Angebot von Liontrust abgelehnt

Assetmanager GAM nach gescheiterter Übernahme auf sich allein gestellt

Die britische Liontrust ist mit der Übernahmeofferte für GAM abgeblitzt. Ohne frisches Geld des Telekomunternehmers und Milliardärs Xavier Niel könnte es für den schlingernden Fondsmanager eng werden.

Assetmanager GAM nach gescheiterter Übernahme auf sich allein gestellt

GAM nach gescheiterter Übernahme auf sich allein gestellt

Liontrust-Übernahme klar abgelehnt – Neue Aktionäre müssen die Liquidität des Assetmanagers sichern – Französischer Milliardär Xavier Niel im Fokus

Von Daniel Zulauf und Andreas Hippin, London, Zürich
dz/hip London/Zürich

Das Drama um den schlingernden Schweizer Assetmanager GAM Holding geht weiter. Eine Übernahmeofferte der britischen Investmentboutique Liontrust ist überraschend klar gescheitert. Die Aktionäre hatten dem Kaufinteressenten von der Insel bis zum Ablauf der Angebotsfrist am vergangenen Mittwoch nur ein Drittel aller Aktien angedient. Liontrust hatte eine Andienungsquote von zwei Dritteln zur Bedingung gemacht. Wenn sich die provisorische Auszählung der angedienten Aktien definitiv bestätige (was zu erwarten ist), dann werde man die Offerte am 29. August für erfolglos erklären, teilten die Briten am Donnerstag per Pflichtveröffentlichung mit. Derweil verlautbarte der GAM-Verwaltungsrat, er habe "konstruktive und produktive Gespräche" mit der oppositionellen Investorengruppe Newgame geführt, was nicht viel heißen muss.

Abgeblasene Generalversammlung

In der in Genf ansässigen Newgame, die 9,6% aller GAM-Aktien hält, ist die Firma Rock Investments des französischen Telekomunternehmers und Milliardärs Xavier Niel tonangebend. Zu der Gruppe gehört auch der Vermögensverwalter Bruellan. Newgame hatte bereits Anfang Juni die Durchführung einer außerordentlichen Hauptversammlung verlangt und Kandidaten für eine Neubesetzung des Verwaltungsrats präsentiert. Der selbsternannte "Hedgefonds-Veteran" Albert Saporta und Buellan-Partner Antoine Spillmann wurden dabei als künftiger GAM-Präsident bzw. als CEO in Position gebracht.

Erst vor zehn Tagen wurde die auf den 18. August terminierte Generalversammlung von Newgame aber abgeblasen. Newgame erhöhte daraufhin den Druck und unterbreitete den GAM-Aktionären kurz vor Ablauf der Liontrust-Offerte noch ein Barangebot zur Übernahme von bis zu 28 Millionen oder 17,5% aller GAM-Aktien. Newgame hätte bereits im Frühjahr eine im Vergleich zu Liontrust attraktivere Kaufofferte an die GAM-Investoren lancieren können und dem angeschlagenen Unternehmen so eine fast einjährige Phase großer Unsicherheit ersparen können. Warum die GAM-Aktionäre den offensichtlich sehr spitz kalkulierenden Newgame-Investoren nun dennoch folgen, ist rätselhaft.

GAM-Insider: Kleinaktionäre haben Interesse verloren

Ein GAM-Insider, der nicht genannt werden will, glaubt, dass viele Kleinaktionäre schlicht das Interesse verloren hätten, nachdem der Aktienkurs im Frühjahr 2018 noch bei 18 sfr gelegen hatte und dann im Zug eines Investment-Skandals auf zuletzt nur gut 0,4 sfr gefallen war. Diese Sichtweise dürfte insbesondere dem noch amtierenden GAM-Präsidenten David Jacob gefallen, der schon lange warnt, der Businessplan, den Newgame für das Unternehmen entwickelt habe, sei viel zu knausrig und unpräzise.

Jacob, der sich mit aller Kraft für die Liontrust-Offerte eingesetzt hatte und seinen Stuhl wohl bald räumen muss, gab seinen Aktionären in den vergangenen Tagen und Wochen immer wieder mehr als deutlich zu verstehen, dass es fatal wäre, die Liontrust-Offerte zu verwerfen und Newgame an die Spitze zu lassen.

