Kreditvergabe

Basel droht deutsche Wirtschaft auszubremsen

Basel IV braucht dringend Nachbesserungen, wenn Kredite für Investitionen in Digitalisierung und Nachhaltigkeit nicht gefährdet werden sollen. Schon mit zwei Anpassungen ließe sich die Belastung deutlich reduzieren.

Basel droht deutsche Wirtschaft auszubremsen

Die Pläne zur Umsetzung von Basel IV in der EU würden die Kreditvergabe der Banken für Investitionen in Digitalisierung und Nachhaltigkeit erschweren und gleichzeitig die Unterstützungsleistung der Förderbanken bei der Transformation behindern. Nachbesserungen sind dringend nötig, wenn Deutschland langfristig wettbewerbsfähig bleiben will. 

Mitte November hat der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung sein Jahresgutachten 2021/22 vorgestellt. Die Wirtschaftsweisen, wie sie im Volksmund auch genannt werden, korrigieren darin das erwartete Wirtschaftswachstum für dieses Jahr nach unten, auf nunmehr noch 2,7%. Zwar blicken sie optimistisch in das kommende Jahr, listen jedoch zahlreiche Risikofaktoren auf, die die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland auch in den nächsten Monaten eintrüben könnten.

Nötige Investitionen

Gleichzeitig mahnt der Sachverständigenrat an, dass für den Aufschwung und die notwendige nachhaltige und digitale Transformation unserer Wirtschaft wachstumsfreundliche Rahmenbedingungen, vor allem aber umfangreiche private und öffentliche Investitionen notwendig sind. Dabei spielen die öffentlichen Banken, allen voran die Förderbanken des Bundes und der Länder, eine zentrale Rolle. Durch die ausreichende Ausgabe von Krediten unterstützen sie die notwendige Erholung der Wirtschaft nach der Coronakrise. Gleichzeitig treiben sie durch zielgenaue Förderprogramme und Unterstützungsmaßnahmen den Umbau der Wirtschaft maßgeblich mit voran. 

Die Mittelvergabefähigkeit der öffentlichen Banken ist somit ein wesentlicher Treiber der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft. Im Umkehrschluss bedeutet dies aber auch: Wird die Mittelvergabe der Banken über Gebühr belastet und eingeschränkt, steht eben jene Wettbewerbsfähigkeit auf dem Spiel. Diese logische Schlussfolgerung sollte auch bei regulatorischen Maßnahmen berücksichtigt werden. Der jüngst veröffentlichte Vorschlag der EU-Kommission zur Umsetzung von Basel IV zeigt jedoch, dass dies nicht immer gelingt.

Dabei könnte man zunächst meinen, die Auswirkungen der Vorschläge wären halb so wild. Bei oberflächlicher Betrachtung entsteht der Eindruck, der Kommission sei eine Punktlandung gelungen. So liegt der durchschnittliche Anstieg der Kapitalanforderungen für die Banken in der EU zwischen 6,4 und 8,4%. Mit ein wenig gutem Willen ließe sich dies als „nicht signifikant“ bezeichnen. Erst viel weiter hinten – in den technischen Anhängen der Auswirkungsstudie der EU-Kommission – wird deutlich, dass diese Durchschnittswerte eine erhebliche Streuung aufweisen. Dort schätzt die EU-Kommission den Anstieg der Kapitalanforderungen für deutsche Banken auf mehr als 25%. Zwar hat sie dabei die von ihr vorgeschlagenen Erleichterungen nicht vollständig berücksichtigt – doch selbst mit diesen Erleichterungen würden die deutschen Banken weit überdurchschnittlich belastet.

Besonders negativ wirkt sich dabei der Output-Floor aus, der für rund zwei Drittel des Anstiegs verantwortlich ist. Durch ihn würde die Kreditvergabefähigkeit der Banken massiv belastet. Problematisch ist der Output-Floor insbesondere, weil in Deutschland die meisten Unternehmen, vor allem Mittelständler, über kein externes Rating verfügen. Entsprechend müssten die Banken für diese Kredite mehr Eigenkapital vorhalten.

