Bei Nullzins werden alternative Anlagen zur Regel

Zu viel Kapital drängt in zu wenige Assets - Das treibt die Preise, senkt die Renditen und erschwert die Risikoverteilung - Höchste Zeit für Alternativen

Bei Nullzins werden alternative Anlagen zur Regel

Seit September 2012 gibt es den Nullzins in der Eurozone, knapp vier Jahre später, im Sommer 2016, fiel auch erstmalig die Umlaufrendite für Bundesanleihen unter null. Ende Oktober 2019 wiesen weltweit Anleihen im Volumen von 17 Bill. Dollar negative Renditen aus. Und die jüngst emittierte Bundesanleihe 19/50 hat einen Zinskupon von 0,000 % p.a. Investoren beginnen sich mit dem Gedanken zu arrangieren, dass es auf absehbare Zeit mit Zinsen kaum noch ausreichende Renditen bei vertretbarem Risiko geben dürfte. Außerbörsliches profitiertTatsächlich lässt sich belegen, dass Investoren ihre Risiken auf der Suche nach neuen Renditequellen neu justieren. So beträfen nur noch knapp ein Viertel der Spezialfonds reine Rentenmandate, heißt es in der aktuellen Spezialfondsstudie von Telos; im Jahr zuvor habe die Quote noch bei 40 % gelegen. Davon profitieren vor allem außerbörsliche Anlageformen wie Immobilien, Private Equity, Private Debt und Infrastruktur – ein Trend, der nicht nur in Deutschland, sondern weltweit anhält. Wie Marktstudien zeigen, werden auch diese Märkte zunehmend mit Kapital geflutet: Allein 2018 sind demnach global 778 Mrd. Dollar in Private Markets geflossen. Ende Juni vergangenen Jahres summierte sich das von Kapitalanlegern neu zugesagte, aber noch nicht investierte Kapital auf 2,1 Bill. Dollar. Standards werden gesenktMit steigender Nachfrage nach Private Assets stellt sich die Frage, wie attraktiv einzelne illiquide Anlageklassen noch sind. Nehmen wir beispielhaft den Markt für Private Lending: “Zu viel Geld jagt zu wenigen Deals hinterher. Fast jeden Tag sehen wir Transaktionen, die nicht in einem Markt zustande kämen, der von angemessener Vorsicht, Disziplin, Skepsis und Risikoaversion geprägt ist”, meinte kürzlich Howard Marks, Co-Chef der US-Investmentgesellschaft Oaktree Capital. Mehr Menschen verleihen heute mehr Geld, sie konkurrieren um Gelegenheiten, Kredite vergeben zu können, und das machen sie, indem sie die Standards senken. Dieser Mechanismus lässt sich ohne weiteres auf Private Equity, Infrastruktur und Immobilien übertragen. Damit stehen Investoren vor der Herausforderung, nach neuen Wegen zur weiteren Diversifizierung zu suchen – und wieder einmal vor der Frage: Wohin mit dem Kapital?Eine mögliche Antwort liegt darin, auch Liquid Alternatives als Bausteine in der Asset Allocation in Betracht zu ziehen. Doch obwohl einzelne Strategien ein mit Anleihen vergleichbares Risiko-Rendite-Profil aufweisen, regelmäßige Kapitalerträge bieten und einen zusätzlichen Beitrag zur Portfolio-Diversifikation leisten, ist ihr Anteil in den institutionellen Portfolios bis dato vergleichsweise gering.Das ist nicht ganz überraschend, denn “Liquid Alternatives” an sich stellen keine Anlageklasse per se dar, und bei weitem nicht jede Strategie ist in der Lage, die Anforderungen institutioneller Investoren zu erfüllen. Vielmehr handelt es sich hierbei um einen Sammelbegriff, unter dem höchst unterschiedliche Investmentansätze mit höchst verschiedenen Rendite-Risiko- und Ertragsprofilen