Bankenverband hält Mittelstand für „kreativ genug“
Von Thomas Spengler, Stuttgart
Wenn China das Neujahrsfest abbläst, muss das schon triftige Gründe haben. Als dies im Februar 2020 geschah, war für die Kennerin des Reichs der Mitte die Ernsthaftigkeit der Krise klar, die von der Covid-Pandemie ausging. Doch damals war die globale Wirtschaft mit einer einzelnen Krise konfrontiert, sagt Carmen Mittler. „Inzwischen aber haben wir es mit einer multiplen Krisensituation zu tun, der sich die Firmen stellen müssen“, so die Sprecherin der Deutschen Bank in der Region Südwest, die seit Anfang 2022 den Vorsitz des Bankenverbands Baden-Württemberg innehat.
Neben den Folgen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine und der Inflation nennt Mittler, die bereits in den 1990ern für die Deutsche Bank in Seoul und Singapur tätig war, das angespannte Verhältnis zwischen den USA und China, das auch die exportstarke Wirtschaft in Baden-Württemberg tangiert. Zwar hat Peking im Dezember 2022 die strengsten Maßnahmen gegen Covid zurückgenommen, die Rohstoffengpässe aber werden nach Überzeugung von Mittler bleiben. „Daher wird die Lieferkettenproblematik den Firmen auch weiterhin einiges abverlangen“, sagt Mittler mit Blick auf die engen Verflechtungen der schwäbischen Unternehmer mit der chinesischen Wirtschaft.
Hinzu komme der Übergang vom Verbrenner zu elektronischen Antrieben in der Fahrzeugindustrie, weshalb sich Baden-Württemberg bis spätestens zum Jahr 2035 neu aufstellen müsse, sagt Heinrich Hartmann, Geschäftsführer des Bankenverbandes im Südwesten. „Schließlich ist das E-Auto weniger komplex als der Verbrenner“, sagt Hartmann.
Kann also der Elektroantrieb zum neuen Kernprodukt von Baden-Württemberg werden? Zu Antworten auf derartige Fragen der Transformation würden auch die Banken ihre Antworten beitragen. „Die Rolle der Kreditwirtschaft hat sich längst zu der eines strategischen Begleiters erweitert“, sagt Mittler, die bei den Produktionskapazitäten einen Trend zurück aus Asien nach Osteuropa erkennt. „Near Shoring ist das Gebot der Stunde.“
Die Bankmanagerin schreibt sie den schwäbischen Firmen die Fähigkeit zu, diese Fragen lösen zu können. „Der Mittelstand im deutschen Südwesten ist kreativ genug, um mit Krisen umzugehen und gestärkt daraus hervorzugehen.“ Aufgrund ihrer eigentümergeführten Strukturen traut sie es den Unternehmen zu, rasch und flexibel reagieren zu können. Im Südwesten findet der Mittelstand also optimistische Geldgeber.