Assekuranz

BaFin nimmt Schaden- und Unfallversicherer ins Visier

Inflation und Zinswende verändern auch die Welt der Versicherer. Frank Grund vom Finanzaufseher BaFin schaut auf die Rückstellungen bei langlaufenden Sach-Policen.

BaFin nimmt Schaden- und Unfallversicherer ins Visier

mic München

Die Finanzaufsicht BaFin nimmt wegen der Preissteigerungen verstärkt die Sachversicherer ins Visier.  „Die Schaden- und Unfallversicherer sollten die Auswirkungen der Inflation nicht unterschätzen“, sagte Exekutivdirektor Frank Grund im Münchner Club Wirtschaftspresse. Denn eine hohe Inflationsdynamik führe zu steigenden Schadenaufwendungen. Insbesondere bei langlaufenden Verträgen müssten die Versicherer überprüfen, ob die Reserven nicht erhöht werden müssten, forderte Grund: „Das werden wir uns auch anschauen.“

Dabei hat die BaFin etwa versicherungstechnische Rückstellungen im Haftpflichtgeschäft im Blick. Es bestehe die Gefahr, dass beispielsweise wegen Abschreibungen aufgrund des Krieges in der Ukraine der Appetit auf Nachreservierungen gering sei: „Die Angemessenheit der versicherungstechnischen Rückstellungen behalten wir im Auge.“

Lasten der Pensionskassen

Grundsätzlich seien für die Versicherungsbranche sowohl die direkten als auch die indirekten Auswirkungen des Krieges in der Ukraine verkraftbar, sagte Grund. Die Lage der Pensionskassen habe sich auch infolge des Zinsanstiegs verbessert, es würden nun nur noch etwa 30 der 135 Pensionskassen besonders beaufsichtigt. Zuvor waren es rund 40 Unternehmen.

Es gilt nach Ansicht von Grund aber auch: „Wir brauchen weitere Zinsverstärkungen.“ Bei einigen Kassen habe die BaFin die Sorge, dass ohne weitere externe Maßnahmen die garantierten Leistungen nicht erbracht werden könnten: „Daher schließen wir weitere Leistungskürzungen neben den bekannten Fällen nicht aus.“ Mit Kürzungen bei größeren Unternehmen rechne er nicht. Die BaFin schaue sich zudem die erhöhten Zinsen sehr genau an. Der Anstieg habe gegenläufige Effekte. Einerseits könnten die Pensionskassen von höheren Sätzen in der Neuanlage profitieren. Auf der anderen Seite schmölzen durch fallende Kurse die stillen Reserven auf festverzinsliche Wertpapiere ab. Grund schätzte, dass die stillen Reserven nach den jüngsten Zinssteigerungen verschwunden seien. Ende 2021 hätten sie sich noch auf 30 Mrd. Euro addiert. Dies habe 15% der Kapitalanlagen entsprochen.

Augenmaß bei Ökoprodukten

„Abschreibungsbedarf droht aber dadurch erst einmal nicht“, sagte Grund. Denn die Pensionskassen hielten die Papiere in der Regel bis zur Endfälligkeit. Ein Teil der Kassen nutze allerdings die stillen Reserven, um den Rechnungszins zu erwirtschaften. Dies sei nun nicht mehr möglich: „Aus der Ecke kann noch etwas Ungemach kommen.“

Die Zinszusatzreserve der Lebensversicherer sei in etwa ausfinanziert, schätzte Grund, wenn der Zehn-Jahres-Swap auf dem aktuellen Niveau bleibe. Die Reserve addierte sich En­de 2021 auf rund 100 Mrd. Euro. „Zu einer Auflösung der Zinszusatzreserve wird es 2022 und wahrscheinlich auch in den nächsten ein bis zwei Jahren nicht kommen.“

Die Solvency-Quoten der Branche hätten sehr stark positiv auf den Zinsanstieg reagiert, stellte Grund fest. Bereits Ende 2021 seien sie inklusive Übergangsmaßnahmen auf 517% von 389% Ende 2020 gestiegen. Es sei damit zu rechnen, dass die Solvenzquoten sich weiter verbesserten. Denn die Passivseite mit den Verpflichtungen habe eine längere Duration als die Anleihen auf der Aktivseite. Damit gehe die Abhängigkeit von den Übergangsmaßnahmen zurück. Die Zahl der Lebensversicherer unter intensivierter Aufsicht sei seit Jahresbeginn von 20 auf 15 der rund 80 Versicherer gesunken.

Die BaFin will die Nachhaltigkeitsperformance der Branche besonnen beurteilen. Ihr Job sei zu überprüfen, ob die Unternehmen die Transparenzvorschriften richtig umsetzten. Doch: Was bedeute Nachhaltigkeit für die Produktgestaltung in der traditionellen Lebensversicherung? Es seien eine Menge Fragen etwa mit dem Blick auf den Deckungsstock zu beantworten: „So weit sind wir noch nicht.“ Grund betonte, kein Versicherer sei gezwungen, derartige Produkte anzubieten: „Aber wenn sie es machen, müssen sie mit Blick auf die Transparenz – Stichwort Greenwashing – andere Anforderungen erfüllen.“ Der Branche sei vielleicht nicht klar, wie viel Aufwand damit verbunden sei. Man können nicht von null auf jetzt eine perfekte Lösung finden, räumte der BaFin-Exekutivdirektor ein: „Wir müssen als Aufsicht das mit Augenmaß betreiben.“

Run-off läuft gut

Angesichts der Ankündigung von Zurich, ein Portfolio von Lebensversicherungen in den Run-off zu geben, erklärte Grund, dass die Skeptiker – zu denen er auch gehört habe – in der Vergangenheit nicht Recht gehabt hätten: „Bisher sind die Erfahrungen mit dem Run-off in Deutschland ja nicht schlecht.“ Man habe keine Stornowellen gesehen, außerdem hätten sich die Überschussbeteiligungen nicht schlecht entwickelt.

Grund zeigte sich offen, dass die EU-Versicherungsaufsicht EIOPA – wie von dieser gefordert (vgl. BZ vom 22. Juni) – moderat mehr Durchgriffsrechte erhält: „Ich kann mir vorstellen, dass es sinnvoll sein kann, EIOPA in bestimmten und klar abgegrenzten Fällen eine stärkere Rolle zu geben.“ Dabei sollte es aber bei der ursprünglichen Systematik bleiben, dass der Aufseher am Stammsitz des Versicherers entscheide.

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