BaFin schwört Prüfer auf Schiffsportfolios ein

Aufsicht erklärt maritime Risiken zum Schwerpunkt der Gutachter in der Bilanzsaison - Allein bei den großen Banken stehen knapp 100 Mrd. Euro im Feuer

BaFin schwört Prüfer auf Schiffsportfolios ein

Dem Bankensektor steht eine spannende Bilanzsaison ins Haus: Die Finanzaufsicht durchleuchtet insbesondere die Schiffsrisiken der Institute. Entsprechende Portfolios haben die Aufseher zum Schwerpunkt der Bilanzprüfung erklärt, wie zu erfahren ist. Nach HGB bilanzierenden Kreditinstituten drohen überdies Belastungen infolge neuer Vorgaben zur Bewertung im Bankbuch.Von Bernd Neubacher, Frankfurt Wertberichtigungen auf Schiffsportfolios sowie neue Vorgaben zur Bilanzierung bergen in der bald beginnenden Bilanzsaison deutscher Banken am ehesten Potenzial für Enttäuschungen. Der Zinsüberschuss sowie sonstige Risikovorsorge dürften derweil weder für besonders erfreuliche noch für böse Überraschungen gut sein, wie es bei Prüfern heißt.Besonders die in Schiffsportfolios schlummernden Risiken treiben die Aufseher um. So hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) die maritimen Engagements aller Banken mit nennenswerten Schiffsportfolios flächendeckend zum Prüfungsschwerpunkt nach § 30 des Gesetzes über das Kreditwesen (KWG) erklärt, wie aus Prüferkreisen übereinstimmend verlautet.Diese Norm des KWG ermöglicht es der Aufsicht, “auch gegenüber dem Institut Bestimmungen über den Inhalt der Prüfung zu treffen, die vom Prüfer im Rahmen der Jahresabschlussprüfung zu berücksichtigen sind”. Und: “Sie kann insbesondere Schwerpunkte für die Prüfungen festlegen.” Eine Bank, deren Name einstweilen im Unklaren bleibt, soll mit ihren Schiffsrisiken gar Gegenstand einer Sonderprüfung der BaFin sein. Um die HSH Nordbank gehe es dabei nicht, heißt es. Die BaFin äußert sich auf Anfrage weder zu ihrem Prüfungsschwerpunkt noch zu Sonderprüfungen. Es sieht dramatisch ausDass die Aufsicht in Schiffsportfolios das größte Wertberichtigungsrisiko in Deutschland sieht, kann allerdings kaum verwundern. So warnte Anfang November die HSH Nordbank vor milliardenschweren Ausfallraten im Shipping in den kommenden Jahren. Und Ende November wurde bekannt, dass die Nord/LB angesichts stark gestiegener Einzelwertberichtigungen auf ein 20 Mrd. Euro schweres Schiffskreditportfolio ihre Risikovorsorge mehr als verdreifacht hat. Abstürzende Charterraten, nicht nur bei großen Containerfrachtern (Panamax, siehe Grafik), sowie zusehends kürzere Produktzyklen haben die Schiffswerte unter Wasser gesetzt und bringen manchen Risikomanager im Kreditgewerbe ins Schwitzen. Substanzielle WertkorrekturenIm Kampf gegen die Schiffskrise kalkuliert die Nord/LB auch für 2013 millionenschwere Belastungen ein. “Wir werden substanzielle Wertberichtigungen haben”, hat ihr Vorstandsvorsitzender Gunter Dunkel angekündigt – und nicht nur die Nord/LB, glaubt man Prüfern. “Da sieht es schon dramatisch aus”, heißt es in der Branche über die Schiffsrisiken der Institute, “einige Banken werden gewaltig etwas wegstecken müssen”. Die BaFin dringe darauf, dass die Institute ihre Portfolien jetzt über Wertberichtigungen bereinigten. Dem Vernehmen nach hatte sich die Aufsicht, was Wertberichtigungen angeht, in den zurückliegenden drei Jahren eher kulant gezeigt. Ergebnis wird ein deutlicher Anstieg der entsprechenden Risikovorsorge sein, wie es bei Prüfern heißt. Was dabei auf dem Spiel steht, verdeutlicht der jüngste Finanzstabilitätsbericht der Deutschen Bundesbank. Demnach hatte die Gruppe der zwölf großen, international tätigen deutschen Banken Mitte 2012 einen Bestand an Schiffskrediten von 97,8 Mrd. Euro in den Büchern. Dies entsprach knapp 58 % ihres aggregierten Kernkapitals. Unterschiedlich fallen in Prüferkreisen die Einschätzungen aus, was sonstigen Aufwand an Risikovorsorge angeht. So wird mancherorts prognostiziert, dass sich der Bedarf an Risikovorsorge angesichts der konjunkturellen Lage in Deutschland innerhalb der Planwerte bewegen wird. Weil sich die Wirtschaft hierzulande 2012 unerwartet gut entwickelt hat, dürften demnach viele Häuser deutlich weniger Rückstellungen für Verluste im Kreditgeschäft nötig haben als geplant. Und mancher Bank sollte sich damit die Chance eröffnen, weniger Risikovorsorge zu verbuchen und zugleich trotz konservativer Bewertung noch stille Reserven zu