Bei Eigenkapital geht kein Weg an der Bank vorbei

In einem schlanken und transparenten Investitionsprozess werden tragfähige Strukturen für Anleger und kapitalsuchende Unternehmen gewährleistet

Bei Eigenkapital geht kein Weg an der Bank vorbei

Gesunde und tragfähige Bilanzrelationen bilden die Basis für nachhaltige unternehmerische Entscheidungen und damit die Voraussetzung für Wachstum und Fortschritt, aber auch für Krisenfestigkeit und eine sichere Planungsgrundlage. Vor dem Hintergrund eines sich intensivierenden internationalen Wettbewerbsumfelds ist die Frage nach der passenden Bilanzstruktur für das eigene Geschäftsmodell und der zielgenauen Kapitalallokation aktueller denn je.Neben der fortschreitenden Internationalisierung prägen die aktuellen Entwicklungen rund um die Digitalisierung und Industrie 4.0 die Wahl passgenauer Finanzierungslösungen. Mittelständische Unternehmen sind von diesem Veränderungsprozess in mehrfacher Hinsicht betroffen. Auf der einen Seite treten neue, innovative Wettbewerber in etablierten Märkten auf. Auf der anderen Seite verändern sich aber nicht allein die Wettbewerbsintensität, sondern auch die Parameter und Marktstrukturen. Im Rahmen dieses Transformationsprozesses werden Entscheidungen also unter zunehmender Unsicherheit, zum Beispiel über künftige Standards, getroffen.In diesem Zuge verändert sich auch der Wertschöpfungsprozess, zum Beispiel indem sich Geschäftsmodelle vom reinen Produzenten zum Anbieter von Services und Dienstleistungen entlang integrierter Wertschöpfungsketten wandeln – einhergehend mit den damit verbundenen Auswirkungen auf die Bilanzrelationen, etwa in Form eines gestiegenen Umlaufvermögenanteils. Darüber hinaus finden alternative Wege der Zusammenarbeit Einzug in den unternehmerischen Alltag. Nicht jedes Unternehmen muss alle technologisch hoch anspruchsvollen Tätigkeiten entwickeln und selbst vorhalten. Kooperationen und Netzwerke eröffnen neue Chancen, die den Zugriff und die technologische Infrastruktur für eine unternehmensindividuelle Nutzung ermöglichen. Nicht zuletzt durch die daraus resultierende Veränderung der Bilanzrelationen wird die Zusammenarbeit von Bank und Unternehmen vor neue Herausforderungen gestellt. Bewertbarkeit im FokusDer Investitionsschwerpunkt verschiebt sich zudem verstärkt von materiellen hin zu immateriellen Investitionsgütern und wirft damit zum Beispiel die Frage nach deren Bewertbarkeit auf. Im Ergebnis verändert dies nicht nur die Bilanzstatik, sondern definiert auch die Anforderungen und Ansprüche an Sicherheiten und Haftkapital durch die Finanzierungspartner neu. Eine stabile und tragfähige Eigenkapitalbasis auf Basis einer zukunftsorientierten Bilanzanalyse ist daher die Grundlage für nachhaltiges unternehmerisches Wachstum und die Voraussetzung für den Einstieg alternativer Finanzierungspartner.Als “Benchmark” für innovative Gründungen und technologisches Know-how dient im internationalen Vergleich oft das Silicon Valley. Neben einem kreativen Umfeld wird die hohe Verfügbarkeit von Finanzierungsquellen als zentraler Erfolgsfaktor gepriesen – doch auch hier muss sich der Standort Deutschland nicht verstecken. Verschiedene Anbieter haben diesen Markt hierzulande längst entlang aller Unternehmensphasen für sich erschlossen. Das passgenaue Verhältnis zwischen Eigen- und Fremdkapital ist dabei kein statisches Konstrukt, sondern immer am unternehmerischen Zielbild und der konkreten Investitions- und Wachstumsplanung orientiert.Insbesondere für junge Unternehmen, die noch über keine umfassenden drittverwendungsfähigen Sicherheiten oder thesaurierten Gewinne verfügen, ist eine tragfähige Finanzierungspartnerschaft und langfristig angelegte Zusammenarbeit von besonderer Bedeutung. Ziel der Zusammenarbeit ist neben konkreten Finanzierungslösungen der Zugang zu fachspezifischem Know-how, Netzwerken und Beratungsleistungen.Banken haben daher sukzessive ihre klassischen Finanzierungskompetenzen erweitert und schaffen durch Vermittlungsdienstleistungen den Zugang zu öffentlichen Förderprogrammen und Zuschüssen, aber auch zu Netzwerken von Kapitalgebern und Know-how-Trägern. Neben der reinen Vermittlung von Eigenmitteln durch externe Dritte haben Banken schrittweise auch eigene Finanzierungsvehikel, wie zum Beispiel Tochtergesellschaften, die als Venture-Capital-Geber auftreten, am Markt etabliert. Darüber hinaus sind sie durch die Gründung eigener Inkubatoren in diesem Marktsegment aktiv.Nach der initialen Wachstumsphase stehen Unternehmen oft vor der Herausforderung, die Investoren der ersten Stunde abzulösen, die das Unternehmen in der Frühphase mit einem festen Zeithorizont und Exitvorstellungen begleitet haben. Mit