gebündelt sind. Zu ihrem Universum gehören unter anderem Absolute-Return- und alternative Ucits-Fonds. Deren Volumen und Performance verfolgt und veröffentlicht Lupus alpha seit 2008, sofern sie in Deutschland zum Vertrieb zugelassen sind.Das Volumen dieser Fonds lag Mitte 2019 bei über 265 Mrd. Euro. Auch wenn dies noch ein vergleichsweise niedriges Niveau ist, so ist das grundsätzliche Interesse bei Investoren an Liquid Alternatives durchaus vorhanden. Dies zeigt ein Blick auf die langfristige durchschnittliche Wachstumsrate des verwalteten Vermögens, die seit 2009 bei über 20 % p.a. liegt. Dabei steigt der Anteil institutioneller Investoren an diesem Vermögen jährlich und erreichte zuletzt 45 %, noch vor vier Jahren vereinten sie erst knapp ein Drittel auf sich. Die Performance der Liquid Alternatives hat in der Durchschnittsbetrachtung jedoch zuletzt enttäuscht: Stand Ende Juni erzielten sie auf Zwölf-Monats-Sicht eine Rendite von gerade einmal 3,91 %, und von 1,95 % p. a. auf Sicht von fünf Jahren. Doch eben weil es sich hier um keine einheitliche Anlageklasse handelt, gibt dieser Durchschnitt nur ein verzerrtes Bild wieder. Manager sind entscheidendTop Performer über fünf Jahre waren Stand Ende Juni 2019 US-Equity-Long-/Short-Ansätze mit 7,2 %, gefolgt von dollardenominierten Absolute-Return-Bond-Fonds mit 5 %. Globale L/S-Equity- und Global-Macro-Fonds erzielten jeweils 4,9 %. Als Empfehlung darf dies aber nicht verstanden werden. Vielmehr bedarf es einer tiefergehenden Analyse, um die für das eigene Portfolio passenden Strategien zu finden.Es genügt auch nicht, allein auf Strategieebene zu analysieren, die Auswahl eines bestimmten Segments ist keine hinreichende Bedingung dafür, ein gewünschtes Risiko-Rendite-Profil zu erzielen – allein schon deshalb, weil in beinahe allen Segmenten die schlechtesten Fonds im Schnitt negative jährliche Erträge aufweisen. Vielmehr kommt es entscheidend auf die Auswahl des Fondsmanagers an. Besonders stark streuen die Ergebnisse der Manager bei Absolute-Return-Strategien in Euro mit hoher Risikoneigung: Hier liegen zwischen dem besten und dem schlechtesten Fonds 30 Prozentpunkte p. a., während zum Beispiel die Ergebnisse bei defensiven Absolute-Return-Fonds wesentlich dichter beieinanderliegen. Die halbjährliche Auswertung von Lupus alpha zeigt, dass die jeweils besten Fonds je nach Strategie auf eine hohe einstellige oder sogar zweistellige jährliche Wertentwicklung kommen.Angesichts der vielfältigen Strategie-Segmente und der großen Zahl an Managern – allein das hier betrachtete Universum der Ucits-Fonds in Deutschland umfasst weit mehr als 800 Fonds – liegen die beiden zentralen Fragen also erstens darin, welche Strategien grundsätzlich in der Lage sind, dem eigenen Portfolio einen Diversifikationsvorteil zu bringen, und zweitens darin, welche Manager in der Lage sind, dies nachhaltig erfolgreich umzusetzen. Diese detaillierte Analysearbeit ist nur mit dem Aufbau entsprechenden Know-hows zu bewältigen, was sich intern oder mit externen Beratern abbilden lässt. Für Investoren, die sich mit diesem Thema beschäftigen, können Liquid Alternatives dann durchaus einen wichtigen Beitrag zur Neuausrichtung des Portfolios in einer Welt ohne Zins leisten. Ralf Lochmüller, Managing Partner und CEO, Lupus alpha