Aufbruchsstimmung auf der letzten Meile

Erhöhtes Paketaufkommen durch mehr E-Commerce sowie veränderte Bedürfnisse stellen City-Logistik vor Herausforderungen - Innovative Zustellformen gefragt

Aufbruchsstimmung auf der letzten Meile

Mit einem erzielten Transaktionsvolumen von rund 7,5 Mrd. Euro allein im vergangenen Jahr haben sich Logistik- und Industrieimmobilien als bedeutende Assetklasse etablieren können. Insgesamt konnte ein Wachstum von 60 % gegenüber dem Fünfjahresdurchschnitt erzielt werden. Auch zukünftig werden Logistikimmobilien bei Anlegern weiterhin gefragt sein. So wird für dieses Jahr ein Transaktionsvolumen auf Vorjahresniveau erwartet. Wenngleich die Spitzenrenditen weiter sinken dürften, lag die Rendite für Logistikobjekte in den sieben großen deutschen Metropolregionen im zurückliegenden Jahr bei 4,10 %.Wesentlicher Treiber dieser positiven Entwicklung ist der boomende Online-Handel. Allein für das Jahr 2018 konnte der E-Commerce einen Umsatz von 53,3 Mrd. Euro verbuchen, was einem Zuwachs von 9,4 % gegenüber dem Vorjahr entspricht. Dadurch hat sich das Paketaufkommen seit 2000 insgesamt mehr als verdoppelt. Die meisten Sendungen erfolgen im städtischen Raum, allein in München kommen pro Einwohner 61 Paketzustellungen pro Jahr zusammen. Dieses rasante Wachstum führt zu einem steigenden Bedarf an Logistikimmobilien zur Belieferung der sogenannten letzten Meile, die direkte Zustellung zum Endkunden.Getrieben wird der Trend des E-Commerce durch veränderte Konsummuster innerhalb der Gesellschaft. Insbesondere die 22- bis 29-Jährigen internetaffinen Millennials setzen immer mehr auf Same-Day- oder Same-Hour-Delivery und fordern kostenlosen Hin- und Rückversand. Hierauf muss die Logistikbranche nun reagieren und ihre Arbeitsweise umstrukturieren, wie eine aktuelle Studie der Deutschen Hypo aufzeigt. Flächenknappheit in StädtenDer dynamische Online-Handel bringt enorme Herausforderungen mit sich. So wird die steigende Nachfrage nach Logistikflächen die ohnehin vorhandene Flächenknappheit in deutschen Großstädten weiter intensivieren. Bis zum Jahr 2021 wird ein zusätzlicher Logistikflächenbedarf von rund 52 % für den gesamtdeutschen Markt erwartet. Zugleich wird die urbane Bevölkerung weiter wachsen: Bis 2050 werden nach Schätzungen der UN bis zu 84,3 % der Bevölkerung in Städten leben. Die städtische Infrastruktur ist jedoch bereits heute überlastet.Für Entlastung kann ein kaskadenförmiges Belieferungssystem sorgen, das bereits im Lebensmittelhandel eingesetzt wird. Bei dieser mehrstufigen Methode werden im städtischen Umland großflächige Distributionscenter an Verkehrsknotenpunkten platziert, auf die im innerstädtischen Bereich urbane Fulfillmentcenter folgen. Als Versorgungszentren für die letzte Meile dienen Micro-Fulfillmentcenter, zum Beispiel in Form von mobilen Containern. Aufgrund der verschärften Marktsituation durch den Flächenwettbewerb mit anderen Assetklassen sowie weitreichende Umweltrichtlinien sind der Entwicklung dieses Belieferungssystems Grenzen gesetzt. Alternative NutzungskonzepteEin weiterer Lösungsansatz, um dem Flächenmangel entgegenzuwirken, ist die Konversion von ehemaligen Gewerbeeinheiten, leerstehenden Büroflächen oder auch unausgelasteten Parkhäusern und Tiefgaragen. Insbesondere ausrangierte Supermärkte sowie ausgediente Industrieflächen verfügen über sehr gute logistische Ausstattungen und infrastrukturelle Anbindungen. Ferner werden auch neue Nutzungskonzepte diskutiert. Im asiatischen Raum prägen Multi-Level-Objekte beispielsweise schon länger das urbane Erscheinungsbild. Dabei wird durch die Verlagerung der Nutzfläche auf mehrere Etagen der ebenenübergreifende Warenfluss ermöglicht.In Deutschland können allerdings aufgrund regulatorischer Hürden die Dimensionen asiatischer Komplexe bis auf weiteres nicht erreicht werden. Alternativ hierzu könnten Multi-User-Objekte, die eine heterogene Mieterstruktur vorweisen, sowie Hybridobjekte, wie zum Beispiel eine Kombination aus Kaufhaus und Logistikimmobilie, für Entlastung sorgen. Vielerorts sind bereits Intermodalstationen wie Paketstationen im Einsatz. Hier bedarf es einer Kooperation der verschiedenen Dienstleister im Rahmen von anbieterübergreifenden Paketstationen, um den Empfang der Waren weiter zu erleichtern.Neuartige Probleme erfordern neuartige Lösungen: Aus diesem Grund werden momentan diverse innovative Konzepte getestet. Durch den Einsatz von Elektrofahrzeugen könnte die Lieferzeit beispielsweise in die Nacht verlegt werden. Auf diese Weise könnten nicht nur Lärm und Schadstoffausstöße verringert, sondern auch der Verkehr entlastet werden. Darüber hinaus wird mit Mikrodepots experimentiert. Diese 15 bis 25 Quadratmeter großen Räume können in Form von Containern oder Lieferwagen zur Zwischenlagerung vor der Zustellung dienen. Durch die Nähe zum Endkunden kann so die Bestellung über Lastenfahrräder ausgeliefert werden. Ausgefallenere AnsätzeAber auch ausgefallenere Ansätze werden verfolgt. So zum Beispiel die Auslieferung über Taxis, die neben Personen auch Pakete befördern, oder die Idee der “Crowd-Delivery”, die bereits in Berlin getestet wurde. Hier wird der Endkunde selbst zum Zusteller. Ebenfalls getestet wird der Einsatz von Drohnen und Zustellrobotern. Das ist aktuell allerdings noch Zukunftsmusik. Bisher sprechen nicht nur die weitreichenden regulatorischen Vorgaben, sondern auch die Skepsis sowie die verhaltene Zahlungsbereitschaft der Verbraucher dagegen.Zusammenfassend lässt sich sagen: Die innerstädtische Logistik bietet hohes Marktpotenzial – befindet sich momentan jedoch noch im Pionierstatus. Zeitnah wird sich wohl nur der Trend der E-Mobilität nachhaltig auf die Belieferung der letzten Meile auswirken. Um zukünftig den stetig wachsenden Anforderungen gerecht zu werden, müssen jedoch auch neue Kooperationsformen realisiert werden. Nur eine enge Zusammenarbeit aller Akteure der City-Logistik kann Redundanzen abbauen und somit die Gesamteffizienz steigern. Für eine volle Entfaltung des Marktpotenzials müssen zudem entsprechende infrastrukturelle und regulatorische Voraussetzungen seitens des öffentlichen Sektors geschaffen werden. Sabine Barthauer, Vorstandsmitglied der Deutschen Hypo