LEITARTIKEL

Banken an der Armutsgrenze

Wie geht es den deutschen Banken? Gut und schlecht zugleich. Das Bild ist diffus, und es kommt sehr darauf an, unter welchem Blickwinkel man es betrachtet. Erst am Montag hat die Bundesbank der Branche rückschauend auf 2014 eine "erneut robuste"...

Banken an der Armutsgrenze

Wie geht es den deutschen Banken? Gut und schlecht zugleich. Das Bild ist diffus, und es kommt sehr darauf an, unter welchem Blickwinkel man es betrachtet. Erst am Montag hat die Bundesbank der Branche rückschauend auf 2014 eine “erneut robuste” Entwicklung der Ertragslage bescheinigt. Nur einen Arbeitstag davor durfte man einen ganz anderen Eindruck gewinnen, als ebenfalls die Bundesbank zusammen mit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) auf Basis eines Stresstests bei 1 500 kleinen bis mittelgroßen Instituten die Alarmglocken läutete: “Durchaus besorgniserregend” seien die Ergebnisse in allen abgefragten Zinsszenarien, lautete der Befund beim Blick nach vorne.Es gibt mindestens noch eine dritte Wahrnehmung. Sie resultiert aus den Zahlen, die Banken und Sparkassen für 2014 und die erste Hälfte dieses Jahres vorgelegt haben, sowie ihren Erwartungen für die nähere Zukunft. Die nur schwer ausrechenbaren Großbanken – namentlich die Deutsche Bank wegen ihrer jedenfalls für Außenstehende unkalkulierbaren Rechtsrisiken – sind insoweit kein verlässlicher Indikator. Was aber die dezentral aufgestellten Sparkassen und Kreditgenossenschaften angeht, ist festzustellen, dass die insbesondere wegen des Zinsumfeldes vielfach von erheblicher Skepsis geprägten Vorhersagen Jahr für Jahr von der Realität überholt werden: Rekordergebnisse waren bis in die jüngere Vergangenheit keine Seltenheit. Auch der bisherige Verlauf dieses Jahres gibt Anlass zur Zuversicht.Das gilt nicht nur auf der Ortsebene, sondern auch im Oberbau. Beispiel DZ Bank: Das Frankfurter Zentralinstitut der Volks- und Raiffeisenbanken hat zwar per Juni, gemessen an dem auch positiven Sondereffekten zu verdankenden Vorjahresrekord, einen Ergebnisrückgang verbucht. Der überrascht aber allenfalls dadurch, dass er sich mit 17 % in engen Grenzen hielt. Tatsächlich wurde schon bei Halbzeit fast die komplette für das Gesamtjahr geplante Ernte in die Scheuer gefahren. Der Vorstand sah sich zu einer verkappten Prognoseanhebung veranlasst (“Potenzial nach oben”).In der Breite des Marktes gibt es für die aus Bankensicht erfreuliche Entwicklung ein Bündel von Ursachen. Da ist zunächst das bemerkenswert starke Kreditneugeschäft. Der hessisch-thüringische Sparkassenverband zum Beispiel hat für das erste Halbjahr Zahlen präsentiert, die man zweimal anschauen muss, um sie zu glauben: deutliche zweistellige Zuwachsraten etwa im Firmenkundengeschäft wie auch bei Baufinanzierungen für Private. Die Margen sind trotz des angeblich beinharten Wettbewerbs auskömmlich, größere Häuser langen im Wholesalegeschäft sogar kräftiger zu. Derweil gibt es die Refinanzierung großteils für lau. Denn die Sparer zeigen eine Engelsgeduld und lassen sich mit Nullzinsen abspeisen. Freilich nimmt auch die Wertpapieranlage, vornehmlich das Investmentsparen, Fahrt auf, was wiederum den Provisionsergebnissen guttut.Zugleich ist die Konstellation auf der Bewertungsseite für das Gewerbe ungewöhnlich komfortabel. Risikovorsorge spielt bei Ausleihungen, Wertpapieren und Beteiligungen gleichermaßen eine sehr überschaubare Rolle – Ausnahmen bestätigen die Regel -, mitunter übersteigt die Summe der Zuschreibungen jene der Abschreibungen. Es läuft also nicht schlecht für die Zunft. Und wieso geht es den Banken gleichwohl nicht gut? Vor Steuern haben die 1 700 in die Bundesbankstatistik auf Einzelabschluss- und HGB-Basis einbezogenen Banken und Sparkassen im vorigen Jahr 24 Mrd. Euro verdient, entsprechend einer leicht verbesserten Verzinsung des stark ausgeweiteten Eigenkapitals von 5,7 %. Erstmals seit 2007 blieb ein bescheidener Bilanzgewinn hängen. Das ist ein Leben an der Armutsgrenze. Und die Perspektiven sind in der Tat eingetrübt, wie die Umfrage zur weiteren Ertragsentwicklung im Niedrigzinsumfeld zu belegen scheint.Was die Branche verständlicherweise erzürnt: Die Aufseher verbreiten Botschaften über den Zustand der Banken, die wohl die schwächeren Institute wachrütteln sollen, gleichzeitig aber die Öffentlichkeit mindestens irritieren, und geben kluge Ratschläge, wie die Geldhäuser bei Erträgen und Kosten sowie durch Konsolidierung gegensteuern könnten. Parallel dazu unternehmen die EZB in ihrer Doppelrolle als Notenbank und Bankenaufsicht sowie andere europäische und nationale Aufsichtsinstanzen mit Nullzinspolitik und Anleihekäufen einerseits und auf der Bankenseite Milliardenbeträge verschlingenden, längst aus dem Ruder gelaufenen Regulierungsprojekten andererseits alles, um der Branche das Geldverdienen zu erschweren. Das kann nicht mehr lange gutgehen.——–Von Bernd WittkowskiNotenbanker und Aufseher geben kluge Ratschläge zum Gegensteuern, tun aber zugleich alles, um der Branche das Geldverdienen zu erschweren.——-