BGH-Urteil schmälert Bankenergebnisse
Von Bernd Neubacher, Frankfurt
Mit Blick auf die Urteile des Bundesgerichtshofs zu Kontogebühren und Prämiensparverträgen sowie auf die Effekte von Teuerung und Pandemie nimmt die Prüferzunft die Banken an die Kandare. Laut dem Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) sollen Prüfer von Banken in der Bilanzsaison 2021 sicherstellen, dass die Institute Erträge aus unwirksamen Erhöhungen von Kontogebühren in Rückstellungen umwandeln – konkret jene, die sie seit dem BGH-Urteil Ende April erzielt haben.
„Kein Rechtsanspruch“
Dies geht aus dem aktuellen Sitzungsbericht des Bankenfachausschusses (BFA) des IDW hervor. „Der Differenzbetrag zwischen (zu Unrecht) erhöhter Gebühr und rechtlich ,sicherer‘ Gebühr“ dürfte „spätestens seit der Verkündung des BGH-Urteils bis zum Abschluss einer neuen rechtswirksamen Vereinbarung nicht erfolgswirksam vereinnahmt werden, da hierfür dem Grunde nach kein Rechtsanspruch besteht“, heißt es dort.
„Da die Entwicklung der Erträge ein wichtiger Erfolgsfaktor für eine Bank ist, wird die Frage zu klären sein, inwieweit ein Rückgang auf das ordentliche Geschäft bzw. auf das Urteil des BGH zurückzuführen ist“, sagt IDW-Vorstandssprecher Klaus-Peter Naumann der Börsen-Zeitung mit Blick auf die Bilanzsaison 2021. Darüber hinaus müssen Banken bzw. ihre Prüfer untersuchen, ob sie Vorsorge treffen müssen für Zahlungen an Kunden, die Gebühren aus früheren Erhöhungen per Zustimmungsfiktion zurückfordern. Maßstab dafür sollen Prognosen zum Ausmaß solcher Begehren sein. Beobachtern zufolge wurde die Zahl solcher Forderungen formulierender Kunden in vergleichbaren Fällen in der Vergangenheit eher überschätzt. Andererseits hat die BaFin erst Ende Oktober die Institute dazu aufgefordert, ihre Kunden klar und verständlich über die Konsequenzen des BGH-Gebührenurteils zu unterrichten; solche Transparenz könnte das Volumen der Rückforderungen erhöhen. Bei der Ermittlung etwaiger Rückstellungen müssen Banken laut IDW „grundsätzlich erhobene (höhere) Gebühren der Jahre ab 2018 betrachten“. Für die Frage, ob unwirksame AGB-Klauseln vorlägen, seien jedoch auch die Jahre vor 2018 zu analysieren, da Änderungen in dieser Zeit in spätere Jahre ausstrahlen könnten.
Transparenz ist gefragt
Naumann zufolge sorgen neben der Rechtsprechung des BGH auch die Pandemie sowie die Inflation dafür, dass die Abschlüsse der Banken 2021 „mit besonderer Unsicherheit behaftet“ sind. Im Ergebnis nehme die Komplexität der Berichterstattung womöglich zu. „Wenn aber die Unsicherheit zunimmt, sollten die Banken dem Rechnung tragen. Sonst würde ihr Bericht die Risikosituation nicht angemessen widerspiegeln“, sagt er.
Mit den Folgen hat sich der Bankenfachausschuss, nachdem die Inflation bundesweit im November auf 6% gesprungen ist, Naumann zufolge zum ersten Mal seit einer langen Zeit wieder befasst. „Unsere Erwartung ist, dass Banken die Effekte der Teuerung sauber analysieren, daraus die richtigen Schlüsse ziehen und ihre Annahmen im Lage- und Prognosebericht transparent machen“, erklärt er. Hält die Teuerung an, ist demnach etwa die Bewertung von Aktiva zu thematisieren. Kann ein Unternehmen Preissteigerungen nicht weitergeben, drückt dies tendenziell den Wert seiner Anteile. Je höher der Zinssatz klettert, umso stärker fällt zugleich der Barwert. Müsste die Notenbank der Teuerung mit Zinserhöhungen begegnen, würde dies wiederum potenziell den Wert nicht variabel verzinster Aktiva mindern.
Angesichts der vierten Pandemiewelle legt das IDW Banken und Prüfern zudem ans Herz, auf weitere Auflösungen von Risikovorsorge, wie sie zuletzt vielfach zu beobachten waren, fortan zu verzichten und das momentane Niveau zumindest beizubehalten. Auch sollten Banken ihre entsprechenden Modelle, welche auf Basis der Vergangenheit weiterhin eine geminderte Risikovorsorge nahelegen dürften, im Lichte der jüngsten Ereignisse überprüfen und gegebenenfalls anpassen, heißt es. Schon der bisherige Verlauf der Pandemie habe Unternehmen bestimmter Branchen an die Grenzen gebracht, was Eigenkapital und Liquidität betreffe, gibt Naumann zu bedenken. Hilfen seien vielfach ausgelaufen. All dies beeinflusse das Kreditausfallrisiko der Banken. Mit seiner Position sieht sich das IDW auf einer Linie mit dem europäischen Prüferverband Accountancy Europe und dessen Banks Working Party, wie Daniel Siegel sagt, Fachkoordinator Financial Services.
Vorsichtiger Ansatz
Nicht ganz so hoch wie im Falle der vom BHG kassierten Gebührenerhöhungen ist die Zahl der Institute, die sein Urteil zu Prämiensparverträgen betrifft. Im Einzelfall kann es dennoch heftig zu Buche schlagen. „Wir gehen davon aus, dass Kreditinstitute auch dafür Rückstellungen für Forderungen von Kunden bilden müssen“, sagt Naumann nach der Anregung des BGH, Prämiensparverträgen einen sachgerechten Zinssatz, etwa jenen für langfristige Spareinlagen, zugrunde zu legen. „Unsere Erwartung ist, dass man auch hier das Vorsichtsprinzip beherzigt und in der Tendenz einen vorsichtigen Ansatz wählt.“
Der Bankenfachausschuss hat bereits klargestellt, dass dies „unabhängig davon“ gelte, ob ein Kreditinstitut „gegen die Allgemeinverfügung der BaFin vom 21. Juni 2021 Widerspruch eingelegt hat“. Diese hat die Institute verpflichtet, Prämiensparkunden über unwirksame Zinsanpassungsklauseln zu informieren.