BaFin stimmt auf strengere ESG-Regeln ein
fir Frankfurt – Die Finanzwirtschaft sollte sich nach Einschätzung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) auf schärfere regulatorische Anforderungen von europäischer Seite an Nachhaltigkeitskriterien einstellen, auf Stresstests und an eine an entsprechende Risiken gekoppelte Eigenkapitalausstattung. “Ich glaube, spätestens, wenn die EBA mit der ersten Leitlinie zu Sustainable Finance herauskommt, wird es auch für uns nicht mehr ganz so freizügig in der Anwendung bleiben”, sagte Frank Pierschel, Chief Sustainable Finance Officer der BaFin, am Dienstag in einem Handelsblatt-Webinar zu Sustainable Finance. “Über kurz oder lang” werde die seines Erachtens noch eher offene Erwartungshaltung der BaFin im Zuge der europäischen Adjustierung immer enger werden und in faktische Anforderungen übergehen.Die deutsche Aufsichtsbehörde hatte im November ein Merkblatt zum Umgang mit Risiken im Zusammenhang mit Umwelt-, Sozial- und Governance-Aspekten (ESG) veröffentlicht. Pierschel zufolge zielen diese Ansätze eher auf Säule 2 ab, also auf qualitative Aspekte wie Governance, statt auf Säule 1, also die Kapitalanforderungen, die sich an den Bankrisiken orientieren. “Hier ist die Aufsicht international relativ zurückhaltend”, befand Pierschel. Das dürfte sich jedoch ändern, sei die EBA doch von der EU-Kommission beauftragt worden, Maßnahmen zu prüfen, die über qualitative Aspekte hinausgehen und die Säule 1 betreffen. Riesiger Markt für BankenMit dem Merkblatt beabsichtige die Aufsicht, dass sich Finanzinstitute von der Vorstandsebene ausgehend strategisch mit der Thematik auseinandersetzen. Nach anfänglichem Widerstand seitens der Banken in der Konsultationsphase hätten die Kritiker es mittlerweile angenommen. Pierschel verwies auch auf die enormen Chancen: “Wir rechnen weltweit etwa mit 5 Bill. Dollar Bedarf, um das Pariser Klimaschutzziel zu erreichen, und zwar jährlich. Es ist also ein Markt, an dem gut aufgestellte Institute entsprechend partizipieren können.”In einem nächsten Schritt würden Stresstests anberaumt. Hier arbeiteten die Aufseher, insbesondere im globalen Network for Greening the Financial System (NGFS), das Zentralbanken und Aufsichtsbehörden vereint, an aufsichtlichen Szenarien, “die wir den Instituten ans Herz legen”, wie Pierschel sagte. Zumindest im Moment seien aber von den Banken selbst aufgestellte Szenarien, welche die individuelle Lage besser abbildeten, willkommen. Zwar haben die European Banking Authority (EBA) und die Europäische Zentralbank (EZB) im März den für dieses Jahr geplanten Stresstest auf 2021 verschoben, doch werde es dann wieder aufs Tapet kommen. Wegen der Coronakrise hatten auch die BaFin und die Deutsche Bundesbank den Stresstest für die weniger bedeutenden Institute, die unter nationaler Aufsicht stehen, auf 2022 verlegt. Mehr Daten vonnötenFür problematisch hält Pierschel, dass zu Nachhaltigkeitsrisiken noch nicht genügend Daten zur Verfügung stünden. “Wir brauchen möglichst genaue Kenntnis von den Portfoliostrukturen, um anhand der Szenarien, die wir hoffentlich immer weiter verbessern können, Hochrechnungen zu machen: Was bedeutet das für meine Portfoliostruktur, welche Risiken hole ich mir ins Haus?”Kritik übte der Chief Sustainable Finance Officer der BaFin an der Reihenfolge, mit der Brüssel grüne Regulierung umsetzt: “Das war ein bisschen dumm gelaufen bei der Europäischen Union, dass sie erst mal mit Transparenzanforderungen angefangen hat und dergleichen und jetzt erst die Taxonomie nachschiebt.” Gleichwohl hätten sich die Diskussionen gelohnt, denn im Nachhinein sei etwas Besseres dabei herausgekommen.Die europäische Bankenregulierungsbehörde EBA hatte Ende vergangenen Jahres einen Aktionsplan zur nachhaltigen Finanzierung vorgelegt (vgl. BZ vom 7.12.2019). Darin beschreibt sie ihre Vorgehensweise bis 2025, um ESG in ihren Regulierungsprozessen zu verankern. Zur Sprache kommt darin unter anderem die Berücksichtigung im aufsichtlichen Überprüfungs- und Bewertungsprozess (SREP), dem sich Banken zu unterziehen haben. Festgehalten sind darin auch Klima-Stresstests, um die Auswirkungen physischer Risiken sowie der Transitionsrisiken zu messen, die durch die Umstellung auf eine kohlenstoffarme Wirtschaft auftreten können.