TLTRO

Banken auf Entzug

Von den billionenschweren Finanzspritzen der in der Coronakrise aufgesetzten TLTRO-Programme der EZB ist nur ein Bruchteil zurückgezahlt. Statt auf eine Verlängerung zu setzen, könnten die Banken auf Spareinlagen zurückgreifen, wirbt das Fintech-Unternehmen Raisin DS nicht ganz uneigennützig.

Banken auf Entzug

lee Frankfurt

Während die Impfquoten steigen und die Infektionszahlen sinken, müssen sich die europäischen Banken auf ein Ende der als Nothilfe gedachten Finanzspritzen der Europäischen Zentralbank (EZB) einstellen. Am 8. November haben die Institute ein letztes Mal die Gelegenheit, Gelder aus dem sogenannten TLTRO-III-Programm zu beantragen. Die sperrige Abkürzung steht für die englische Bezeichnung der dritten Tranche des längerfristigen Refinanzierungsprogramms, mit dem die Notenbank den Kreditfluss am Laufen halten wollte, während die Weltwirtschaft wegen der globalen Pandemie zum Stillstand kam.

Bislang haben die europäischen Banken annähernd 2,3 Bill. Euro aus dem Programm abgerufen, von denen 1,3 Bill. Euro bis Mitte 2023 zurückgezahlt werden müssen. Wie aus einer Studie Berliner Einlageplattform Raisin DS hervorgeht, haben die Institute bislang kaum Gebrauch gemacht von der Möglichkeit, die Mittel vorzeitig zurückzuzahlen. Obwohl sich die Wirtschaft schneller als erwartet aus der Schockstarre erholt hat, seien bislang lediglich  6% der 2023 fällig werdenden Summe zurückgezahlt.

Alternative Finanzquelle

Es ist kein Zufall, dass sich das aus dem Zusammenschluss von Deposit Solutions und Raisin hervorgegangene Fintech-Unternehmen mit den sich abzeichnenden Finanzierungsnöten der Banken beschäftigt. Als B2B-Plattform für Spareinlagen verspricht Raisin DS Abhilfe zu schaffen, indem es den Instituten Zugang zu einer alternativen Finanzierungsquelle ermöglicht. Nach Ansicht von Tamaz Georgadze, Co-CEO von Raisin DS, müssen sich die Banken bald entscheiden, ob sie der vagen Hoffnung auf ein weiteres Finanzierungsprogramm nachhängen oder auf eine bereits verfügbare Alternative zugreifen wollen. „Aus reiner Refinanzierungssicht besteht kein Bedarf an zusätzlichen TLTROs“, ergänzt er. „Allein die am Einlagenmarkt verfügbaren Mittel übertrafen das gesamte Kreditvolumen der Banken in der Eurozone im Juni 2021 bereits um 7 %.“

Das Auslaufen des TLTRO-Programms treibt auch die Europäische Bankenregulierungsbehörde (EBA) um. Sie warnte kürzlich davor, dass die Liquiditätsspritzen der Notenbank die Finanzierungssituation der Institute verzerre. „Zwar wollen die Banken das Emissionsvolumen in den kommenden drei Jahren ausweiten, doch das wird nicht ausreichen, das große Volumen an TLTRO-Krediten zu ersetzen, das 2023 fällig wird“, heißt es in dem Anfang September veröffentlichten EBA-Bericht.

Dombret warnt

„Die europäischen Banken haben während der Pandemie stark von dem EZB-Refinanzierungsprogramm profitiert“, konstatiert der ehemalige Bundesbank-Vorstand Andreas Dombret, der inzwischen als Senior Advisor für Raisin DS tätig ist. Mit dem Auslaufen des Nothilfeprogramms der EZB müssten die Banken klarstellen, wie sie die fällig werdenden Mittel tilgen wollen. Noch seien nicht alle Institute so aufgestellt, dass sie die Finanzspritzen zurückzahlen könnten. Dombret: „Teilweise sollten die Banken noch an der Anschlussfinanzierung arbeiten – sonst könnte es ein böses Erwachen geben.“

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