Banken stehen vor enormen Herausforderungen

Digitalisierung, Regulierung und Niedrigzinsen verschärfen den Wettbewerb - Fintechs als neue Wettbewerber suchen sich vor allem unbeaufsichtigte Nischen

Banken stehen vor enormen Herausforderungen

In Bayern ist die Finanzwirtschaft stark vertreten. Mit 436 von insgesamt 1 962 Instituten ist gut ein Fünftel der Kreditinstitute in Deutschland in Bayern beheimatet. Das sind etwa 100 Institute mehr als in Nordrhein-Westfalen, dem bevölkerungsreichsten Bundesland. 80 Institute davon sind private Geschäftsbanken. Ihre Bandbreite reicht vom global agierenden Institut bis zur regional tätigen Bank, von der Universalbank bis zum Anbieter von Spezialprodukten oder -dienstleistungen. In Bayern sind neben der HypoVereinsbank und den Niederlassungen der anderen Großbanken 40 regionale Bankhäuser und 14 Privatbankier-Institute angesiedelt. 23 Auslandsbanken haben Niederlassungen in Bayern. Ihre Zahl ist in den vergangenen Jahren stetig gewachsen. Auch dies zeigt die Attraktivität Bayerns und des Finanzplatzes München. Hier wird ein Fünftel der Wertschöpfung des gesamten deutschen Finanzsektors erwirtschaftet. Privatbanken entscheidendGäbe es die privaten Banken nicht, wäre die bayerische Wirtschaft weder regional noch international so gut positioniert. Mehr als die Hälfte aller Kredite an Unternehmen und wirtschaftlich Selbständige in Bayern werden durch private Geschäftsbanken finanziert. Jeder dritte Kredit hat eine Laufzeit von mehr als fünf Jahren. Die privaten Geschäftsbanken sind zudem mit 80 % die größten Exportfinanzierer. Bei der Auslandsexpansion begleiten sie ihre Kunden an 80 Standorte weltweit. 46 % aller Kredite an Privatpersonen in Bayern werden ebenfalls von den privaten Geschäftsbanken begeben. Wichtiger AusbilderMit 120 000 Beschäftigten sind die bayerischen Banken und Sparkassen bundesweit der zweitwichtigste Arbeitgeber im Finanzdienstleistungssektor. Die privaten Banken beschäftigen davon knapp ein Viertel. Und auch in der Aus- und Weiterbildung leisten die privaten Banken einen wichtigen Beitrag in der Wirtschaftsregion Bayern. Mit einer Ausbildungsquote von 5,5 % leisten sie einen wesentlichen gesellschaftspolitischen Beitrag zur Qualifizierung junger Menschen und liegen damit auch auf dem Niveau der anderen Wirtschaftszweige in Bayern.Das ist alles sehr positiv und hört sich beruhigend an – tatsächlich aber stehen die Banken vor enormen Herausforderungen. Fintech-Unternehmen treiben den digitalen Wettbewerb voran. Sie wollen sich ein Stück vom Kuchen abschneiden und entwickeln Produkte und Dienstleistungen, die in Konkurrenz zu Bankangeboten stehen. Nahezu monatlich gibt es neue Anbieter von Dienstleistungen im Zahlungsverkehr, bei der Kontoführung oder auch im Bereich Geldanlagen und Kredite, häufig in Form von Vermittlungsplattformen. Nicht alle werden sich erfolgreich am Markt behaupten, aber es dauert sicher einige Zeit, bis sich die Spreu vom Weizen trennt. Die Banken stellen sich der digitalen Herausforderung, indem sie mit Fintechs kooperieren oder sich als Investoren beteiligen, um gemeinsam innovative Ideen weiterzuentwickeln.Dabei darf allerdings nicht übersehen werden, dass bei den Banken etwa 85 % der IT-Budgets derzeit noch durch die Umsetzung regulatorischer Maßnahmen infolge der Finanzkrise gebunden sind. Die Fintechs hingegen kennen solche Belastungen nicht. Zudem suchen sie sich in der Regel Nischen für ihre Produkte und Dienstleistungen, in denen sie nicht der Bankenregulierung und der Aufsicht unterliegen. Zu Recht fordert die Branche daher, dass die Bankenaufseher im Sinne der Wettbewerbsgleichheit auch den Fintechs auf die Finger schauen. Insbesondere bei den Themen Daten- und Verbraucherschutz müssen schon im Interesse der Kunden für Fintechs die gleichen Regeln gelten wie für die etablierten Banken. Filiallandschaft wandelt sichDie Entwicklung wird mit großer Geschwindigkeit weitergehen. Hierzu trägt auch das sich verändernde Kundenverhalten bei. Jeder zweite Deutsche nutzt inzwischen Online-Banking. Europaweit liegt Deutschland damit nur an 19. Stelle nach Ländern wie Norwegen, Finnland, Schweden und Dänemark mit Nutzungsquoten von zum Teil über 90 %. Wenig überraschend ist Online-Banking in Deutschland am stärksten in der Gruppe der 30 bis 39-Jährigen verbreitet. Aber auch fast jeder zweite 60-Jährige nutzt mittlerweile die moderne Banktechnik. Bei den über 70-Jährigen ist es schon jeder fünfte, mit zunehmender Tendenz. Als Reaktion auf das veränderte Nutzerverhalten und aufgrund des aus der Bankenregulierung resultierenden hohen Kostendrucks haben einige Banken bereits ihr Filialnetz angepasst. Gleichzeitig werden Multi-Channel-Konzepte und Online-Angebote ausgebaut, um auch klassische Filialservices weiter zu digitalisieren. Im Vergleich mit anderen Ländern Europas vollzieht sich in Deutschland