GASTBEITRAG

Banken brauchen neue Vergütungsmodelle

Börsen-Zeitung, 27.11.2020 Die Auswirkungen der Corona-Pandemie treffen die Banken mitten in einer epochalen Transformationsphase. Die realwirtschaftlichen Folgen werden die Ergebniskrise vieler Banken weiter verschärfen und sich auch auf die...

Banken brauchen neue Vergütungsmodelle

Die Auswirkungen der Corona-Pandemie treffen die Banken mitten in einer epochalen Transformationsphase. Die realwirtschaftlichen Folgen werden die Ergebniskrise vieler Banken weiter verschärfen und sich auch auf die Vergütung auswirken. Die erfolgsbasierte variable Vergütung der Branche wurde in den vergangenen Jahren von den Regulierern mit einem komplexen risikobasierten Regelwerk versehen. 2020 wird es zu einem ersten wirklichen Stresstest für alternative Vergütungsmodelle (New Pay) im Banking kommen. Dabei müssen die Institute unter Beweis stellen, dass ihre Bonussysteme jetzt ausreichend krisenfest sind und der von vielen geforderte Kulturwandel in der Vergütungspolitik bewältigt ist.Die verschiedenen Regulierungswellen haben die Bonussysteme der Banken zwar verändert aber nicht verdrängt. Mehr als 90 % der Top 50 Banken in Deutschland gewähren immer noch eine oder mehrere variable Vergütungskomponenten. Nur wenige Banken haben ihre variablen Vergütungen komplett auf Fixgehälter umgestellt. Insbesondere kleinere und mittlere Institute optimieren das Verhältnis von Incentive-Höhe und Umsetzungsaufwand und führen weniger komplexe Vergütungsmodelle ein. Vergütungsmix ändert sichDer Vergütungsmix hat sich insgesamt verändert: Die Vergütungspakete bestehen aus einem größeren Anteil an fester Grundvergütung und einer geringeren (kurzfristigen) variablen Vergütung. Trotz Ergebniskrise und Regulierungsdruck haben die Top 50 Banken in Deutschland für 2019 etwa 3,5 Mrd. Euro als variable Vergütung an ihre Führungskräfte und Mitarbeiter ausgeschüttet. Gut 85 % davon entfallen alleine auf die Top 10 Banken und ihre Töchter.Die stark regulatorisch induzierte Marktpraxis gerät durch die Corona-Auswirkungen branchenweit zum ersten Mal in einen echten Stresstest. Die Branche hadert vielfach mit dem Regulierungsansatz und den ständigen Interventionen der Regulierer. Gleichwohl geht es jetzt darum, die Früchte aus den zum Teil schmerzhaften Eingriffen in die Bonussysteme zu ernten: Der Ausbau der Compensation Governance stellt den benötigten Rahmen für eine breite Befassung des Managements mit den Auswirkungen der coronabedingten Sondersituation auf die Bonussysteme sicher. Die Ausgestaltung der Erfolgsmessung und Auszahlung der Boni steht unter dem Primat der Risikoausrichtung. Dazu gehört auch die strikte Bindung der Bonuszahlungen an die Ertragslage und die gesamte finanzwirtschaftliche Stabilität des Instituts. Die Vorgaben zur Information und Offenlegung zu den Vergütungssystemen machen die Vergütungsparameter und ihre Anwendung für Eigentümer, Mitarbeiter und die Öffentlichkeit transparent.Für 2020 ist mit einer weiteren Reduzierung der Bonuspools oder im Worst Case sogar dem Ausfall der Bonuszahlungen bei einzelnen Instituten zu rechnen. Geringere Verteilungsbudgets erfordern eine höhere Differenzierung der Erfolgsbeiträge bzw. Bonushöhen. Gerade damit tun sich Banken traditionell schwer. Ein wirksames Performance-Management erfasst die relevanten Erfolgsbeiträge und bildet die Grundlage für die Bonusbemessung. Dabei müssen die Anfang 2020 getroffenen Zielvereinbarungen sorgsam vor dem Hintergrund der besonderen und nicht vorhersehbaren Entwicklungen gewürdigt werden. Gute Bonuskonzepte verfügen zudem über angemessene Managementspielräume, um außerordentliche Einflussfaktoren austarieren zu können.Der finanziellen Stabilität des Instituts