Besondere Zeiten verlangen ungewöhnliche Maßnahmen

Infolge überschüssiger Liquidität und verhaltener Investitionsneigung sollten Treasurer über effiziente Alternativen am Kapitalmarkt nachdenken

Besondere Zeiten verlangen ungewöhnliche Maßnahmen

Noch nie verfügte der deutsche Unternehmenssektor über ein derart großes Liquiditätspolster. Der seit nunmehr fast neun Jahren andauernde Aufschwung, die weiterhin verhaltene Investitionsneigung, die vorsichtige Akquisitionspolitik, aber auch die Flutung der Märkte mit Zentralbankgeld durch die Europäische Zentralbank (EZB) zeigen Wirkung. Die Liquiditätsausstattung deutscher Unternehmen dürfte 2017 auf annähernd 350 Mrd. Euro angeschwollen sein. Im Vergleich zu 2000 halten die Unternehmen damit einen knapp dreimal höheren Liquiditätsbestand. “Unnützes” PolsterÜber dieses vermeintlich “unnütze” Polster lässt sich trefflich klagen. Natürlich wäre es aus wachstumspolitischen Überlegungen erfreulicher, die Unternehmen würden die Mittel für zukunftsträchtige und damit auch beschäftigungsschaffende Investitionen einsetzen. Die Banken hätten Freude daran, die Unternehmen auf diesem Weg finanzierend zu begleiten. Die Themenfelder wie Digitalisierung, Industrie 4.0, Energieeffizienz, Internationalisierung oder Infrastrukturerneuerung sind in aller Munde. Doch trotz ausreichender Investitionsfelder bleibt die Investitionsneigung deutscher Unternehmen verhalten und im internationalen Vergleich (zu) gering, auch wenn die deutschen Investitionen eine hohe Produktivität aufweisen und die Relation Sachinvestitionen zum Bruttosozialprodukt (BSP) durch die Digitalisierung sinkt. So ist der Anteil der Nettoinvestitionen an den Unternehmensgewinnen der Kapitalgesellschaften von mittleren zweistelligen Werten noch in den neunziger Jahren auf einen niedrigen einstelligen Wert gesunken. Inzwischen liegen gar die Bruttoinvestitionen der Unternehmen unterhalb der jährlichen Vorsteuerergebnisse.Diese ausgeprägte Investitionszurückhaltung erstaunt umso mehr, da angesichts von Negativzinsen die Opportunitätskosten der Liquiditätshaltung derzeit ausgesprochen hoch sind. Es kommt einem unweigerlich das Zitat von Karl Schiller in den Sinn: “Man kann die Pferde zur Tränke führen, doch saufen müssen sie selber.” Das Investitionskalkül der Unternehmen ist eben nicht nur eine Frage der Verfügbarkeit und der Kosten von Investitionsmitteln, sondern insbesondere auch eine von Marktchancen, langfristigen Perspektiven und unternehmerischem Mut.Das immense Liquiditätspolster der Unternehmen ist dabei auch ein Aspekt der gesamtwirtschaftlich hohen Sparquote Deutschlands und Spiegelbild des enormen und politisch kaum noch tragbaren Leistungsbilanzüberschusses der Bundesrepublik. Deutschland sollte – ähnlich wie es andere klassische Überschussländer machen – viel stärker renditeorientiert und nachhaltig investieren, statt Liquidität zu horten oder hohe Target-2-Salden aufzubauen. Ein wichtiger Rahmenparameter der unternehmerischen Investitionsentscheidungen dürfte sich auf Sicht nicht maßgeblich verschieben. Zwar läutet die EZB im Windschatten der amerikanischen Notenbank Fed derzeit ganz behutsam das Auslaufen der ultralockeren Geldpolitik ein, doch der vorsichtige Normalisierungskurs der EZB wird weiter für niedrige Zinsen sorgen. Die EZB wird versuchen, jegliches Risiko für die in Teilen immer noch fragile Entwicklung zu vermeiden. Gebot der StundeEine ausreichende Liquiditätshaltung bleibt unter Vorsichts- und Transaktionsaspekten für deutsche Unternehmen ein Gebot der Stunde, für eine (über)üppige Liquiditätsausstattung wird hingegen – insbesondere vor dem Hintergrund von Negativzinsen – die ökonomische Ratio immer fragwürdiger. Die Unternehmen werden sich von ihren Stakeholdern zunehmend fragen lassen müssen, wofür sie eine dermaßen umfangreiche Liquidität vorhalten. Angesichts weltweit hoher Bewertungsmultiples bei Unternehmenskäufen und der chronischen Investitionszurückhaltung bleiben wenige Wege zur Kanalisierung der Überliquidität. Eine strategisch angelegte Anlagepolitik, die die Aktivseite der Bilanz weiter optimiert und insbesondere auf eine weitere Ausfinanzierung von Pensionsverpflichtungen zielt, ist angezeigt. Durch eine geeignete Auswahl der Instrumente können Risiken diversifiziert und die Rentabilität gesteigert werden. Die im Folgenden detaillierten Anlagefelder bieten sich insbesondere vor dem Hintergrund der