Banken halten sich bei Cum-ex-Vorsorge bedeckt
Mit der vom Landgericht Bonn angeregten Abschöpfung der Gewinne rollen auf einige Institute hohe Belastungen zu. Einige Banken haben sich zwar schon mit den Finanzbehörden arrangiert, doch zur Frage nach den Rückstellungen schweigen die meisten.Von Antje Kullrich, Düsseldorf, und Anna Sleegers, FrankfurtWenn der vom Landgericht Bonn im ersten Cum-ex-Strafprozess eingeschlagene Weg Bestand hat, dürften zahlreiche Finanzinstitute in den kommenden Monaten und Jahren für ihre Beteiligung an Cum-ex-Geschäften zur Kasse gebeten werden. Bei ihnen könnten Cum-ex-Gewinne, aber auch Gebühren, Provisionen und Boni abgeschöpft werden. Viele Institute halten sich jedoch mit Blick auf die getroffene Vorsorge bedeckt. In Finanzkreisen ist zu hören, dass die Bankenaufsicht dazu mit etwa zehn Instituten in Gesprächen steht. Auch die Abschlussprüfer treibt das Thema um. “Da können ganz erhebliche Risiken für einzelne Banken bestehen”, heißt es auch beim Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW).Verkompliziert wird die bilanzielle Aufbereitung durch die enge Vernetzung der Institute, die sich bei den Cum-ex-Geschäften gegenseitig als Dienstleister unterstützen (siehe Grafik). Mit Blick auf die daraus resultierenden Regressforderungen untereinander sei es nicht trivial, eine angemessene Rückstellungshöhe zu ermitteln, heißt es. Die Aufarbeitung könne daher gut und gerne noch zwei bis drei Jahre in Anspruch nehmen.Ziemlich unklar ist die Lage zum Beispiel bei der im Mittelpunkt des ersten Strafprozesses stehenden Hamburger Privatbank M.M. Warburg. Ihre in früheren Jahren veröffentlichten Cum-ex-Rückstellungen reichen bei weitem nicht aus, um die angedrohte Abschöpfung von 278 Mill. Euro zu decken. Die Privatbank teilte am Dienstagabend zwar mit, die Risiken umfassend abgesichert zu haben, wollte sich aber weder zu den genauen Maßnahmen äußern noch zu der Frage, ob diese mit der BaFin abgesprochen seien.Auch die anderen verfahrensbeteiligten Institute des Bonner Prozesses sind in Sachen Rückstellungen recht schmallippig. BNY Mellon und Hansainvest wollten zuletzt keine Stellung nehmen, Société Générale deutete eine Vorsorge an, blieb aber äußerst vage. Reiner Tisch vor Privatisierung Andere entschieden sich früher, reinen Tisch zu machen. So wähnt sich etwa das Nachfolgeinstitut der zwischenzeitlich privatisierten HSH Nordbank sauber. “Die HSH Nordbank hat im Februar 2014 nach pro-aktiv veranlasster externer Prüfung des Sachverhalts Steuerrückzahlungen in Höhe von rund 126 Mill. Euro gezahlt”, teilte ein Sprecher des inzwischen als Hamburg Commercial Bank (HCOB) firmierenden Instituts mit. Davon seien rund 112 Mill. Euro auf gegebenenfalls zu Unrecht erfolgte Steueranrechnungen entfallen und 14 Mill. Euro auf Zinsen. Damit seien etwaige Gewinne aus Cum-ex-Geschäften zulasten des Fiskus ausgeglichen: “Aus Sicht der Bank ist das Steuerverfahren damit erledigt.”Die Münchener HVB, für die die beiden Angeklagten im Bonner Strafprozess in den ersten Jahren als Wertpapierhändler tätig waren, akzeptierte bereits im Dezember 2015 eine Geldbuße in Höhe von 30 Mill. Euro, von denen 10 Mill. Euro an das Amtsgericht Köln und 20 Mill. Euro an die Staatskasse in München gingen. Da die zum italienischen Unicredit-Konzern gehörendende Bank von Anfang an mit den Behörden kooperierte und somit zur Aufklärung des Komplexes beitrug, sei das Bußgeld moderat ausgefallen, hieß es damals.Die LBBW betrachtet das Cum-ex-Thema ebenfalls als abgeschlossen. In diesem Zusammenhang hat das Institut aufgrund geänderter Steuerbescheide für die Jahre 2007 und 2008 Steuern in Höhe von etwa 150 Mill. Euro zuzüglich Zinsen vorsorglich zurückgezahlt. Denkbare finanzielle Auswirkungen für die Bank seien schon in früheren Jahren bilanziell verarbeitet worden, teilte das Institut auf Anfrage mit.Tief in Cum-ex-Geschäfte verstrickt war auch die WestLB. Ihre Rechtsnachfolgerin Portigon hat in den vergangenen Jahren die für