und der gesamten Gruppe kommt im neuen regulatorisch induzierten Vergütungsansatz eine hohe Bedeutung zu. Trotz erwarteter Ergebniseinbußen sind Bonuszahlungen bei einer soliden Eigenkapital- und Risikoausstattung aber dennoch grundsätzlich möglich.Besonders betroffen sind die in den bedeutenden Instituten als Risk Taker eingestuften Führungskräfte und Mitarbeiter. Hierbei handelt es sich zwar im Durchschnitt nur um etwa 5 bis 8 % der Beschäftigten, deren Bonuszahlungen sind jedoch verstärkt mit Mechanismen zur Risikoadjustierung ausgestattet. Sollte es durch den Corona-Effekt zu Reduzierungen oder einem Wegfall der gesamten variablen Vergütung für 2020 kommen, können für die Risk Taker auch die Auszahlungen von anstehenden Deferrals aus früheren Jahren gefährdet sein.Bonussysteme haben neben ihrer Anreizfunktion immer auch eine Finanzierungsfunktion. Die verwendeten Parameter adjustieren den tatsächlichen Erfolg und synchronisieren den Vergütungsaufwand mit der Ergebnissituation des Instituts. In ergebnisschwachen oder Krisenjahren verfügt das Management damit über einen nicht zu unterschätzenden finanzwirtschaftlichen Handlungsspielraum. Der bei den Mitarbeitern populäre Deal zur Abschaffung der variablen Vergütung durch Fixgehälter erhöht für die Bank aber in der Krise die fixe Kostenbasis und reduziert diese Kostenflexibilität.Der Corona-Stresstest trifft die Bonussysteme in einer immer noch anhaltenden Welle von Regulierungsmaßnahmen. Aktuell setzen Gesetzgeber und Aufsicht die vergütungsbezogenen Neuerungen aus dem EU-Bankenpaket 2019 um. Die Neuerungen aus dem bereits im Bundestag verabschiedeten Risikoreduzierungsgesetz und der damit korrespondierenden InstitutsVergV 4.0 sind für die Banken ab 2021 anzuwenden. Ergänzende Konkretisierungen der European Banking Authority (EBA) stehen zwar zum Teil noch aus, werden aber weiter den Takt für die Umsetzungspraxis bestimmen.Für die bedeutenden Institute werden die Anforderungen an die Ausgestaltung der variablen Risk-Taker-Vergütung punktuell weiter verschärft. Besonders betroffen sind alle nicht-bedeutenden Institute. Sie müssen künftig erstmals auch Risk Taker ermitteln und deren Vergütungen offenlegen. Unter bestimmten Voraussetzungen müssen sie für diese Mitarbeiter zusätzlich die besonderen Risk-Taker-Vergütungsanforderungen anwenden. Alle öffentlich-rechtlichen Förderbanken sowie alle Leasing- und Factoringunternehmen atmen dagegen entspannt durch, da sie durch die Neuregelung vom Anwendungsbereich der Vergütungsvorgaben ganz oder zumindest überwiegend ausgenommen werden. Für die Vergütungsverantwortlichen in allen anderen Instituten bedeuten die Verschärfungen einen erneuten Werkstattbetrieb für ihre Bonussysteme.Krise hin, Krise her – gerade in schwierigen Zeiten muss ein funktionierendes Bonussystem seine Qualität unter Beweis stellen. Immer dann, wenn die Spielräume für die Finanzierung und Allokation der Boni eng sind, zeigt sich die tatsächliche Wirkungsweise des Bonusmodells. Wichtig ist gerade dann die angemessene Synchronisierung der Bonuspools mit den Erfolgsgrundlagen sowie die Differenzierung von Erfolgsbeiträgen und Bonushöhen auf der Organisations- und Mitarbeiterebene.Wer eine Abkehr der Banken von Bonuszahlungen erwartet hat, wird weiter enttäuscht. Trotz aller Veränderungen im Markt- und regulatorischen Umfeld stellt ein wettbewerbsfähiges Bonussystem für viele Top-Talente immer noch einen wichtigen Grund-Hygienefaktor bei der Gewinnung, Motivation und Bindung dar. Attraktive und transparente Bonussysteme bleiben damit auch im Zeitalter von Megatrends wie Wertewandel, Agilität und Nachhaltigkeit needed to play für die Banken. —-Werner Klein, Inhaber und Managing Consultant Compgovernance