legen, wie es heißt. Andernorts wird stärker nach dem Geschäftsmodell differenziert. In der gewerblichen Immobilienfinanzierung ist demnach eine leichte Zuführung zur Risikovorsorge zu erwarten. In der Unternehmensfinanzierung seien die Kreditportfolios dagegen bereits weitgehend durchleuchtet und die “Portfolios durchgespült”, weshalb die Belastungen nicht mehr steigen dürften. Zumindest fürs Erste ausgestanden sein dürften auch Wertberichtigungen auf Staatsengagements. Die Aufsichtsbehörden hegten keinerlei Erwartung, “dass auf Irland, Italien, Portugal und Spanien eine Wertberichtigung gebildet wird”, heißt es. Spanien werde von diesen Staaten dabei am kritischsten beurteilt. So gehe die Aufsicht davon aus, dass deutsche Banken, die Forderungen an spanische Institute hätten, diese einzeln analysierten.Entwarnung wird gegeben, was Exposures gegenüber dem griechischen Staat angeht. Griechische Staatsanleihen hätten die deutschen Banken kaum noch in ihren Büchern, wird argumentiert. Gegen Ergebnisbelastungen infolge von Staatsengagements spricht vielfach auch der Kursverlauf. So haben nach HGB bilanzierende Institute dem Vernehmen nach im Jahresverlauf erfreuliche Wertaufholungen in Beständen mit Staatsanleihen aus der Euroland-Peripherie verbucht, nachdem die EZB die Märkte mit Liquidität geflutet und die Risikoaufschläge der Anleihen gedrückt hatte.Der Zinsüberschuss der Institute dürfte vor dem Hintergrund der momentan niedrigen Zinsen den Angaben zufolge “tendenziell weiter” abgenommen haben. Die Rettungsmaßnahmen der EZB haben die ohnehin schon seit Jahren unter Druck stehenden Zinsspannen der Institute nochmals geschmälert. Nicht nur bei den Lebensversicherern, auch bei den Kreditinstituten läuft stärker verzinstes Geschäft auf der Aktivseite der Bilanz sukzessive aus. Da zahlreiche Banken zudem ihre Bilanz verkürzen, folgt aus den beiden Faktoren einer niedrigeren Verzinsung und einer reduzierten Bilanz unweigerlich, dass der Zinsüberschuss unter Druck steht. Sprengstoff im BankenbuchSprengstoff bergen für manches nach HGB bilanzierende Institut unterdessen neue Vorgaben zur Bewertung im Bankenbuch. Denn im Kielwasser des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes (BilMoG) hat der Bankenfachausschuss des Instituts der Wirtschaftsprüfer (IDW) die Praxis der Bewertung aller zinsbezogenen Geschäfte außerhalb des Handelsbestands in Worte gefasst. Die neue Bilanzierungsvorschrift gilt uneingeschränkt für die Abschlüsse 201 2. Es werde sicher interessant sein zu sehen, wie sich die Regelung auf die Abschlüsse einzelner Banken per Ende 2012 auswirken werde, heißt es nun im Markt. Im Zuge der Bewertung müssen Banken ihre Zahlungsströme etwa aus Krediten abzinsen und deren Refinanzierung sowie entsprechende Absicherungen zuordnen. Resultiert daraus ein negativer Barwert, sind Rückstellungen für drohende Verluste im Bankbuch zu bilden. Bei einzelnen Instituten war dies wohl schon 2011 der Fall, als die Vorgaben noch nicht derart konkretisiert waren. Bildet eine Bank aber Rückstellungen, lässt dies Rückschlüsse auf das Geschäftsmodell zu, wie Prüfer erläutern. Ein negativer Barwert bedeute schließlich eine negative Marge: “Wenn Sie aber eine negative Marge im Bankenbuch haben, dann stimmt etwas nicht mit dem Geschäftsmodell oder Sie haben zumindest Anlass, es zu überprüfen”, heißt es.Überprüfen müssen Banken auch ihre Unternehmensbewertungen. Erst Mitte Dezember war bekannt geworden, dass die gut 400 Sparkassen hierzulande abermals kräftige Abschreibungen auf die Landesbank Berlin (LBB) vornehmen müssen. Zuvor hatte der Fachausschuss für Unternehmensbewertung des IDW die entsprechende Marktrisikoprämie heraufgesetzt. Um 910 Mill. auf noch rund 3,4 Mrd. Euro wurde daraufhin der Wert der LBB gemindert. 2007 hatten die Sparkassen die Landesbank für 5,6 Mrd. Euro gekauft.Im Zuge der Unternehmensbewertung sind künftige Zahlungsströme abzuzinsen mit einem risikolosen Basiszinssatz, der sich aus einem langjährigen Mittel errechnet, und einer sogenannten Marktrisikoprämie – sie ist angesichts zunehmender Volatilität nun höher anzusetzen. Folge: Der abzuzinsende Satz steigt, der Barwert des Cash-flow sinkt. War eine Bewertung schon bisher knapp kalkuliert oder lag ein Unternehmenswert nur knapp über dem Buchwert, “dann könnten Sie jetzt ein Thema haben”, meint ein Prüfer.