BaFin-Verfügung rettet Derivateregeln

Banken entgehen neuen Kapitallücken nach Urteil

BaFin-Verfügung rettet Derivateregeln

bn Frankfurt – Ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) zum Rahmenvertrag für Finanztermingeschäfte hat am Donnerstag die Politik, die Banken und deren Aufsicht in helle Aufregung versetzt. Infolge des Richterspruchs, der vertragliche Vereinbarungen zum Netting von Derivaten im Insolvenzfall für unvereinbar mit dem Insolvenzgesetz erklärt hatte, drohten die Eigenkapitalquoten von Banken unter Druck zu geraten.Entsprechend eilig reagierten am Donnerstagmorgen Politik und Aufsicht. Die Bundesministerien für Justiz und für Verbraucherschutz stellten eine Änderung der Insolvenzordnung in Aussicht für den Fall, “dass das Urteil über den Einzelfall hinaus Auswirkungen auf die Akzeptanz des Rahmenvertrags im Markt und von Aufsichtsbehörden hat”. Weil eine Gesetzesänderung Monate dauern kann, legte die deutsche Finanzaufsicht BaFin noch am Donnerstagnachmittag mit einer Allgemeinverfügung fest, “dass die vertraglichen Nettingvereinbarungen auch weiterhin vereinbarungsgemäß abgewickelt werden müssen”. “Die Aufsicht hat das Thema sofort erkannt und äußerst zügig reagiert”, sagt Christian Storck, Partner im Kapitalmarktrecht der Kanzlei Linklaters.In dem Fall (Az. IX ZR 314/14) hatte der BGH eine zwischen einer deutschen GmbH und der britischen Lehman-Tochter vereinbarte Abrechnungsvereinbarung für Aktienoptionsgeschäfte für unvereinbar mit der Insolvenzordnung und damit für unwirksam erklärt. Der Fall hat große Tragweite, da diese Abrechnungsvereinbarung Teil des in der deutschen Kreditwirtschaft üblichen Rahmenvertrags für Finanztermingeschäfte ist, welcher auf ein vom Bundesverband deutscher Banken publiziertes Muster zurückgeht. Unter solche Rahmenverträge werden im Finanzsektor mitunter Hunderte einzelner Transaktionen gestellt.Für Derivate ist dabei im Fall der Insolvenz eine Saldierung (Netting) vereinbart. Zwar sieht auch die Insolvenzordnung ein solches Netting vor. Der BGH aber hat die Bestimmungen der Rahmenvereinbarung für unvereinbar mit der Insolvenzordnung erklärt. Dabei geht es neben anderem um den zeitlichen Anknüpfungspunkt: Die Rahmenvereinbarung stellt auf den Zeitpunkt des Insolvenzantrags ab, laut Insolvenzgesetz werden die Derivate jeweils zu jenem Wert saldiert, den sie haben, wenn das gerichtliche Insolvenzverfahren eröffnet wird. Weitreichende FolgenDamit drohten deutschen Banken Kapitallöcher. Denn nach der EU-Eigenkapitalrichtlinie dürfen sie ihren Eigenkapitalbedarf nur anhand der Nettoposition ihrer Derivate berechnen, wenn sie mit der Gegenpartei eine vertragliche Netting-Vereinbarung getroffen haben. Hätte die BaFin nicht reagiert, hätten die Banken “im schlimmsten Fall jedes einzelne Derivat brutto ansetzen müssen”, meint Linklaters-Partner Storck. Auch für die Abwicklungsplanung für Banken sind die Vereinbarungen relevant. Deutsche-Bank-Aktien standen denn auch am Donnerstag zeitweise unter Druck. Derzeit könne nicht abgeschätzt werden, “ob und wenn ja, welche der zahlreich verwendeten Vertragsklauseln von dem Urteilsspruch des Bundesgerichtshofs erfasst sind”, teilt die BaFin mit.