„Banken haben einen Jargon, den niemand versteht“
Im Gespräch: Tonia Zimmermann und Luba Schönig
„Banken haben einen Jargon, den niemand versteht“
Die Schweizerinnen Tonia Zimmermann und Luba Schönig wollen mit ihrem Start-up UMushroom die Finanzbildung voranbringen – Und in Europa expandieren
fir Frankfurt
Die beiden Gründerinnen des Schweizer Start-ups UMushroom haben sich der Finanzbildung verschworen. Mit ihrer digitalen Plattform, die schon in Deutschland zugänglich ist, streben sie in europäische Staaten und später auch auf andere Kontinente.
Am Anfang stand eine Fernsehdokumentation über die wunderbare Welt der Pilze. Die gehen Verbindungen ein und kommunizieren miteinander, sind alle gleichwertig. Sie tragen etwas zu ihrem Ökosystem bei und halten es im Gleichgewicht. So sollte es auch im Finanzsystem zugehen, dachten sich Luba Schönig und Tonia Zimmermann und spannen die Idee weiter.
Im November 2020 gründeten die erfahrenen Bankerinnen schließlich das Finanz-Start-up UMushroom. Die Schweizerinnen bieten gut 40 Jahre kumulierter Expertise bei Adressen wie J.P. Morgan, Goldman Sachs, Lehman Brothers, Julius Bär und Credit Suisse auf, wo die beiden auch einige Zeit zusammenarbeiteten. Mit diesem Wissen und mithilfe ihres Netzwerks haben sie eine digitale Plattform als Ort der Finanzbildung und des Austauschs geschaffen. Sie soll Privatanleger und solche, die es werden wollen, Banken, Broker und Assetmanager zusammenführen. UMushroom unterstützt und begleitet Nutzer unter anderem mit leicht verständlichen Finanzinformationen, Daten zu Wertpapieren, Online-Seminaren und Podcasts, um Kenntnisse über Geldanlage und Finanzen zu erlangen bzw. zu vertiefen.
Schwarmintelligenz gefragt
Das Start-up setzt dabei auf die Schwarmintelligenz: Neben Analystenbewertungen werden Erkenntnisse aus Sozialen Medien und das Wissen der Kunden genutzt, um hinzu- und voneinander zu lernen und im geschützten Raum eigene Portfolios testweise aufzubauen. Nutzer können Aktien, Fonds, ETFs, Kryptowährungen und Anlagestrategien bewerten und kommentieren.
Banken, Broker und Vermögensverwalter wiederum erhalten eine Bühne und einen Kommunikationskanal, um auf ihre Produkte aufmerksam zu machen und Kontakte zu knüpfen. Bankdienstleistungen oder Robo-Advisory bietet UMushroom nach eigenen Angaben aber nicht an. Es handelt sich um eine reine Wissens- und Lernplattform.
Tonia Zimmermann, UMushroomUns liegt am Herzen aufzuzeigen, dass es Sinn ergibt, sich um dieses Thema zu kümmern.
Bedarf dafür sehen die Gründerinnen reichlich. „Geldanlage ist ein faszinierendes Handwerk. Und wir finden, dass sich jeder damit auskennen sollte“, sagt Schönig. „Allerdings haben nur die wenigsten Menschen eine Ahnung davon, was Geld ist, und noch weniger, wie sie es anlegen sollen.“ Das finanzielle Wohl werde im Ausbildungssystem stark vernachlässigt. „Uns liegt am Herzen aufzuzeigen, dass es Sinn ergibt, sich um dieses Thema zu kümmern“, sagt Zimmermann.
Intuition und Verständlichkeit
Das Start-up selbst nimmt Geld ein mit den Kursen und von den Finanzprofis, die sich auf der Plattform beteiligen. „Wir verdienen beim Kunden mit, der die Finanzausbildung bucht“, führt Zimmermann weiter aus. „Bei den Assetmanagern, wenn sie uns als Kommunikationskanal nutzen möchten, wobei wir kein Geld verlangen, damit die Produkte auf der Plattform sind. Wir sind unabhängig und machen da auch keine Kompromisse. Und bei den Banken verdienen wir auch einen Teil bei der Handelsausführung mit.“
Viel Wert legen die Gründerinnen dabei auf Schnelligkeit, Einfachheit, intuitives Vorgehen – und auf Verständlichkeit. Denn ein Grund, weshalb die Beschäftigung mit Finanzbelangen vielen Menschen lästig sei, ist nach Ansicht Schönigs das in der Finanzbranche grassierende Fachchinesisch. „Die Finanzindustrie ist mitverantwortlich dafür, dass sich Menschen Geldangelegenheiten nicht gerne widmen – wegen der Informationsasymmetrien und der Sprache, die unsere Industrie spricht. Das versteht kein normaler Mensch.“ Und Zimmermann bekräftigt: „Banken haben einen Jargon, den niemand versteht.“
Luba Schönig, UMushroomDie Finanzindustrie ist mitverantwortlich dafür, dass sich Menschen Geldangelegenheiten nicht gerne widmen.
Kapital eingesammelt
Deshalb ist es ihr Anliegen, die Terminologie verständlich zu halten und es den Kunden zu ermöglichen, mit wenigen Klicks die Informationen zu finden, die sie suchen. Daten lägen etwa zu 120.000 in Deutschland und der Schweiz zugelassenen Fonds und ETFs vor, zu den nach Marktkapitalisierung 5.000 größten Aktienwerten sowie zu den 200 gewichtigsten Kryptowährungen.
Nach einer ersten Kapitalbeschaffung im Oktober 2021 über 2 Mill. sfr von einem Techinvestor aus dem geschäftlichen Umfeld der beiden Gründerinnen hat UMushroom Mitte dieses Jahres weitere 1,5 Mill. sfr eingesammelt, die für die Expansion bestimmt sind. Zu Jahresbeginn hat sich die Plattform schon für Nutzer in Deutschland, Österreich, den Niederlanden, Großbritannien und Spanien geöffnet, weitere Staaten sollen folgen.
Die Ambitionen sind hoch. „Unser Traum ist es, das Amazon der Investments zu werden – die globale Plattform für Geldanlagen“, sagt Schönig. „In einem ersten Schritt wollen wir in fast allen europäischen Ländern vertreten sein.“ Ihr Wunsch sei, spätestens 2026 in Europa gut etabliert zu sein, sprich, die Plattform Nutzern in den meisten Staaten des Kontinents zugänglich zu machen. Chancen rechnen sich Schönig und Zimmermann auch in Afrika aus, wo die Digitalisierung deutlich fortgeschritten sei, und in Asien. Physisch präsent sind die aktuell 16 UMushroom-Mitarbeiter je zur Hälfte am Züricher Hauptsitz und in Bulgarien, wo die IT-Beschäftigten beheimatet sind.
Luba Schönig, UMushroomUnser Traum ist es, das Amazon der Investments zu werden – die globale Plattform für Geldanlagen.
Partnerschaften mit Universitäten
Um Kunden zu gewinnen, geht UMushroom auch Partnerschaften mit Universitäten ein, um finanzielle Bildung in den Lehrplan aufzunehmen. Das Start-up arbeitet außerdem mit Unternehmen zusammen, die Seminare für ihre Mitarbeiter buchen, und wirbt verstärkt auf digitalen Kanälen. In der Schweiz gebe es aktuell rund 5.000 Kunden, sagt Zimmermann. „Ziel ist, dank digitalen Marketings bis Jahresende den fünfstelligen Bereich zu erreichen und nächstes Jahr den tiefen oder zumindest knapp sechsstelligen Bereich.“