AKTIEN

"Auf ein neues Niveau"

Interview mit Silke Schlünsen

"Auf ein neues Niveau"

Silke Schlünsen ist eine der profiliertesten Index-Expertinnen. Bei der Oddo Seydler Bank in Frankfurt leitet sie als Managing Director den Bereich Designated Sponsoring.Frau Schlünsen, was ändert sich für eine Aktie mit dem Aufstieg in einen höheren Index?Die Wahrnehmung der Aktie steigt deutlich an. Meist werden auch weitere Research-Berichte publiziert, auch wenn das durch Mifid II schwieriger geworden ist. Ein Index-Aufstieg spricht zusätzliche Investoren und Fonds an und strukturierte Produkte werden i. d. R. auf Basis der Aktie aufgelegt. Insgesamt steigen also die Liquidität und die Nachfrage nach der Aktie an. Ein Indexaufstieg hilft, eine Aktie auf ein neues Niveau zu bringen – und das gilt nicht nur für den Kurs. Wenn man mit seinem Unternehmen in Deutschland an die Börse geht, ist ein Indexaufstieg für viele natürlich das langfristige Ziel.Viele Aufsteiger fallen schnell wieder zurück wie beispielsweise ProSiebenSat.1. Was ist nötig für eine dauerhafte Index-Mitgliedschaft?Es gibt natürlich keine Garantie, dass ein Unternehmen langfristig in einem Index gelistet bleibt. Ein Unternehmen muss dafür etwas tun und kontinuierlich liefern. Sie müssen sich über ihre Equity Story vermarkten und für Broker sichtbar sein. Ein gutes Beispiel ist das Software-Unternehmen Nemetschek. Sie haben keine aggressive Guidance, liefern aber immer einen Schnaps oben drauf. Langfristig spielt auch die Zugehörigkeit zur richtigen Branche eine wichtige Rolle angesichts des Strukturwandels. Der TecDax wurde einmal von Solar-Titeln dominiert, und bei den im Dax wichtigen Autowerten läuft es weiter in die falsche Richtung. Und schließlich sollten Unternehmen das in sie gesetzte Vertrauen nicht missbrauchen.Welchen Branchen werden Ihrer Einschätzung nach in Zukunft in der Dax-Familie nach oben wachsen?Das sind zum einen die Immobilien-Unternehmen, die durch Fusionen an Größe gewinnen könnten. Und zum zweiten das Thema Digitalisierung. Ich meine damit nicht nur Digitalunternehmen, sondern Unternehmen aus allen Branchen, die mittels Digitalisierung das Leben einfacher machen. Stellen Sie sich vor, sie können mit dem Einkaufskorb einfach durch die Supermarktkasse laufen und haben schon bezahlt. Der Trend zur 5G-Technologie wird der Digitalisierung einen Schub geben und Unternehmen helfen diese umzusetzen. Ein weiterer Trend ist es, dass Menschen sich heute anders bewegen und ihr Körper einem anderen Verschleiß als früher ausgesetzt ist. Schließlich müssen Fonds ab dem Jahr 2020 voraussichtlich Nachhaltigkeitskriterien bei der Anlage berücksichtigen. Ein Unternehmen kann aktuell noch so attraktiv sein, wenn es sich den Trends Digitalisierung und Nachhaltigkeit entzieht, so wird es künftig zu den Verlierern zählen. Mit dem Aufstieg in den Dax scheint vielen Aktien die Luft auszugehen. Woran liegt das?Die zweite und dritte Reihe am deutschen Aktienmarkt, also MDax uns SDax, weisen schon seit langem eine bessere Performance auf als der Dax. Die Unternehmen in den Nebenwerte-Indizes sind stärker auf Investitionen fokussiert, während der Dax ein Dividendenindex mit einer gewissen Saturierung seiner Mitglieder ist. Wo liegen die Hürden für den Aufstieg?Wenn sie mit einem börsennotierten Unternehmen in Deutschland an die Börse gehen, dann müssen sie, wenn sie Aufmerksamkeit erzielen wollen, einem Index der Dax-Familie angehören. Die Schwellen dafür sind aber in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Für eine SDax-Mitgliedschaft benötigen sie heute eine Free-Float-Marktkapitalisierung des Streubesitzes von rund 380 Mill. Euro. Für den MDax sind es 1,6 Mrd. Euro und für den Dax 10,3 Mrd. Euro. Mit jedem größeren Börsengang erhöhen sich die Eintrittsbarrieren weiter, so dass kleinere Unternehmen kaum noch eine Chance haben, indexfähig zu sein. Das kann verhindern, dass Unternehmen an die Börse gehen, um sich finanzieren und zu wachsen. Die Deutsche Börse hätte bei der Indexreform im vergangenen Jahr deshalb gut daran getan, den MDax um weitere zehn Werte zu erweitern.Was hat sich mit der Aufnahme von Technologie-Titeln in den MDax im vergangenen Jahr im Hinblick auf die Bewertung verändert?Die Bewertung im MDax liegt jetzt etwas höher als früher, weil Technologiewerte meist Wachstumswerte sind. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) im MDax liegt derzeit bei 24,75. Während die klassischen Werte im Index ein KGV von 22 aufweisen, liegt das durchschnittliche KGV bei den Techwerten bei 33.Das Interview führte Stefan Schaaf.