Bankenaufsicht

Banken­aufseher nehmen Kapitalpläne unter die Lupe

Angesichts der Folgen des Krieges in der Ukraine nimmt die europäische Bankenaufsicht die Kapitalpläne von Banken unter die Lupe. Chair Andrea Enria dringt auf Berücksichtigung „ausreichend“ adverser Szenarien.

Banken­aufseher nehmen Kapitalpläne unter die Lupe

bn Frankfurt

Eurolands Bankenaufseher demonstrieren angesichts des Ukraine-Krieges erhöhte Wachsamkeit und äußern vor diesem Hintergrund Zweifel an den Kapitalplänen mancher Großbanken. Gut vier Monate nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine stellte Andrea Enria, Chair des Single Supervisory Mechanism (SSM), am Donnerstag zudem implizit die Ausschüttungspläne von Großbanken in Frage. Die Aufseher forderten einzelne Banken auf, ihre Kapitalentwicklung zu überprüfen und dabei „ausreichend konservative und aktualisierte adverse makroökonomische Szenarien“ zu berücksichtigen, insbesondere eine Rezession betreffende Annahmen, die ungünstigen offiziellen Prognosen entsprächen, sagte der Chef der europäischen Bankenaufsicht auf einer Veranstaltung des Privatbankenverbandes European Banking Federation (EBF).

Diese Kapitalentwicklung sollten Banken zu Grunde legen, wenn sie nach einem Austausch mit ihrem Aufsichtsteam Ausschüttungen ankündigten, erklärte Enria. Um die Kapitaldecke der Banken zu schützen, hatte die Europäische Zentralbank (EZB) nach Pandemiebeginn im vorvergangenen Jahr ein branchenweites Dividendenmoratorium verhängt und dieses neun Monate später ge­lockert.

Noch positiv

Wie Enria zugleich deutlich machte, haben die Folgen des Krieges einen Sektor getroffen, dessen Aussichten noch zu Jahresbeginn recht ermutigend gewirkt hatten, auch weil die schlimmste Phase der Pandemie überstanden schien. Die harte Kernkapitalquote lag Ende 2021 mit 15,5% nahe dem höchsten bislang gemessenen Niveau, der Anteil fauler Kredite hatte mit 2,1% unterdessen ein Rekordtief erreicht, und die Eigenkapitalrendite lag mit 6,7% mehr als fünf Punkte über dem Vorjahreswert, auch dank der Auflösung pandemiebedingter Risikovorsorge. In Erwartung eines positiven Wachstumsausblicks sowie einer nur temporär über dem Zielwert von 2% liegenden Teuerung ließen die Ge­winnprognosen einiger Banken eine Ertragskraft nahe deren Eigenkapitalkosten erwarten – auch in diesem Umfeld verdienten gleichwohl viele Institute ihre Kapitalkosten nicht, wie Enria zu bedenken gab.

Im Startquartal sind die Ergebnisse mit Blick auf die Ertragskraft zwar noch positiv ausgefallen, was laut Enria von Resilienz der Institute zeugt. Allerdings sei schon im Dreimonatszeitraum per März ein Anstieg der Ausfälle von Unternehmen und Privathaushalten zu registrieren gewesen, ferner eine Zunahme wackelnder, nach der Bilanznorm IFRS9 in Stufe 2 eingeordneter Kredite sowie ein Anstieg der Risikokosten auf Vor-Pandemie-Niveaus.

Strukturell herausgefordert

Im Verlauf dieses Jahres hatte die EZB bereits das Szenario einer dreijährigen Rezession durchgespielt. Ergebnis: Obwohl Asset-Qualität und Ertragskraft deutlich leiden würden, wäre die Einbuße an Eigenkapital doch bedeutend niedriger als im jüngsten regulären Stresstest. Nur einige wenige Häuser könnten unter ihre Kapitalanforderung fallen, sagte Enria. Zugleich richte die Aufsicht derzeit alle Bemühungen darauf, die Banken für Maßnahmen und Veränderungen zu sensibilisieren, die nötig sein, um das momentane Umfeld zu meistern. Zwar sei in einem günstigen Wachstumsumfeld ein geordneter Ausgang aus dem Umfeld niedriger Zinsen zu erwarten, der den langfristigen, 2014 begonnen Trend erodierender Margen revidiere.

Sollten die Zinsen indes vor dem Hintergrund einer breit angelegten Rezession zulegen, würden die Gewinne der Banken nicht nur infolge einer Verschlechterung der Kreditqualität bröckeln, sondern auch im Zuge eines abnehmenden Zinsergebnisses, sagte Enria. In diesem Fall wäre demnach der auf den Refinanzierungskosten lastende Druck der dominierende Faktor, während die Refinanzierungsgeschäfte der Notenbank zu Sonderkonditionen und andere Extra-Maßnahmen der Geldpolitik graduell zurückgefahren würden.

Vor diesem Hintergrund appellierte der SSM-Chair erneut an die Banken, strukturelle Herausforderungen anzugehen. Zu diesen zählt er vor allem die grüne Transformation und die Digitalisierung.

Wertberichtigt Seite 8

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