Auf der Suche nach Ausgewogenheit

Klimaschutz, Kundennutzen und Wirtschaftlichkeit in Einklang bringen - Alle Beteiligten sollten ehrlich argumentieren

Auf der Suche nach Ausgewogenheit

In der öffentlichen Debatte waren in den vergangenen Monaten zwei Themen fast ununterbrochen präsent. Zum einen der Klimawandel, der sich in der täglichen Realität mehr und mehr zeigt und unter anderem mit dem zweiten Dürresommer in Folge eindrücklich ankündigt, zum anderen der Wohnungsmangel in den Metropolen. Beide Themen sind heute zentrale Herausforderungen für die Wohnungswirtschaft und direkt miteinander verknüpft.Um dem Klimawandel wirkungsvoll zu begegnen, muss sektoren- und länderübergreifend eine maßgebliche Senkung der Co2-Emissionen erfolgen. Dass große Energieeinsparungen auch bei Gebäuden nötig sind, um die Ziele des Pariser Klimaabkommens einzuhalten, ist unbestritten. 22 % des Primärenergiebedarfs Deutschlands entfallen der Deutschen Energieagentur (dena) zufolge allein auf den Wohngebäudebestand, die Gebäudewärme verursacht 24 % unserer gesamten energiebedingten Treibhausgasemissionen. Und das politische Ziel ist klar: Bis 2050 soll der Gebäudebestand nahezu klimaneutral werden, wofür langfristige Sanierungsstrategien sowie die schrittweise Abkehr von fossilen Heizungssystemen Voraussetzung sind. Nicht zum NulltarifDoch gleichzeitig sind energetische Modernisierungen neben der regional hohen Nachfrage eine der wesentlichsten Ursachen für Mietsteigerungen. Die Energieeinsparungen der Mieter liegen heutzutage in den allermeisten Fällen unter der von ihnen zu tragenden Mieterhöhung. Selbst nach der Absenkung der Modernisierungsumlage von 11 auf 8 % Anfang dieses Jahres stehen daher viele Vermieter und Investoren in der Kritik. Unabhängig davon, dass nicht wenige Unternehmen diese Spanne – eben gerade mit dem Blick auf bezahlbare Mieten – nicht ausschöpfen: Die Wohnungswirtschaft, insbesondere große Bestandshalter mit mehreren zehntausend Einheiten, steht an dieser Stelle vor einem von ihr selbst kaum zu lösenden Zielkonflikt.Selbstverständlich tragen vor allem große Wohnungsunternehmen gesellschaftliche Verantwortung – und zwar für beide Pole des Problems. Es muss daher in letzter Konsequenz darum gehen, energetische Modernisierungen umzusetzen und damit den Treibhausgasaus-stoß, den das Wohnen verursacht, zu senken, gleichzeitig aber die Kosten dafür im Rahmen zu halten beziehungsweise sicherzustellen, dass die Belastung der Mieter das vertretbare Maß nicht überschreitet.Dabei hilft es jedoch wenig, die Wahrheit zu verschweigen, dass es energetische Modernisierungen nicht zum Nulltarif geben kann. Die Mehrkosten für eine neue Dämmung, den Austausch von Fenstern und Türen oder die Erneuerung von Heizungs- und anderer Gebäudetechnik kann und darf die Wirtschaft nicht allein tragen. Denn da es sich bei der Energiewende um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe handelt, müssen auch die Lasten und Pflichten, die daraus erwachsen, gerecht auf die einzelnen Akteure verteilt werden. Soziale VerantwortungBisher ist das aber meist nicht der Fall. Die Praxis zeigt, welch große Herausforderung es ist, die für die Klimaziele des Bundes notwendige Sanierungsquote von 1,4 % zu erreichen. Nach Berechnungen der dena lag diese im Jahr 2018 bei etwa 1,0 % – und das bereits als Ergebnis konzertierter Anstrengungen seitens der Eigentümer, die dem Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen GdW zufolge allein im vergangenen Jahr 3,9 Mrd. Euro in Modernisierungen investierten.Die Wohnungswirtschaft sieht sich hier bereits heute zu Recht in der sozialen Verantwortung, wenn sie mit wärmegedämmten Dächern, Fassaden und Fenstern das Wohnklima verbessert, Quartiere und ganze Stadtteile umweltschonend entwickelt und somit ihren Beitrag für den Klimaschutz leistet. So helfen die Modernisierungen, Quartiere und Städte fit zu machen für eine lebenswerte und klimafreundlichere Zukunft.Doch damit die Klimaneutralität innerhalb der nächsten drei Jahrzehnte tatsächlich erreicht werden kann, müssen die Anstrengungen aller Seiten deutlich gesteigert werden. Eine regenerative, dezentralere Energieerzeugung muss selbstverständlich werden. Und beim Ener-gieverbrauch ist eine ganzheitliche Betrachtung nötig, die beispielsweise in den wohl immer heißer werdenden Sommern über Verschattung oder die Farbgestaltung