diesem Schritt soll aber nach Möglichkeit keine Verwässerung der Altgesellschafter einhergehen, und gleichzeitig sollen weitere Wachstumsszenarien nicht durch laufende Kapitalkosten belastet werden. An dieser Stelle können Direktinvestitionen beziehungsweise Beteiligungskapital eine zielführende Lösung sein.Auch für kleinere und mittlere Unternehmen stehen Lösungen ohne vordefinierte Laufzeitbegrenzungen für Mehr- und Minderheitsbeteiligungen zur Verfügung. In Verbindung mit öffentlichen Fördermitteln können durch diese eigenkapitalnahen Finanzierungslösungen die Voraussetzungen für weiteres Wachstum und ergänzende (Senior-)Finanzierungsbausteine geschaffen werden. Dies spiegelt sich auch in der Liquiditätsplanung und -steuerung für den Investitionszeitraum wider, da diese Bausteine in der Regel endfällig vergeben werden und somit liquiditätsschonendes Wachstum ermöglichen.Fehlende finanzielle Spielräume können Unternehmen in ihrem Wachstumskurs beschneiden. Dies gilt insbesondere für den unternehmerischen Entscheidungsspielraum: Je schwächer die Eigenkapitalbasis ist, desto stärker wird dieser durch Dritte bestimmt. Der Einschätzung und Bewertung entscheidender Zukunftsfaktoren, wie zum Beispiel Trends und Treibern in Markt und Branche, sowie der Modellierung und Validierung von Businessplänen kommt daher eine besondere Rolle zu. Dies gilt auch für Unternehmen mit bewährten Geschäftsmodellen in etablierten Märkten. Geplante Akquisitionen, Wachstum und Sprunginvestitionen lassen sich nicht immer rein aus eigenen Mitteln und klassischer Fremdfinanzierung stemmen.Vor diesem Hintergrund kann eine Eigenmittelfinanzierung, etwa in Form von Mezzaninekapital, Abhilfe schaffen. Neben der Optimierung der Bilanzstruktur bietet diese Form der Finanzierung durch die Schaffung eines zusätzlichen Verlustpuffers auch eine Art Geschäftsmodellversicherung, – ohne dass der unternehmerische Entscheidungsspielraum in den oftmals familiengeführten Unternehmen beschränkt wird. Durch den eigenkapitalnahen Charakter erzeugen diese Vehikel zudem eine Bonitätsverbesserung – ohne die bestehenden Sicherheiten- und Covenantstrukturen zu verschlechtern.Doch nicht nur am Anfang des Unternehmenszyklus und in Wachstumsphasen ist Eigenkapital ein knappes Gut. Im Zuge der anstehenden Nachfolgewelle im deutschen Mittelstand kommt es vermehrt zu Unternehmensübergaben. Durch stille Beteiligungen oder Genussrechtskapital erfolgt eine Stärkung der Eigenmittel, ohne Sicherheiten zu binden. Bei Eigentümerstrukturen mit einem breit aufgestellten Gesellschafterkreis hat diese Lösung darüber hinaus den Charme, dass bestehende Gesellschafteranteile nicht verwässert und in der Regel keine gesellschaftsrechtlichen Mitspracherechte gewährt werden. Auch IPO denkbarFür den Eintritt in eine neue Unternehmensphase kann auch direkt an den Kapitalmärkten Eigenkapital eingeworben und die Eigenkapitalbasis, zum Beispiel im Rahmen eines Initial Public Offering (IPO) oder einer Kapitalerhöhung, gestärkt werden. In diesem Fall stehen dem Unternehmen die Mittel ohne operative Zweckbindung zur Verfügung, und die Abhängigkeit von Fremdkapitalgebern wird verringert. Als Nebeneffekt schafft diese Variante die Grundlage für weitere Kapitalmarktemissionen und greift durch die öffentliche Aufbereitung der eigenen Bonität möglichen Informationsasymmetrien vor. Dies kann beispielsweise geschäftsfördernde Signale an Zulieferer und Kunden zur Folge haben. Insbesondere mittelständisch geprägte Unternehmen sollten jedoch die gesetzlichen Transparenz- und Publikationspflichten und damit verbundene einmalige sowie laufende Kosten und das unternehmerische Mitspracherecht der Aktionäre berücksichtigen.Die Digitalisierung hat die Rahmenbedingungen für die Finanzintermediation nachhaltig verändert. Während klassische Eigen- und Fremdkapitalbausteine dem veränderten Wettbewerbsumfeld nicht immer vollumfänglich gerecht werden können, haben Banken durch umfangreiche Vermittlungsdienstleistungen und die Verbindung von bewährtem Risiko- und Markt-Know-how mit innovativen Formen der Kapitalausreichung ihre Angebotspalette ausgebaut. Sukzessive finden alternative Formen der Finanzintermediation, zum Beispiel in Form von Peer-to-Peer-Lending-Plattformen, Einzug in die Unternehmensfinanzierung. Dabei werden durch bankeigene Lösungen die hohen Anforderungen an die Kreditgewährung sowie etablierte und aufsichtsrechtlich geprüfte Mechanismen der Ratingbestimmung beibehalten. In einem schlanken und transparenten Investitionsprozess werden so tragfähige Strukturen für Investoren und kapitalsuchende Unternehmen gewährleistet.—Martin Keller, Leiter Product Management Mittelstandsbank der Commerzbank AG