10. FINANZPLATZTAG DER WM GRUPPE

BaFin will Mifid-II-Start mit Augenmaß begleiten

Aufsicht mahnt zur Eile, meidet aber Drohungen

BaFin will Mifid-II-Start mit Augenmaß begleiten

jsc Frankfurt – Die deutsche Finanzaufsicht BaFin stimmt die Branche auf moderate Konsequenzen ein, sollte einzelnen Adressen die Umsetzung der EU-Finanzmarktrichtlinie Mifid II bis Anfang 2018 nicht vollständig gelingen. “Gehen Sie von der unmittelbaren Anwendbarkeit der neuen Vorschriften ohne Übergangsfrist aus”, sagte Christian Bock, Leiter der BaFin-Abteilung für Verbraucherschutz, auf dem 10. Finanzplatztag der WM Gruppe am Mittwoch in Frankfurt. “Als Aufseher kann ich Ihnen lediglich zusichern, dass wir Sachverhalte mit dem notwendigen Augenmaß betrachten werden.” Er appellierte an die Zuhörer aus der Finanzbranche, bei der Umsetzung nicht nur auf unmittelbare Kosten zu achten, um künftigen Aufwand zu vermeiden.Das Regelwerk Mifid II und die zugehörige Verordnung Mifir sind ein Regelwerk, das neben der Marktinfrastruktur und dem Handel insbesondere auch den Vertrieb und die Produktpolitik betrifft. Bock verglich die regulierten Dienstleistungen mit der Gastronomie: “Der aufsichtliche Fokus wandert vom Zutatenregal über den Herd zur Bedienung bis auf den Teller des Gastes und wieder zurück.” Wesentliche Vorgaben des Regelwerkes werden in Deutschland mit dem Zweiten Finanzmarktnovellierungsgesetz umgesetzt. Ein Gesetzentwurf wird im Finanzausschuss des Bundestages diskutiert (siehe Bericht Seite 2). In Brüssel befinde sich derweil der “Entwurf der großen Linien auf der Zielgeraden”, sagte Bock. Noch in diesem Monat dürften demnach die noch offenen Durchführungsrechtsakte verabschiedet werden, die das Regelwerk konkretisieren. Es sei eine “besondere Herausforderung” für die Branche, sich möglichst gut vorzubereiten, auch wenn einige Details noch offen seien – sonst sei es zu spät, “sich in der neuen regulatorischen Speisekarte zurechtzufinden”. Europäisches KorsettKritik übte Bock an der europäischen Regulierung von Telefongesprächen, die künftig aufgezeichnet werden müssen. Dies habe neben anderen Aufzeichnungspflichten für Unruhe gesorgt. “Ein Hinweis, dass der Geschäftsvorgang eingefroren werden muss, bis der Kunde die Kosteninformationen auf einem dauerhaften Datenträger erhalten hat, erscheint etwas surreal.” Eine Ausnahmeregel sei sinnvoll. Die BaFin werde sich auf europäischer Ebene für eine “praktikable Lösung” einsetzen.Zugleich forderte er die Branche auf, neue Produktvorschriften ernst zu nehmen. Anbieter müssen demnach einen Zielmarkt festlegen, den der Vertrieb dann noch genauer definieren kann. Das erfordere eine gute Kommunikation. “Koch und Kellner müssen dieselbe Sprache sprechen”, sagte Bock. Zu grob und damit beliebig dürfe die Definition des Zielmarktes nicht ausfallen, damit der Standard nicht zu einer “bloßen Übung des Häkchenmachens” verkomme, warnte er. Bei Verstößen gegen Vorschriften zur Product Governance drohe den Häusern ein Bußgeld. Außerdem könne die BaFin, die bereits seit Mitte 2015 für den kollektiven Verbraucherschutz verantwortlich ist, den Vertrieb bestimmter Produkte notfalls stoppen. Am Netzwerkkabel entlangBock verteidigte den Vorstoß der BaFin im vergangenen Jahr, den Vertrieb von Bonitätsanleihen zu verbieten, also von Zertifikaten, die sich auf die Bonität von Referenzschuldnern beziehen. Im Dezember veröffentlichte die Branche auf Druck der Aufsicht eine weitreichende Selbstverpflichtung, die den Vertrieb der Produkte erheblich einschränkt. “Allen Unkenrufen zum Trotz hat die Anhörung im konkreten Fall nicht zum Untergang der Wertpapieranlage von Privatkunden geführt, sondern hatte eine deutliche Verbesserung des Verbraucherschutzes zur Folge.” Derzeit läuft eine Anhörung zu Differenzkontrakten (CFD), die ebenfalls ins Visier der Aufsicht geraten sind.Junge Technologiefirmen in der Finanzindustrie (Fintechs), die neben etablierten Spielern auftreten, seien möglicherweise disruptiv, sagte Bock. Der Fachmann bekräftigte die Haltung der BaFin, die Firmen nach gleichen Maßstäben wie andere Akteure zu überwachen. “Der Aufseher muss sich nur lange genug am Netzwerkkabel entlanghangeln – früher oder später findet sich eine natürliche Person, der die Verantwortung für die Erfüllung des aufsichtsrechtlichen Pflichtenprogramms obliegt.”