Besser als Private Equity und Anleihen
Schlaue Alternative zu Anleihen und Private Equity
Institutionelle haben Infrastruktur als Assetklasse entdeckt – Vom Einbruch bisher nicht wieder voll erholt
Von Thomas List, Frankfurt
Infrastrukturanlagen sind für institutionelle Investoren zu einer wichtigen Assetklasse geworden. Sie gelten als renditestärkere bzw. risikoärmere Alternative zu Anleihen bzw. Private Equity. Das entsprechende verwaltete Vermögen hat sich über ein Jahrzehnt weltweit vervierfacht, heißt es in einer Studie der Boston Consulting Group, die der Börsen-Zeitung vorab exklusiv vorliegt. Befeuert wurde dieses starke Wachstum durch die niedrigen Zinsen. „Kurz nach Corona, also 2021, war die Branche beim Fundraising auf einem absoluten Hoch angekommen“, sagte der Autor der Studie, Wilhelm Schmundt, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. 2023 gab es allerdings einen kräftigen Einbruch, von dem sich die Fonds seitdem nur leicht erholt haben.
Inflation als Ursache
Zur Begründung verweist Schmundt auf die Inflation. „Das galt für stark steigende Kosten bei Löhnen, Material und im Bau. Außerdem wurde Lieferketten unterbrochen, was die Beschaffung von Rohstoffen und Bauteilen verzögerte und verteuerte.“ Dazu kam der Zinsanstieg bei konstanten Bewertungsmultiplikatoren. „Viele Fonds haben dann ein oder zwei Jahre abgewartet, um die Ertragsrechnung wieder in Ordnung zu bringen und die Margen zu verbessern.“ Investoren müssten immer mit einem Zeitverzug kämpfen: „Die Kostensteigerungen schlagen sehr schnell zu Buche. Gerade in regulierteren Bereichen wie zum Beispiel der Wasserversorgung in Großbritannien sind Preissteigerungen nur beschränkt und verzögert möglich.“ Es sei zu hohen Bewertungen eingekauft worden. „Man will jetzt warten, bis sich die Märkte erholen“, so die Einschätzung des Unternehmensberaters.
Markt hat sich 2024 erholt
2024 hat sich der Markt für private Infrastrukturinvestitionen gemessen am Fundraising erholt. Nach Angaben des Datenanbieters Preqin, auf die sich die BCG-Studie in weiten Teilen stützt, haben Fonds weltweit 87 Mrd. Dollar eingesammelt, 14% mehr als 2023, aber 44% weniger als im Rekordjahr 2022 mit 154 Mrd. Dollar. Schmundt geht davon aus, dass sich der Aufschwung in den kommenden Jahren fortsetzen wird. „Der Bedarf an Infrastrukturinvestitionen in Sektoren wie Energie, Telekommunikation und Transport ist massiv. Das gilt in den westlichen Ländern mit ihrer veralteten Infrastruktur. In den Entwicklungsländern muss die Infrastruktur erst ausgebaut werden, zum Beispiel mit Glasfaserleitungen.“
Weitere Investitionsfelder seien Müllentsorgung, Wasserversorgung und erneuerbare Energien. „Private Investoren werden da in irgendeiner Form eine Rolle spielen.“ Erst jüngst hat der britische Premierminister Keir Starmer einen entsprechenden Fonds angeregt, zu dem er ausdrücklich auch Private als Co-Investoren eingeladen hat. „Dazu müssen aber auch die Rahmenbedingungen stimmen. Das ist mit Renditen von 5 oder 6% sicher nicht der Fall.“
Viel in Staatsbesitz
In Deutschland befindet sich noch sehr viel Infrastruktur in öffentlicher Hand. Beispiele sind Flughäfen, Autobahnen oder Stadtwerke, die Energieversorgung, Wasser und Abwasser, Nahverkehr, Entsorgung und Recycling und teils auch Glasfaser aus einer Hand anbieten. „In anderen Ländern ist sehr viel mehr privatisiert.“ Allerdings gibt es hierzulande einige große Unternehmen, die von Infrastrukturinvestoren gehalten werden. Dazu gehören Getec (Energy contracting), EEW Energy from Waste, das ehemalige Müllverbrennungsgeschäft von E.on, Techem, Vantage Towers (Mobilfunkmasten). Auch jüngst gab es einige Transaktionen wie Encavis (Energieproduktion), ju:niz Energy (Batteriespeicher), EGC (Energy contracting), Mainova Webhouse (Datencenter) und Rad-X (Radiologie). „Besonders im Energiebereich ist das Interesse groß. Gerade kommen die großen Übertragungsnetzbetreiber wie Tennet auf den Markt.“
Schmundt würde es nicht überraschen, wenn die nächste deutsche Regierung das englische Modell kopiert und privates Kapital an Infrastrukturvorhaben beteiligt. „Das könnte viele Bereiche betreffen, von Energie- und Schienennetzen, Energieerzeugung, bis hin zu Flughäfen und (Maut-)Straßen.“
Mehr Verkäufe
Die Fonds werden wieder mehr Unternehmen, in die sie investiert haben, auf den Markt bringen, ist Schmundt überzeugt. „Sonst laufen sie Gefahr, keine frischen Mittel mehr zu erhalten. Denn die großen Investoren wie Pensionskassen, Versicherungen und Staatsfonds erwarten Rückflüsse von den Fonds, in die sie vor Jahren investiert haben, bevor sie wieder neue Mittel zur Verfügung stellen.“ Laut Studie halten die Fonds ihre Investments länger als früher, was die Rückflüsse an die Investoren verzögert. 2023 seien 19,7 Mrd. Dollar mehr in die Fonds geflossen als sie ausgeschüttet oder zurückgezahlt hätten. 2022 waren es sogar 28,7 Mrd. Dollar. Daher seien die großen Assetmanager zurückhaltend, neues Kapital zur Verfügung zu stellen.
