Bausparen hat wieder Konjunktur
Von Bernd Neubacher, Frankfurt
Angesichts der Zinswende erscheint das lange darbende Bauspargeschäft unversehens in neuem Licht. Schon seit Wochen zieht es bei den Kassen merklich an. Wie Sabine König, Mitglied der Geschäftsleitung der LBS Hessen-Thüringen, berichtet, hat sich die Bausparsumme der Bruttoneuabschlüsse im Viermonatszeitraum per April branchenweit binnen Jahresfrist um 13,6% erhöht, in der LBS-Gruppe gar um 27%.
Das sah vor nicht allzu langer Zeit, als auch herkömmliche Wohnraumfinanzierer mit lang laufenden Kreditzinsen auf niedrigem Niveau lockten, noch ganz anders aus. „Viele haben uns in den vergangenen Jahren gefragt, warum wir unsere Tarife nicht dem Marktzins angepasst haben“, sagt König der Börsen-Zeitung: „Tatsächlich aber hätten wir mit dem Einlagezins unter null gehen müssen, um marktadäquat zu sein“, sagt König. Wie im Markt zu erfahren ist, hatten die Anbieter durchaus Optionen eruiert, den Einlagezins auch unter null zu reduzieren; allerdings war da wohl die Aufsicht, die dies genehmigen muss, vor.
Binnen weniger Wochen scheint sich das Blatt gewendet zu haben, und Leute im Alter von Mitte Vierzig, die seit Erreichen ihrer Volljährigkeit noch niemals Zinsen haben steigen sehen, fragen sich unversehens, wie sie sich das momentane Zinsniveau sichern können. Zugleich schlägt der abrupte Anstieg König zufolge Schneisen: „Familien, die zu Jahresbeginn eine Finanzierung durchgerechnet hatten, müssen feststellen, dass der Anstieg der Zinsen ihren Traum vom Wohneigentum inzwischen hat zerplatzen lassen.“
Neben dem Zinsanstieg und einer frappanten Inflation führt König das Megathema Nachhaltigkeit für einen Aufschwung des Bausparens ins Feld. Für grüne Sanierungen von Wohneigentum ist ein Bausparvertrag, dessen Volumen angesichts heutiger Preise eine komplette Baufinanzierung schon lange nicht mehr abdecken kann, ideal geeignet, wie sie argumentiert. „Bausparkassen können seit Mitte 2021 Kredite bis zu 50000 Euro als Blankodarlehen ohne Grundbucheintrag vergeben“, erklärt Bernd Hertweck, Vorstandsvorsitzender des Verbands der Privaten Bausparkassen: „Das deckt typische Investitionssummen für diejenigen ab, die jetzt handeln wollen oder müssen.“
Forderung nach Förderung
Mit Blick auf baurechtliche Normen, die Wohnraumbesitzer etwa im Falle von Eigentümerwechseln zu mehr Nachhaltigkeit gleichsam zwingen, fordert König zugleich mehr Aufklärung – was der grüne Wandel an Investitionsbedarf mit sich bringe, sei vielen Leuten noch gar nicht bewusst: „Ohne eine breit angelegte Förderung wird die Modernisierung des Wohnungsbestands im Zeichen des grünen Wandels nicht zu schaffen sein“, sagt sie. Gerade Sparkassen und Genossen hält sie dabei für prädestiniert, entsprechende Förderprogramme unter die Leute zu bringen, hätten diese doch, im Gegensatz etwa zur staatlichen Förderbank KfW, den Zugang „zur letzten Meile zum Kunden“.
Aber können Sparkassen überhaupt ESG? Die vom Verband DSGV im Dezember 2020 initiierte Selbstverpflichtung von Sparkassen, bis spätestens 2035 im Geschäftsbetrieb CO2-neutral zu arbeiten, haben erst 233 der bundesweit 376 Institute unterzeichnet, und der Anteil von Frauen in den Vorständen der Sparkassen ist lächerlich gering. Müssten nicht gerade die Sparkassen mit ihrer Verpflichtung aufs Gemeinwohl viel besser sein? König will dies nicht in Abrede stellen, betont aber, die Dynamik im Sparkassenlager sei derzeit sehr groß.
Kein gutes Haar lässt sie unterdessen an der Aktivierung des antizyklischen Kapitalpuffers für Wohnimmobilien durch die Finanzaufsicht. Dies werde „die Situation nochmals verschärfen“, prognostiziert sie. Die BaFin habe die Notwendigkeit, die Nachfrage auf diese Weise zu reduzieren, makroökonomisch begründet: „Tatsächlich aber trifft die entsprechende Verteuerung von Ausreichungen gerade durchschnittlich verdienende Familien, finanzstarke Wohnungskonzerne und Investoren hingegen weniger. Aus makroökonomischer Sicht mag es irrelevant sein, welche Teilnehmer man aus dem Markt fegt. Aber aus politischer Sicht sehe ich das kritisch. Ich glaube, nicht allen, auch nicht allen Politikern ist klar, wer die Hauptleidtragenden sein werden.“ Sozial nachhaltig wäre es ihrer Meinung nach vielmehr, Familien nicht auf diese Weise den Zugang zu eigenem Wohnraum zu verstellen, selbst wenn diese den ökologischen Nachhaltigkeitsanforderungen mangels Eigenkapital erst mit einer späteren Modernisierung Genüge tun können.
Ein Kataster würde helfen
Um mit Bausparverträgen den grünen Wandel zu forcieren, benötigen die Bausparkassen König zufolge gar keine Erweiterung ihrer Produktpalette. Denn schon bisher müssen sie sicherstellen, dass Kunden Bauspardarlehen nicht etwa für einen Urlaub zweckentfremden. Ebenso könnten sie kontrollieren, ob eine Finanzierung einer nachhaltigen Immobilie diene.
Auch die Beschaffung der erforderlichen Daten dürfte demnach keine Probleme bereiten, seien diese Angaben doch schon vom Energieberater im Energieausweise zu erfassen. „Uns würde ein Energieausweis-Kataster helfen, in dem jemand mit einem berechtigten Interesse, wie eine finanzierende Bank, so wie beim Grundbuch, eine Abfrage machen kann. Das würde den Prozess enorm erleichtern“, sagt sie gleichwohl.
Um das Geschäft anzukurbeln, erwägt die LBS Hessen-Thüringen Vergünstigungen für grüne Finanzierungen. Ein höherer Anteil grüner Wohnraumsanierungen würde nicht zuletzt der LBS Hessen-Thüringen nützen, deren Mutter Helaba soeben das Ziel formuliert hat, den Anteil nachhaltiger Finanzierungen an ihrem gut 220 Mrd. Euro schweren Kreditbuch bis 2025 auf 50% zu steigern (vgl. BZ vom 1. Juni). Zum einen kommen grüne Wohnraumfinanzierungen der Green-Asset-Ratio zugute, zum anderen neben dem „E“ gegebenenfalls auch dem „S“ im Kürzel ESG.