Die österreichische Bank Bawag übernimmt das deutsche Privatkundengeschäft der britischen Großbank Barclays. Das gaben die Häuser am Donnerstag bekannt. Mit dem Erwerb der in Hamburg ansässigen Barclays Consumer Bank Europe von Barclays Bank Ireland werde man die Präsenz in den deutschsprachigen Märkten und in den Niederlanden ausbauen, hieß es aus Wien. Neben dem österreichischen Heimatmarkt ist die Bawag fokussiert und in Nischenbereichen in Deutschland, der Schweiz, den Niederlanden, in Irland und den USA aktiv.

Zum Kaufpreis machten die Parteien keine Angaben. „Es gibt keinen klaren Kaufpreis, wir übernehmen alle Verbindlichkeiten und alle Vermögenswerte“, sagte Bawag-Finanzchef Enver Sirucic in einer Telefonkonferenz. Nach Angaben von Barclays wird das österreichische Institut für die Consumer Bank Europe bei dem innerhalb von sechs bis neun Monaten erwarteten Vollzug der Transaktion einen kleinen Aufpreis auf die Nettovermögenswerte zahlen. In den vergangenen Monaten war eine Bewertung des Barclays-Geschäfts von 500 Mill. Euro kolportiert worden.

Die Assets der Barclays Consumer Bank Europe beliefen sich Ende März laut den Unternehmen auf 4,7 Mrd. Euro, die vor allem auf Karten- und Kreditforderungen entfallen. Allein rund 2 Mrd. Euro machten Kreditkartenforderungen aus. Die Bawag, viertgrößte Bank Österreichs und vor allem auf das Geschäft mit Privatkunden sowie kleinen und mittelgroßen Firmenkunden ausgerichtet, erklärte, man werde mit dem derzeitigen Führungsteam der bisherigen Barclays-Einheit weiterarbeiten, um das Retailgeschäft in Deutschland und Österreich auszubauen.

Bei der britischen Bank wird erwartet, dass der Verkauf Risikoaktiva von rund 4 Mrd. Euro freisetzen und zu einer Verbesserung der CET1-Kernkapitalquote von Barclays um etwa 0,1 Prozentpunkte führen wird. Die Bawag rechnet mit einem Beitrag des übernommenden Geschäfts zum Vorsteuerergebnis von mehr als 100 Mill. Euro im Jahr 2027. Bis dahin soll die Consumer Bank Europe vollständig integriert sein. Den Effekt der Transaktion auf die eigene Kernkapitalquote siedelt die Bawag bei 1,4 Prozentpunkten an.

Die seit mehr als drei Jahrzehnten in Deutschland aktive Barclays Consumer Bank Europe zählt sich zu den führenden Anbietern von Kreditkarten mit echter Kreditfunktion. Ferner ist die bisherige Barclays-Einheit im Geschäft mit Ratenkrediten, Ratenkauffinanzierungen über den Online-Händler Amazon sowie mit Tagesgeld tätig. Mit rund 700 Beschäftigten betreut Barclays Consumer Bank Europe den aktuellen Angaben zufolge rund 2 Millionen Kunden.

Zur aktuellen Transaktion erklärte Francesco Ceccato, CEO von Barlays Europe, der Verkauf des deutschen Privatkundengeschäfts stehe für Barclays im Einklang mit dem Ziel, die Bank zu vereinfachen. Die Transaktion ermögliche es Barclays Europe, sich auf das Firmenkundengeschäft, Investment Banking sowie Privatkundengeschäft zu konzentrieren.

Bawag-Chef Anas Abuzaakouk sagte, die Übernahme passe strategisch sehr gut, und zwar in Bezug auf das Produktangebot, die Marktpräsenz, den Kundenstamm und die Belegschaft in Hamburg, die vor allem eine starke Expertise im Kreditkartengeschäft einbringe. Zuletzt hatte die in Deutschland unter anderem mit der Südwestbank in Stuttgart aktive Bawag Anfang Februar den Kauf von Knab, einer Online-Bank für Selbstständige mit einer Bilanzsumme von gut 17 Mrd. Euro, vom niederländischen Versicherer ASR Nederland bekannt gegeben. Mit der Akquisition zu einem Kaufpreis von 510 Mill. Euro wolle man die Präsenz im niederländischen Retail- und Firmenkundenmarkt ausbauen, hieß es.

Für den Erwerb der Knab Bank sowie weitere Zukäufe habe man Überschusskapital vorgesehen, hatte Abuzaakouk Ende April erklärt. „Wir generierten im Laufe des Quartals ein erhebliches Maß an Kapital und konnten somit unsere CET1-Quote um 90 Basispunkte auf 15,6% und unser Überschusskapital auf 623 Mill. Euro erhöhen.“