BaFin warnt Versicherer eindringlich
ak Bonn – Der Chefaufseher der deutschen Versicherer, Frank Grund, hat die Branche vor zu niedrigen Schadenrückstellungen gewarnt. Vor dem Hintergrund der mannigfaltigen Krisen, aber besonders infolge der Inflation könne es im kommenden Jahr und darüber hinaus „sehr ungemütlich“ werden. „Die Wolken am Horizont sind düster“, sagte BaFin-Exekutivdirektor Grund bei der Jahreskonferenz der Versicherungsaufsicht am Mittwoch in Bonn. „Jetzt müssen Versicherer ihr Geschäft sturmfest machen.“
Er kündigte an, dass seine Behörde kritisch hinterfragen werde, ob die Schadenreserven auskömmlich seien. Das gelte bereits für die Abschlüsse 2022, betonte Grund. Er warnte die Branche davor, mit Blick auf das Ziel, Kunden zu halten, auf Preiserhöhungen für Versicherungsschutz zu verzichten. Die gestiegenen Schadenerwartungen müssten berücksichtigt werden. „Die gestiegene Inflation wird daher im Jahr 2023 zwingend höhere Beiträge in der Schaden- und Unfallversicherung nach sich ziehen“, machte Grund deutlich.
Wie lange das inflationäre Umfeld und damit das wirtschaftliche Spannungsfeld zwischen Kostendruck und Wettbewerb bestehe, wisse heute niemand. Grund forderte die Versicherungsbranche jedoch auf, nicht auf eine schnelle Normalisierung zu setzen. Aus Sicht der BaFin sei es nicht akzeptabel, lediglich darauf zu wetten, dass sich die hohen Inflationsraten normalisieren, und in der Zwischenzeit bestehende Puffer in den Reserven restlos aufzubrauchen. „Das geht nicht“, verdeutlichte Grund. Kurz- bis mittelfristig erwarte er keinen Rückgang der allgemeinen Inflation auf das frühere Niveau. Wie viele Milliarden die deutsche Versicherungsbranche zusätzlich zurücklegen muss, konnte der Aufseher noch nicht sagen. Seine Behörde verschaffe sich da gerade einen Überblick.
Zweistelliges Plus signalisiert
Preissteigerungen erwartet die BaFin vor allem in der Autoversicherung und in der Wohngebäudeversicherung. Von dort kamen auch schon Signale aus der Branche, dass es für viele Kunden wohl im zweistelligen Prozentbereich teurer wird. Im vergangenen Jahr standen gut 77 Mrd. Euro Beitragseinnahmen in der Schaden- und Unfallversicherung in Deutschland rund 63,5 Mrd. Euro Leistungen gegenüber.
Bei den Lebensversicherern sieht Grund hingegen eine gewisse Entspannung. Die Zahl von bisher 15 Unternehmen unter intensivierter Aufsicht sei gesunken. Kein Lebensversicherer müsse derzeit auf die zulässigen Übergangsmaßnahmen zurückgreifen, um die Kapitalanforderungen der Aufsicht zu erfüllen und eine Solvenzquote von 100% zu erreichen, berichtete der Aufseher.
Doch mit der Zinswende und der hohen Inflation könnten Kunden vermehrt ihre Verträge stornieren und in andere Anlageformen wechseln. Grund mahnte deshalb zu einem guten Liquiditätsmanagement. „Bisher war Liquidität kein Thema, das könnte bei den Lebensversicherern jetzt anders werden.“ Abschreibungsbedarf wegen hoher stiller Lasten auf sehr langlaufenden Bonds in den Kapitalanlageportfolien sieht die BaFin jedoch in Absprache mit den Wirtschaftsprüfern nicht.
Die Situation der Pensionskassen wertet Grund noch etwas angespannter. Hier stünden noch rund 30 Institute unter intensivierter Aufsicht, ein Viertel weniger als bisher. Die BaFin rechnet damit, dass trotz der Zinswende der Rechnungszins bei vielen Pensionskassen weiter sinken wird. „Bei einigen Kassen haben wir die Sorge, dass die bereits ergriffenen Maßnahmen – ohne weitere externe Mittel – möglicherweise nicht ausreichen, um die garantierten Leistungen dauerhaft erbringen zu können.“
Leistungen gekürzt
Auch in diesem Jahr hat nach Angaben der Aufsicht eine Kasse wieder ihre Leistungen kürzen müssen. Betroffen war jedoch nur ein kleiner Bestand, sagte Grund. „Weitere Kürzungen in Zukunft würde ich nicht ausschließen. Mit Kürzungen größerer Kassen rechne ich aber nicht.“