Aufseher fordern Daten zu Gehaltsmillionären an

EBA will Vergütung europaweit vergleichbar machen - Banken läuft der Personalaufwand davon

Aufseher fordern Daten zu Gehaltsmillionären an

Von Bernd Neubacher, FrankfurtEuropas Bankenaufseher machen Ernst mit dem Vorhaben, die Vergütungen vor allem der Spitzenverdiener im Bankensektor des Kontinents transparenter und vergleichbar zu machen. Entsprechende Ausführungsrichtlinien legte die European Banking Authority (EBA) am Freitag vor. Demnach sollen ihr die nationalen Aufseher zunächst bis Jahresende die Daten aus den beiden vergangenen Jahren liefern. Anschließend fordert die EBA die Informationen jeweils per Ende August fürs vorangegangene Jahr von den nationalen Behörden ein, denen die Kreditinstitute die Daten per Ende Juni liefern sollen. Nach Sparten aufgeschlüsselt will die EU-Behörde wissen, was Banken verdienen, wie viele Leute sie beschäftigen und was sie diesen zahlen, fix und variabel.Im Falle sogenannter Risk Taker, welche das Risikoprofil eines Instituts prägen, sollen die Banken zudem offenlegen, welchen Anteil des Entgelts sie bar oder in Aktien zahlen und inwieweit die Leistungen einer Sperrfrist unterliegen. Bei Beschäftigten mit Einkommen von mindestens 1 Mill. Euro geht es der EBA darüber hinaus auch um Angaben zu Pensionsleistungen. Die Branche trifft der Vorstoß zu einem Zeitpunkt, an dem die Vergütungskosten den Banken davonzulaufen beginnen.Da die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) sowohl im Board of Supervisors der EBA als auch in deren Management Board vertreten ist, sollten die neuen EBA-Richtlinien sie kaum überraschen. Bei den Banken dürfte die Bonner Behörde die nötigen Informationen zunächst auf dem Wege von Auskunftsersuchen abfragen. Die Idee einer europaweiten Sammlung von Vergütungsdaten geht zurück auf die derzeit in der Neufassung befindliche Eigenkapitalrichtlinie CRD III. Die EBA, deren Zukunft gut eineinhalb Jahre nach ihrer Gründung vor dem Hintergrund der Debatte um eine Bankenunion und eine Bankenaufsicht durch die Europäische Zentralbank schon wieder in den Sternen zu stehen scheint, will die Daten nutzen, um die Entwicklung der Vergütungen zu verfolgen und vom jeweiligen Heimatland abhängigen Unterschieden in der Vergütungspraxis von Banken auf die Spur zu kommen.In der Vergütungspraxis besteht noch Verbesserungsbedarf, wie die Behörde erst im April in einer Studie festgestellt hat. Demnach gelingt es Banken nach wie vor nicht, die Kalkulation variabler Vergütungen ihrer Angestellten mit von ihnen eingegangenen Risiken in Einklang zu bringen. Die Banken verwendeten “unterentwickelte Techniken”, um die Vergütung zu berechnen, hieß es. Zudem fehlten ihnen einheitliche Instrumente, um diejenigen Angestellten auszuwählen, die Boni-Regulierungen unterliegen sollten. Dabei sind die Vergütungen europaweit noch recht einheitlich geregelt, zumindest im globalen Maßstab. Wo sind die Risikonehmer?Denn fünf Jahre nach einer ersten Eskalation der Finanzkrise hat der globale Finanzstabilitätsrat zwar längst Prinzipien für eine vernünftige Entlohnung vorgelegt und etwa gefordert, Zahlungen nicht kurzfristig festzulegen, wenn damit honorierte Leistungen langfristigen Risiken unterliegen. Die Regulierung aber erinnert an einen “Patchwork-Ansatz”, wie Bernd Thomaszik beklagt, Leiter der Vergütungsberatung bei Mercer in Central Europe. In den USA seien Regeln entwickelt worden, die großen Interpretationsspielraum ließen. Im Gegensatz dazu hätten die Behörden in Europa genau festgelegt, wie Boni aufzuschieben seien und welche Arten von Vergütungsinstrumenten eingesetzt werden müssten.Als “kritischsten” Bereich neben der Anpassung von Vergütungen ans Risiko und die anschließende Performance stellt der Finanzstabilitätsrat die Identifikation der Risikonehmer heraus. Daran hapert es offenbar auch in der Bundesrepublik. So hat die in der Vergütungsverordnung enthaltene Verpflichtung von Banken, diejenigen Mitarbeiter zu benennen, welche das Risikoprofil größerer Banken maßgeblich prägen, im vorvergangenen Jahr nach sich gezogen, dass die Zahl der Risk Taker in einigen Banken um bis zu 90 % abnahm.2011 ging es dabei für deutsche Bankmanager im zweiten Jahr in Folge voran, nachdem die Krise ihre Einkommen 2009 um durchschnittlich knapp 8 % hatte fallen lassen. Laut Destatis verdienten Führungskräfte hiesiger Finanzdienstleister samt Boni, Weihnachts- und Urlaubsgeld sowie anderer Sonderzahlungen im Mittel 107 000 Euro nach 100 000 Euro im Vorjahr. Zum Vergleich: Goldman Sachs hat allein im ersten Halbjahr 2012 im statistischen Durchschnitt rund 226 000 Dollar für jeden ihrer Mitarbeiter reserviert. Bei J.P. Morgan waren es etwa 185 000 Dollar, bei Morgan Stanley rund 138 000 und bei der US-Investmentbank Jefferies gar 228 000 Dollar. Weltweit aber geraten die Vergütungen unter Druck.Zwar wird bei Beratern in Europa beklagt, die verschiedenen Ansätze der Regulierung in Europa und in den USA benachteiligten europäische Banken, wenn es darum gehe, qualifizierte Mitarbeiter zu gewinnen. In den Vereinigten Staaten allerdings sorgen inzwischen betriebswirtschaftliche Notwendigkeiten für einen Gehaltsdeckel. So kündigte die US-Investmentbank Lazard erst am Donnerstag, nachdem sich der Nettogewinn im ersten Halbjahr halbiert hatte, deutliche Kostensenkungen an, wie zuvor schon Goldman Sachs und Morgan Stanley. Im zweiten Quartal hat Lazard nicht weniger als 63 % ihrer Erträge für Vergütung ausgegeben. Starre Kostenbasis rächt sichJenseits des Atlantiks veranlassen vor allem ein zunehmend durch die Krise geprägtes Umfeld sowie nach wie vor üppig bemessene Entgelte Banken dazu umzusteuern. In Europa, wo etwa die Deutsche Bank mit Stellenabbau ebenfalls Kosten drücken will, rächt sich darüber hinaus eine neuerdings recht starre Kostenbasis, welche Banken in Reaktion auf die Regulierung variabler Leistungsanreize etablierten. Wie etwa der europäische Branchenverband Association for Financial Markets (AFME) erhoben hat, ist der Aufwand für variable Vergütungen bei den großen Banken in Europa zwar seit 2007 um 55 % gefallen. Zugleich aber haben die fixen Bestandteile um 37 % angezogen. Machten nicht variable Vergütungen 2007 noch 30 % des Gesamtentgelts aus, so sind es 2011 schon 55 % gewesen.