Niedrigzinsphase in Europa als Hafen für die überschüssige Unternehmensliquidität an.Konsequent ist eine Investmentstrategie, die das unternehmerische Kalkül aus dem Kerngeschäft des Unternehmens auf die Anlagestrategie überträgt. Solche Überlegungen haben Unternehmen bereits in den vergangenen Jahren bewogen, Schwellenländer stärker in den Fokus zu nehmen. Egal, ob als Absatzmarkt oder als Zielregion für Direktinvestitionen, die wirtschaftlichen Chancen in und mit den Emerging Markets liegen auf der Hand. Hohes Wirtschaftswachstum trifft regelmäßig auf eine niedrige Staatsverschuldung. Die junge Bevölkerung hat in einer globalisierten und digitalisierten Welt enorme Entwicklungspotenziale, und die demografischen Probleme der Industrienationen deuten sich in den meisten Emerging Markets noch nicht einmal an. Emerging Markets im BlickDiese Merkmale machen die Emerging Markets auch für Wertpapierinvestitionen zu einer interessanten Anlageklasse. Investoren stehen dabei sowohl Aktien- als auch Anleiheinvestments zur Verfügung, wobei Letztere in lokaler Währung oder als Währungsanleihen in US-Dollar oder Euro emittiert werden. Während Lokalwährungsanleihen eine Reihe von Problemen hinsichtlich Hedging und Verwahrung aufwerfen, bieten sich US-Dollar- und Euro-Anleihen von Staaten und Unternehmen an, um Liquidität ohne übermäßige Volatilität zu investieren. So weist derzeit eine fünfjährige indonesische Staatsanleihe gegenüber ihrem italienischen Pendant – bei ähnlicher Laufzeit und Bonität – mit 1,3 % eine spürbar höhere Verzinsung auf. Auch unter dem Gesichtspunkt der Handelbarkeit stehen Wertpapiere aus Schwellenländern denen aus Industriestaaten kaum nach. Sofern man in Länder mit guter Bonität, wie zum Beispiel Indonesien, Chile oder Peru, investiert und bei der Auswahl auf kurze bis mittlere Endfälligkeiten achtet, spielen die Transaktionskosten in den meisten Marktphasen eine untergeordnete Rolle. Fondslösungen interessantUm Klumpenrisiken zu vermeiden, sind Fondslösungen dabei ein geeignetes Instrument. Sie gewährleisten eine breitere Diversifikation, und der Anleger kann – seriöses Management vorausgesetzt – eine adäquate Rendite seines Kapitals erwarten. So erzielte zum Beispiel der HI-Renten Emerging-Markets-Fonds der Helaba Invest in den letzten fünf Jahren im Durchschnitt eine jährliche Rendite von 6,5 %. Aktuell beträgt die Effektivverzinsung dieses Portfolios 2,9 %. Eine etwas konservativere Variante, bei der nur Anleihen mit Investment-Grade-Bonität selektiert werden, weist eine durchschnittliche Rendite von 1,4 % auf.Ist der Anlagehorizont etwas länger, stellen Aktien als ertragsstärkste Anlageklasse eine gute Alternative dar. Dabei hat der unternehmerische Charakter einer Investition in Eigenkapital zusätzlichen Charme für Corporate Treasuries. Den aktuellen Stand der Finanzmarktforschung stellen faktorbasierte Ansätze dar. Diese investieren gezielt in Aktien, die mit einer etablierten und nachhaltigen Risikoprämie verbunden sind. Die Faktoren Value, Size oder Low Risk sind – empirisch belegt – mit einer vom Markt unabhängigen Risikoprämie verbunden. Eine gezielte Selektion dieser Faktoren kann daher eine Überrendite gegenüber dem reinen Marktportfolio erzielen.Für das europäische Aktienuniversum bietet Helaba Invest etablierte Produkte als institutionelle Publikumsfonds an. Während das DividendenPlus-Konzept als einer der Vorreiter-Fonds auf den Faktor “Value” setzt, selektiert der Low-Risk-Ansatz Aktien auf Basis niedriger Volatilitäten. Gerade diese Faktoren bieten sich an, um sie auch auf das risikoreichere Marktsegment der Schwellenländer anzuwenden. Investoren können diese Faktoren ebenfalls kombinieren, um die Diversifikation des Portfolios weiter zu optimieren. Hierfür können individuelle Portfolien in der Hülle eines Spezialfonds investiert werden. Richtige Strategie lohnt sichBesondere Zeiten verlangen ungewöhnliche Maßnahmen. Zweifellos sind Investitionen am Kapitalmarkt nicht der originäre Geschäftszweck von Unternehmen. Angesichts überschüssiger Liquidität und verhaltener Investitionsneigung sind Treasurer gezwungen, über eine effizientere Liquiditätshaltung nachzudenken. Der Kapitalmarkt eröffnet hierfür Optionen. Mit der richtigen Strategie kann so aus der Last der Liquidität durchaus eine attraktive zusätzliche Ergebnisquelle werden.—Norbert Schraad, Vorstandsmitglied der Helaba Landesbank Hessen-Thüringen