der Fassade das Aufheizen der Gebäude verhindert – auch ohne, dass eine energieintensive Klimaanlage läuft. Umdenken gefragtHier ist Umdenken gefragt – weg von den engen Vorschriften und Zielen für einzelne Gebäude, hin zur geförderten Klimaoptimierung ganzer Quartiere. Eine Neujustierung wäre auch beim politischen Ziel der Reduktion des Energieverbrauchs angezeigt. Nicht die Energie ist das Problem – erneuerbare Energien stehen faktisch unbegrenzt zur Verfügung -, sondern die Emissionen. Gebäude werden auch künftig immer Energie benötigen; der Fokus muss noch viel stärker auf einer klimagerechten, emissionsfreien Energieerzeugung liegen.Zudem würde es mehr Sinn machen, die Förderung an Ergebnisse wie Co2-Reduktion zu knüpfen, als wie bisher an Maßnahmen wie Wärmedämmung. Und neben der Objektförderung könnte die Subjektförderung des Mieters ein gleichberechtigtes Standbein bilden, das dem gesamtgesellschaftlichen Klimaschutz diente und gleichzeitig den Mieter vor weiteren finanziellen Belastungen schützt. Diese flexiblere Klimaförderung ließe allen Beteiligten mehr Freiraum für kreative Lösungen und lieferte insgesamt effizientere Einsparergebnisse.Eine sinnvolle Ergänzung ist selbstverständlich ein aktives Vermietungsmanagement seitens der Bestandshalter: Vielen Menschen, die eine Erhöhung der Miete aufgrund einer Modernisierungsumlage in die Bredouille bringt, wird zumindest temporär geholfen, indem ihnen der Vermieter eine günstigere Wohnung aus seinem Portfolio anbietet. Politische AusgewogenheitUm den sozialpolitischen Zielkonflikt zwischen Bezahlbarkeit und Klimaverträglichkeit zu lösen, bedarf es auch politischer Antworten. Nur dann kann es gelingen, die gegenwärtige Skepsis gegenüber der Wohnungswirtschaft abzubauen, die bereits zu einem Rückgang der Investitionen geführt hat. Auch hier würden kreative Ideen helfen. Beispiel: Die vorherrschende Perspektive fokussiert einseitig auf die Nettokaltmieten. Das Gegenteil wäre richtig.Die gesellschaftliche Frage, inwiefern sich Wohnen und Klimaschutz vereinbaren lassen, sollte sich auf die Gesamtkosten sowie die Gesamtemissionen für Wohnraum konzentrieren, also die Energieversorgung miteinbeziehen. Denn wem ist geholfen, wenn zwar die Kaltmiete in einem nicht modernisierten Haus niedrig bleibt, gleichzeitig aber weiterhin enorm hohe Co2-Emissionen den Klimaschutz konterkarieren? Ein ganzheitlicher Ansatz müsste zwei Dinge leisten: Erstens die positiven Folgen von modernisierten Gebäuden für die profitierenden Bewohner anerkennen. Und zweitens einen Ausgleich treffen, wie die Ziele Kli-maschutz sowie Schaffung und Erhalt günstigen Wohnraums in den kommenden Jahren positiv miteinander kombiniert werden können.Denn ohne steuerliche Vorteile oder praktikable Förderungen wird die Wohnungswirtschaft allein nicht in der Lage sein, die Klimaneutralität der Gebäudebestände bis 2050 zu erreichen. Es wäre dabei auch erstrebenswert, transparente Verfahren und eine konstruktive Kooperation zu etablieren – anstatt den schwarzen Peter der jeweils anderen Seite zuzuschieben. Die Praxis zeigt zudem, dass auch die Zusammenarbeit mit den Kommunen in aller Regel produktiv darauf ausgerichtet sein kann, eine nachhaltige Quartiersentwicklung voranzubringen, von der alle Bewohner profitieren.Um dies zu erreichen, müssen jedoch alle Beteiligten offen und ehrlich miteinander umgehen. Zur Wahrheit gehört dabei auch, dass die technische Modernisierung nur ein Teil zur Bewältigung der Herausforderungen ist, die sich beim Klimaschutz stellen. So haben Pilotprojekte bereits den in der Praxis begrenzten Effekt manch technologischer Neuerung gezeigt. Wenn Mieter beispielsweise mit digitalen und “smarten” Thermostaten in ihren Wohnungen nicht genau so umgehen, wie es zur Energieverbrauchsoptimierung notwendig ist, verpufft das Einsparungspotenzial und führt im schlimmsten Fall sogar zu einer Erhöhung des Energieverbrauchs.Eine umfassende öffentliche Diskussion über den Energiebedarf des Wohnens und die Frage, wie stark dieser mit dem Nutzerverhalten korrespondiert, ist deshalb genauso wichtig wie ein besseres flächendeckendes Förderungsumfeld. Noch haben wir die Chance, einer Klima-katastrophe wirkungsvoll zu begegnen. Wir haben nur eine Erde – und hier wollen wir lebenswert und einfach gut wohnen. Uwe Fischer, Abteilungsleiter Bauprojektmanagement der LEG Immobilien AG