damit allerdings ein längst überfälliger Schritt: Der deutsche Bankenmarkt und insbesondere der bayerische ist noch immer “overbanked”. Während in Bayern ein Bankmitarbeiter auf 100 Einwohner kommt, sind es im europäischen Schnitt 1:162 Einwohner.Seit der Finanzkrise wurden die Regulierungsmaßnahmen deutlich verschärft. Die Aufsichtsbehörden nehmen die Institute heute mit strengen Regeln und Meldepflichten an die Kandare, erhöhte Kapitalanforderungen machen lukrative, aber riskante Geschäfte unattraktiv. Zudem drückt das niedrige Zinsniveau auf die Margen. Ein wirklich ertragreiches Bankgeschäft wird in Deutschland zunehmend schwieriger, was nicht zuletzt auch in den Besonderheiten des deutschen Bankenmarktes begründet ist. Die Bankenaufseher sind bereits beunruhigt. Sie werden die Nachhaltigkeit der Geschäftsmodelle der Banken in diesem Jahr einer kritischen Überprüfung unterziehen. Konkurrenzdruck steigtTrotz aller notwendigen Regulierung darf die Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Kreditsektors nicht aufs Spiel gesetzt werden. Fakt ist aber, dass es für die deutschen Institute immer schwerer wird, mit ihren Konkurrenten in Europa und vor allem in den USA mitzuhalten. Dabei sind profitable Banken kein Luxus. Sie sind vielmehr essenzielle Voraussetzung für eine offene und exportabhängige Volkswirtschaft, wie es die deutsche ist.In diesem Zusammenhang stellen sich drei Herausforderungen. An erster Stelle sind die in Summe hohen Belastungen durch die Vielzahl an Regulierungsmaßnahmen zu nennen. Sie schwächen die Möglichkeit der Institute, ihre Kapitalbasis zu stärken. Die Belastungen wären dann zu verantworten, wenn sie einen Nutzen stifteten, der größer ist als ein möglicher Schaden. Stiften sie aber in jedem einzelnen Fall diesen Nutzen? Daran haben wohl auch die Regulierungssetzer mittlerweile ihre Zweifel. Die Europäische Kommission möchte jedenfalls im Rahmen der Kapitalmarktunion die kumulativen Auswirkungen der EU-Finanzmarktregulierung mit einer umfassenden Auswirkungsstudie überprüfen, um überfordernde oder widersprüchliche Regulierung zu vermeiden – ein Vorhaben, das der Bankenverband nachdrücklich unterstützt. Arbeitsintensive BürokratieAls Herausforderung Nummer 2 sind die hohen Reibungsverluste durch teilweise widersprüchliche Regulierungsanforderungen und der zunehmende bürokratische Aufwand zu nennen. Die Zusammenarbeit zwischen der neuen europäischen Aufsicht und den Banken hat im vergangenen Jahr insgesamt betrachtet gut funktioniert. Sie ist aber für die beaufsichtigten Institute mit hoher Arbeitsintensität verbunden. Anzahl und Umfang der durch die Europäische Zentralbank (EZB) angeforderten Informationen, Reports und Daten haben deutlich zugenommen.Gerade mit Blick auf die kleineren Banken bereitet diese Entwicklung Sorge. Nicht direkt von der EZB beaufsichtigte Institute dürfen nicht denselben hohen Anforderungen unterliegen wie international agierende Großbanken, ansonsten droht Überforderung. Daher ist es wichtig, dass der in den gesetzlichen Regularien verankerte Grundsatz der Proportionalität noch stärker als bisher berücksichtigt wird. Wirtschaft schwächeltHerausforderung Nummer 3 ist das bereits seit längerem in Europa bestehende Niedrigzinsniveau, das in zunehmendem Umfang eine Belastung für Sparer und Anleger, aber auch für Banken bedeutet. Es führt zu einem Rückgang des Zinsüberschusses, der gerade für die deutschen Kreditinstitute, die reichlich mit Liquidität ausgestattet sind, eine große Bedeutung hat. Das Niedrigzinsniveau ist ein Indiz dafür, dass es mit der Wirtschaft im Euroraum trotz günstigen Umfelds (niedrige Ölpreise, günstiger Wechselkurs, sehr expansive Geldpolitik) noch immer nicht zum Besten bestellt ist. Es fehlt an Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit. Diese Defizite sind unverändert vor allem auf strukturelle Wirtschaftsprobleme zurückzuführen. Umfassende Reformen sind daher nach wie vor der Schlüssel zur Überwindung der Krise.Die Anfang Dezember verkündete Ausweitung des Ankaufprogramms von Staatsanleihen durch die EZB wird weder bei den dringend notwendigen Strukturreformen helfen noch das Wachstum ankurbeln. Es erhöht vielmehr die Gefahr von Vermögensblasen, falschen Risikopreisen und einer Fehllenkung von Investitionen. Die Maßnahmen der EZB können obendrein bewirken, dass der Reformdruck in Europa nachlässt. Dies wäre nicht im Interesse der EZB, die ja gerade darauf setzt, dass die Staaten die ihnen geschenkte Zeit nutzen, um Reformen voranzutreiben. Die strukturellen Probleme kann die Geldpolitik nicht beheben. Gefordert sind vielmehr die Mitgliedstaaten. Sie müssen die strukturellen Wachstumshemmnisse beseitigen und daran arbeiten, die Wettbewerbskraft der Union zu erhöhen und die Attraktivität der Gemeinschaft zu steigern.—Von Silke Wolf, Geschäftsführerin des Bayerischen Bankenverbands