So betonte GAM erst kürzlich, die Firma benötige allein zur Deckung der im laufenden Jahr zu erwartenden operativen Verluste sowie zur Finanzierung einer dringend nötigen Restrukturierung zusätzliche Mittel von über 100 Mill. sfr. Newgame bzw. Rock Investments hat bislang aber nur zugesichert, einen von Liontrust gewährten Überbrückungskredit in Höhe von rund 20 Mill. sfr abzulösen. Das sei viel zu wenig, um den Fortbestand der mit knapper Liquidität ringenden GAM zu sichern, sagt der Insider.

Schreibt GAM dieses Jahr operativ Verlust?

Der Insider erwartet, dass GAM im laufenden Jahr operativ einen Verlust von gegen 70 Mill. sfr erleiden wird. GAM sei in puncto Personal und Infrastruktur völlig unterausgelastet und nicht in der Lage, die Einnahmen aus ihrem qualitativ teilweise durchaus guten Fondsgeschäft in Gewinne umzumünzen. Dramatisch verschärft habe sich die Situation Ende Juni, als GAM das zwar wenig lukrative, aber sehr volumenstarke Geschäft mit der Fondsverwaltung für Drittkunden veräußert habe, um eine Bedingung von Liontrust zu erfüllen, sagt der Insider.

Newgame hatte den Verkauf scharf kritisiert – im Wissen, dass die fehlenden Einnahmen bei unveränderten Kosten die GAM-Rechnung in der zweiten Jahreshälfte weiter verschlechtern würden. GAM zählt noch etwas über 500 Beschäftigte – hauptsächlich in London. Der Bestand ist zuletzt um mehr als 200 Personen gesunken. Das verwaltete Vermögen hat sich in der gleichen Zeit von 126 Mrd. auf 68 Mrd. sfr halbiert und durch den Verkauf des Geschäfts mit Drittkunden geht im laufenden Halbjahr nochmals ein Volumen von 22 Mrd. weg.

"Newgame wird sehr viel Geld in die Hand nehmen müssen, um GAM überhaupt überlebensfähig machen zu können", sagt der Insider. Auch für Liontrust wäre die Übernahme eine schwierige Übung geworden. Aber die Briten hatten immerhin die Gewissheit, die hohen aufgelaufenen Verluste von GAM von den Steuern absetzen zu können.

Liontrust könnte selbst zum Übernahmeziel werden

Liontrust verfolgte mit dem Übernahmeversuch, der von Alantra Corporate Finance und Singer Capital Markets Advisory begleitet wurde, strategische Ziele. Aus der Fusion sollte ein Assetmanager mit einem verwalteten Vermögen von 53 Mrd. Pfund hervorgehen. Das Produktangebot wäre diversifiziert worden, die Vertriebspräsenz außerhalb des Vereinigten Königreichs gestärkt. Man hätte bei vielen Angeboten die nötige kritische Masse erreicht. Ob sich die vom Liontrust-Management avisierten „ambitionierten Kostensenkungen“ tatsächlich hätten erzielen lassen, bleibt offen. Es hatte erwartet, im zweiten Jahr 57 Mill. Pfund einsparen zu können, etwa bei den Kosten für Verwaltung, Daten und Technologie.

Wachsender Druck auf Liontrust

„Aus unserer Sicht hätte GAM signifikante Exekutionsrisiken gebracht, angesichts des anhaltenden Rückgangs des verwalteten Vermögens aber nur einen ungewissen finanziellen Nutzen“, schrieben Analysten von Peel Hunt in einer ersten Einschätzung. Liontrust meldete zuletzt einen Rückgang ihrer Assets under Management von 6,1%. Der Aktienkurs der Investmentboutique sei von Sorgen um GAM wesentlich belastet worden, schreiben die Analysten von Peel Hunt. Man begrüße, dass das Management die Dividende von 72 Pence je Aktie beibehalten wolle. Nun bestehe allerdings das Risiko, dass das Management im Bemühen, sich von britischen Retailkunden unabhängiger zu machen, weitere M&A-Aktivitäten folgen lasse. Liontrust könne angesichts der derzeit niedrigen Bewertung auch selbst zum Übernahmeziel werden.  

Wertberichtigt Seite 2
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