potenzielle steuerliche Rückforderungen gebildeten Rückstellungen immer weiter erhöht. Sie dürften sich mittlerweile auf einen mittleren dreistelligen Millionenbetrag summieren. Anfang Dezember hatte Portigon ad hoc mitgeteilt, dass der erwartete Verlust der Abwicklungsbank 2019 angesichts weiterer gebildeter Cum-ex-Reserven drastisch steigen werde. Aus einem Fehlbetrag im niedrigen dreistelligen Millionenbereich waren plötzlich 500 bis 600 Mill. Euro geworden.Auch die genossenschaftliche Apo-Bank war in Cum-ex verwickelt. Im Jahr 2010 agierte sie als Depotbank für den von Warburg Invest aufgelegten BC German Hedge Fund. Im September vergangenen Jahres hatte die Staatsanwaltschaft Köln die Zentrale des Instituts in Düsseldorf durchsuchen lassen. “Mit Blick auf das öffentlich bekannte Verfahren hat die Apo-Bank für das Geschäftsjahr 2019 pflichtgemäß Rückstellungen für mögliche Verfahrenskosten gebildet”, teilte sie auf Anfrage mit. Offene steuerliche Rückforderungen der Finanzbehörden im Zusammenhang mit Cum-ex gebe es nicht. “Wir unterhalten und suchen allerdings Kontakt zu den zuständigen Ermittlungsbehörden.”Die Deutsche Bank unterstreicht auf Anfrage, dass sie keine eigenen Geschäfte um den Dividendenstichtag getätigt habe. Eingebunden war sie jedoch als Dienstleister, wie ein Sprecher einräumte: “Dies beinhaltete auch Bankdienstleistungen wie beispielsweise die Finanzierung von Wertpapiertransaktionen.” Heute sehe man diese Finanzierungen sehr kritisch und kooperiere mit den Ermittlungsbehörden. Als Prime Broker war die Deutsche Bank laut Zeugenaussagen bei diversen Transaktionen aktiv. Diese Rolle soll das Institut bereits mit der Frankfurter Staatsanwaltschaft aufgearbeitet haben und den Gewinn daraus, einen einstelligen Millionenbetrag, an den Fiskus zurückgezahlt haben. Zu möglichen Rückstellungen wollte sich das Institut nicht äußern. Schweigsame CommerzbankMit der Commerzbank hielt sich ein weiteres Schwergewicht bedeckt. Statt sich zu Rückstellungen für Cum-ex-Geschäfte zu äußern verwies das Institut auf ihren Geschäftsbericht. Demnach hatte sie bereits 2015 eine forensische Analyse des eigenen Aktiengeschäfts und des der von ihr übernommenen Dresdner Bank in Auftrag gegeben, die im September 2019 abgeschlossen wurde. “Mitte September 2019 fanden bei der Commerzbank Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Köln in einem separaten Verfahren zu Cum-ex-Geschäften statt”, heißt es weiter.Auch gegen HSBC Deutschland läuft seit 2016 ein Ermittlungsverfahren. Die fraglichen Steuergutschriften aus den Jahren 2005 bis 2011 summierten sich einem Sprecher zufolge auf einen kleinen zweistelligen Millionenbetrag: “Für diesen wurde im Fall einer vollständigen Nichtanerkennung entsprechende Vorsorge getroffen.” Die Bank habe sich nicht bewusst an Cum-ex-Geschäften beteiligt.Die deutsche Tochter der schwedischen SEB hat nach eigenen Angaben keinerlei Vorsorge getroffen, weil sie nie Steuererstattungen aus Cum-ex-Geschäften beantragt habe und auch nie als Depotbank oder Prime Broker für Cum-ex-Fonds tätig gewesen sei. Laut Aussage eines Angeklagten in Bonn war sie aber als Aktienleihgeberin tätig.Die Helaba und die Bank J. Safra Sarasin lehnten jeden Kommentar ab. Auch die kleine Hamburger Varengold Bank gibt sich schweigsam. Doch zwei ehemalige Manager haben nach Aussage eines Ermittlers des Landeskriminalamts im laufenden Cum-ex-Strafprozess bereits umfangreich ausgesagt.Fast schon Geschichte ist die Valovis Bank, die einst KarstadtQuelle Bank hieß. Sie investierte 2010 und 2011 in Cum-ex-Geschäfte, bevor sie 2012 fast pleiteging. Mit daran schuld soll das gescheiterte Cum-ex-Investment im Jahr 2011 sein, bei dem das Bundeszentralamt für Steuern hellhörig wurde und die Steuerrückerstattung auf Eis legte; die Bank verlor rund 50 Mill. Euro eingesetztes Kapital. Valovis hat die Banklizenz längst abgegeben. Die verbliebene Endir 1 Abwicklungsgesellschaft hat laut Liquidator keine Cum-ex-Rückstellungen gebildet