Gleichzeitig hätte das Regelwerk auch negative Auswirkungen auf das Fördergeschäft in Deutschland. Hierzulande werden Förderkredite zumeist nicht von den Förderbanken selbst vergeben, sondern über die Hausbank des Förderkreditnehmers durchgeleitet. Daher haben Förderbanken in großem Ausmaß Forderungen gegenüber diesen Banken in ihren Bilanzen. Viele der Hausbanken sind extern nicht geratet. Die Kapitalanforderungen für Kredite an ungeratete Banken aber würden sich nach den Vorschlägen der EU-Kommission in Abhängigkeit von der Kapitalausstattung der durchleitenden Bank massiv erhöhen. Dies würde dazu führen, dass Förderbanken für Durchleitungskredite erheblich mehr Kapital vorhalten müssten. Nach unseren Berechnungen beträgt der Anstieg mehr als 80%.

Basel IV würde somit nicht nur das reguläre Kreditgeschäft, sondern auch das Fördergeschäft in Deutschland enorm belasten – mit langfristigen Folgen für die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft. Deshalb ist es nun an den politischen Entscheidungsträgern, im weiteren politischen Prozess notwendige Anpassungen vorzunehmen.

Verschärfung verhindern

Dabei ist eine Möglichkeit, um die Belastung der Kreditvergabe durch den Output-Floor zu reduzieren, der sogenannte „Second-Backstop-Ansatz“. Er beruht darauf, dass der Output-Floor in Form einer gesonderten Kapitalanforderung umgesetzt und nur auf diejenigen Kapitalanforderungen angewendet wird, die der Baseler Ausschuss explizit genannt hat. Der Ansatz wäre mit dem Baseler Regelungstext vereinbar und verhindert darüber hinaus eine Verschärfung der Baseler Regelungen in der EU („gold plating“). Die von der Kommission vorgeschlagene Lösung, bei der Berechnung des Output-Floors ein Risikogewicht von 65% für ungeratete Unternehmen anzuwenden, geht zwar in die richtige Richtung, dürfte die negativen Auswirkungen des Floors aber nur unwesentlich entschärfen und ist zudem zeitlich begrenzt. Nach Auslaufen der Regelung würden Mittelständler unter Druck gesetzt, sich der kostspieligen Bewertung durch eine Ratingagentur zu unterziehen.

Auch beim Thema Fördergeschäft gibt es eine Lösung: Das Risiko von Förderkrediten ist gering, da die Forderung der Förderbank an das durchleitende Institut in den meisten Fällen mit der Forderung an den Förderkreditnehmer besichert ist. Diese risikoreduzierende Wirkung sollte sich auch in den Kapitalanforderungen widerspiegeln. Für besicherte Förderkredite sollte daher das derzeitige 20-Prozent-Risikogewicht langfristig beibehalten werden.

Mit diesen zwei Anpassungen – Backstop und reduzierte Risikogewichtung – könnte die Belastung der Realwirtschaft durch die Umsetzung von Basel IV deutlich reduziert werden. Politik, Wirtschaft und Finanzwirtschaft sind gefordert, gemeinsam die anstehenden Herausforderungen zu meistern. Der abflauende Wirtschaftsaufschwung muss wieder an Fahrt gewinnen. Gleichzeitig muss die Transformation in Richtung Digitalisierung und Nachhaltigkeit gelingen. Nur so kann unsere Wirtschaft langfristig wettbewerbsfähig bleiben.

Ziel muss es daher sein, die notwendige Mittelvergabe der Banken nicht unnötig einzuschränken. Deshalb müssen die Pläne zur Umsetzung von Basel IV dringend nachgebessert werden. Ansonsten droht Basel die deutsche Wirtschaft nachhaltig auszubremsen.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.