FINANZKRIMINALITÄT IN DER CORONAKRISE

Ausgedünnter Schutz bietet Geldwäschern mehr Chancen

Kontrolleure befürchten Überwachungslücken

Ausgedünnter Schutz bietet Geldwäschern mehr Chancen

fir Frankfurt – Den “perfekten Sturm für Geldwäsche” sieht das zum US-Finanzministerium gehörende Financial Crimes Enforcement Network (Fincen) durch die Coronakrise gekommen. “Schnelle und hochvolumige Finanztransaktionen aus einer Myriade von Quellen für eine Myriade von Absichten werden zeitgleich zu der beträchtlichen Reduktion von Personal getätigt, das diese Transaktionen zu überwachen hat”, warnt die Behörde, welche als Financial Intelligence Unit der USA für die Bearbeitung und Auswertung von Geldwäsche-Verdachtsmeldungen verantwortlich ist. Da viele Fachleute ihrer Arbeit von zu Hause aus nachgingen, seien die Schutzmöglichkeiten eingeschränkt. Auch ihr deutsches Pendant, die Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen, hat Finanzdienstleister und andere zur Abgabe von Verdachtsmeldungen Verpflichtete zu erhöhter Wachsamkeit aufgerufen, “damit die aktuelle Situation nicht für Geldwäsche und für sonstige Straftaten missbraucht wird”.Die Financial Action Task Force (FATF), der globale Standardsetzer gegen Geldwäsche, hatte Anfang des Monats darauf hingewiesen, dass Täter derzeit Lücken und Schwächen in der Geldwäschebekämpfung ausnutzen könnten, und sich deshalb für den vermehrten Einsatz von Finanztechnologien ausgesprochen. Sie wolle Fintechs und Regtechs “im größtmöglichen Umfang” fördern, bekundete die FATF.Ein Unternehmen, das davon profitieren dürfte, ist das 2018 gegründete Münchener Regtech Hawk:AI, das mittels Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) Geldwäsche-Verdachtsfälle herausfiltert und dabei nach Angaben des Mitgründers und CEO Tobias Schweiger mit geringeren IT- und Personalkapazitäten höhere Trefferquoten erzielt als mit üblichen Verfahren. Schub für Automatisierung Schweiger, der einst als CFO beim Zahlungsdienstleister Pay.On tätig war sowie bei ProSiebenSat.1 Media und Roland Berger arbeitete, geht davon aus, dass die Coronakrise die Automatisierung der Geldwäschebekämpfung – wie von Arbeitsprozessen im Allgemeinen – beschleunigt. Dass seiner Ansicht nach reine Online-Banken in der Krise verstärkt nachgefragt würden, komme dem zugute. “Die Hinwendung zum digitalen und datenorientierten Vorgehen wird einen Vorsprung auch in der Prozessqualität und -effizienz in der Geldwäschebekämpfung erzeugen. Diesen wird die Regulierung wahrnehmen und auch auf andere Institute angewendet sehen wollen.”Auffälligkeiten in der Vorgehensweise von Geldwäschern seien derzeit noch nicht zu beobachten. Dazu sei es zu früh, sagt Schweiger: “Kriminelles Geld muss ja erst an irgendeiner Stelle entstehen, bevor es gewaschen werden kann. Wir werden neue Typologien sehen, wenn sich dieser Effekt materialisiert.” Dass für die Geldwäscheprävention zuständige Teams in manchen Banken achtmal mehr Fälle abarbeiteten als üblich, ist ihm zufolge aber im Moment keineswegs kriminellen Handlungen geschuldet, sondern schlicht dem Umstand, dass Kunden gerade mehr Zeit haben, um beispielsweise ein neues Online-Depot zu eröffnen.