Die Mittelbeschaffung wird aber auch durch die zunehmende Größe der Infrastrukturfonds verlangsamt. Denn große Fonds brauchen länger, um ihre Kapitalziele zu erreichen. Nach Preqin-Daten hat es von der Auflage bis zum Closing 2014 noch 20 Monate, 2024 aber 31 Monate gedauert. Gleichzeitig stieg die durchschnittliche Fondsgröße von etwa 800 Mill. auf fast 1,3 Mrd. Dollar.
Dry Powder hat sich 2024 verringert
Angesichts eines verlangsamten Fundraisings und anhaltenden Mitteleinsatzes ist das Dry Powder, also die Mittel eines Fonds, die noch nicht investiert wurden, bis Ende Juni 2024 (neuere Zahlen liegen noch nicht vor) um 9% auf 324 Mrd. Dollar zurückgegangen. Betroffen waren alle Risikoklassen, also sowohl die größten Core plus (-8% auf 135 Mrd. Dollar) als auch Core (-6% auf 93 Mrd. Dollar). Am meisten verringerte sich das Dry Powder bei Value-add- und opportunistischen Strategien (-15% auf 79 Mrd. bzw. 17 Mrd. Dollar).
Bei den großen Kapitalsammelstellen ist der Anlagedruck nach wie vor hoch. „Die müssen anlegen. Deshalb wird das Geld wieder in den Markt kommen“, ist Schmundt überzeugt. Der größte Teil der 2024 eingesammelten 87 Mrd. Dollar kam aus Europa (52%) und Nordamerika (25%) und wird dort auch wieder investiert. Dort sind auch drei Viertel der von den 58 größten Infrastrukturinvestoren gehaltenen Portfoliogesellschaften angesiedelt.
Weniger und kleinere Transaktionen
Die Infrastrukturfonds haben 2024 laut Studie weniger Transaktionen durchgeführt. Die weltweit insgesamt 428 (i.V. 497) Abschlüsse hatten ein durchschnittliches Volumen von rund 2 (2,2) Mrd. Dollar. Die Zahl der Megadeals ab 1 Mrd. Dollar legte allerdings auf 83 (74) zu. Zur Begründung wird auf die teuer eingekauften Assets, Bewertungsungleichgewichte und die nur langsam wieder in Gang kommenden Transaktionen zwischen Sponsoren verwiesen. Einige verkaufen deshalb inzwischen Teil-Assets in Etappen, erwägen Börsengänge oder schieben die Assets in Anlagevehikel, die langfristig bestehen bleiben sollen.
Energie und Entsorgung
Infrastrukturfonds haben 2024 überwiegend in die Bereiche Energie und Entsorgung investiert. Es folgen Transport und Logistik sowie digitale Infrastruktur. Schlusslicht ist mit deutlichem Abstand die soziale Infrastruktur. Neuere Themen, die Investoren stark interessieren, sind nach Angaben von Schmundt (Batterie-)Speicher, Wärmenetze, die intensivere gemeinsame Nutzung von Mobilfunktürmen (Frequenzteilung), Bodenstationen von Satellitenbetreibern, wie z.B. die jüngste Transaktion von EQT und Eutelsat zeigt, sowie das neue Investitionsfeld „Industrial Infrastructure“. Zu letzteren gehören zum Beispiel Produktionsdienstleister in der Pharmabranche oder Testlabore, die Zertifizierungen bieten. Bei Rechenzentren wird die langfristig ausreichende Bereitstellung von Energie zum Erfolgsfaktor.