Anlagefreiheit muss gewahrt bleiben, um das Risiko von Fehlallokationen zu begrenzen”, erklärte GDV-Geschäftsführer Klaus Wiener, der die Themen Unternehmenssteuerung und Regulierung verantwortet.Die Versicherer stimmen damit eine ähnliche Tonlage an wie die Fondsbranche. Sowohl Assetmanager als auch Versicherer befürworten in der Tendenz mehr Transparenz und Informationen für die nachhaltige Anlage, distanzieren sich aber zugleich von der Forderung nach unmittelbaren Vorgaben für Geldanlage und Vertrieb – und betonten ihre Pflichten gegenüber den Anlegern. “Die sicherere und rentable Erfüllung der Leistungsversprechen gegenüber den Kunden steht an erster Stelle”, schreibt der GDV. Vorgaben für die Kundenberatung sollen demnach allenfalls folgen, wenn die anstehende Einführung der Vertriebsrichtlinie IDD – das Pendant zu Mifid II – rückblickend überprüft worden ist oder zumindest das geplante EU-Klassifizierungssystem steht. Umwelt- und Sozialkriterien sowie die Unternehmensführung – im Jargon der Branche als “ESG” (Environmental, Social, Governance) bezeichnet – muss ein Versicherer laut GDV bereits heute im Rahmen der üblichen Risikoanalysen (Orsa) berücksichtigen. Auch zusätzliche Berichtspflichten für die Assekuranz sieht der Verband kritisch. Wie ein Versicherer nachhaltige Kriterien berücksichtige, solle nicht zu stark vorgeschrieben werden, sagte Wiener. “Marktlösungen können effizienter sein als starre Vorgaben.” Neben E auch S und GDie EU-Kommission hatte im März einen Aktionsplan veröffentlicht und im Mai einen Rechtsrahmen vorgeschlagen, um insbesondere einer einheitlichen Klassifizierung näher zu kommen. Ähnlich wie auch der deutsche Fondsverband BVI befürworten auch die Versicherer dieses Ziel. “Eine ,gemeinsame Sprache` erleichtert die Operationalisierung von ESG in der Kapitalanlage”, erklärte Wiener. Die EU-Kommission solle sich dabei nicht auf Umweltaspekte beschränken, sondern auch soziale Kriterien und die Unternehmensführung berücksichtigen, also das S und das G im Kürzel “ESG”. Auch Standards und Labels für grüne Finanzprodukte wie Green Bonds sieht der Manager neben anderen Punkten positiv. Zugleich bekräftigte er die Forderung, zur Förderungen öffentlicher Infrastruktur auch private Kapitalgeber stärker einzubinden.Insgesamt verantwortet die deutsche Assekuranz laut GDV ein Kapitalanlagenvolumen von 1,6 Bill. Euro. Drei Viertel der Versicherer berücksichtigt demnach schon ESG-Kriterien in der einen oder anderen Weise. Ob sich das auch im Anlageerfolg niederschlage, ist aber keineswegs ausgemacht, wie Tim Ockenga, Leiter Kapitalanlagen, erklärte. Demnach können sich die Kriterien positiv auf das Zusammenspiel von Ertrag und Risiko auswirken, “der Großteil der Studien liefert jedoch neutrale oder gemischte Ergebnisse”. Untersuchungen zeigten oft statistische Zusammenhänge, doch eine kausale Wirkung sei damit noch nicht belegt. Während ESG-Kriterien laut Ockenga Aufschluss über die Gefahr extremer Verluste geben können, führt ein zu breitflächiger Ausschluss von Firmen und Branchen womöglich “zu negativen Ertragseffekten”.Beim Ausschluss von Wertpapieren kann ein Verband bereits aus rechtlichen Gründen in der Regel keine verbindlichen Vorgaben an seine Mitglieder machen, wie er sagte. Das gelte auch für geächtete Praktiken wie die Herstellung von Streubomben und Antipersonenminen. Die Fondsbranche wiederum adressiert äußerst strittige Anlagen, verzichtet aber ebenfalls auf einen expliziten Ausschluss. In den BVI-Wohlverhaltensregeln heißt es: “Die Fondsgesellschaft handelt zukunftsgerichtet. Im Rahmen ihrer Verantwortung entwickelt sie eine Politik zum Umgang mit völkerrechtlich verbotenen oder international geächteten Produkten und Geschäftspraktiken.”—– Wertberichtigt Seite 6