Big Techs fordern die Aufpasser
Big Techs bringen Banken, aber auch Regulatoren, Aufseher, Wettbewerbs- und Verbraucherschützer unter Zugzwang. Netzwerkeffekte verschafften Facebook, Tencent, Amazon und Co. eine Marktmacht bis hin zu “digitalen Monopolen”, warnt die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich. fir Frankfurt – Big Techs können Finanzdienstleistungen effizienter anbieten und sie leichter zugänglich machen als klassische Banken, bergen aber wegen ihrer Marktmacht auch erhebliche Risiken. Habe eine Plattform erst einmal eine kritische Größe erreicht und die Markteintrittsbarrieren erhöht, hätten potenzielle Rivalen dem wenig entgegenzusetzen. “Sie können ihre Marktmacht und Netzexternalitäten ausnutzen, um die Wechselkosten für Kunden zu erhöhen oder mögliche Wettbewerber auszuschließen”, schreibt die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), die Bank der Zentralbanken, in ihrem jährlichen Wirtschaftsbericht in einem vorab veröffentlichten Kapitel über Big Techs im Finanzbereich. Der ganze Bericht wird am Sonntag veröffentlicht. Marktkräfte versagen Internationale Tech-Konzerne wie Amazon, Facebook, Alipay, Baidu, Tencent oder Rakuten, die in die angestammten Tätigkeitsgebiete der Banken drängen, profitieren dabei von Daten, die sie aus ihren eigenen Ökosystemen jenseits der Finanzdienstleistungen – sozialen Netzwerken, Suchmaschinen, E-Commerce – erhalten. Hinzu kommen Netzexternalitäten, d. h., Daten gewinnen an Wert, je mehr Daten hinzukommen, die dann kombiniert werden können. Damit wächst auch der Nutzen für die Teilnehmer. Weil sich Big Techs deshalb mehr Vorteile durch Daten verschafften als klassische Akteure, könne das freie Spiel der Marktkräfte zu unerwünschten Wettbewerbsergebnissen führen, resümiert die BIZ. Wenn Bankkunden Big Techs unbegrenzten Zugang zu ihren Bankdaten gewähren würden, könnte das die wettbewerbsverzerrenden Vorteile für die neuen Finanzakteure noch verstärken.Dabei gehen bislang im Schnitt nur 11 % der Einnahmen von Big Techs auf Finanzdienstleistungen zurück (s. Grafik), wie die BIZ unter Berücksichtigung von Alibaba, Alphabet, Amazon, Apple, Baidu, Facebook, Grab, Kakao, Mercado Libre, Rakuten, Samsung und Tencent berechnet hat. Am stärksten seien chinesische Tech-Firmen in die Finanzwelt vorgedrungen, heißt es. Allgegenwärtig sind dort Alipay, der Bezahldienst des Onlinehandelskonzerns Alibaba, und der Internetkonzern Tencent, der per Wechat Bezahlfunktionen anbietet. Aber auch in den Schwellenländern Südostasiens, in Ostafrika und Lateinamerika expandierten Big Techs rasch. Bisher haben sie sich der BIZ zufolge darauf konzentriert, Basisfinanzdienstleistungen anzubieten und als Distributionskanal für Drittparteien zu fungieren, vor allem für Vermögensverwaltungsservices und Versicherungsprodukte.Die von Facebook vor einer Woche vorgestellten Pläne für die Kryptowährung Libra konnten die Studienautoren noch nicht berücksichtigen. Mit aktuell 28 Partnern, darunter Visa, Mastercard, Paypal, Uber, Vodafone und Spotify, hat das Unternehmen die in der Schweiz ansässige Betreibergesellschaft Libra Association gegründet. Beabsichtigt ist, Libra später als vollwertiges Zahlungsmittel einzusetzen. Die Pläne finden bei Aufsehern und Datenschützern weltweit wenig Wohlwollen, fürchten sie doch die Marktmacht von Facebook mit 2,5 Milliarden Nutzern und die möglichen, von Libra ausgehenden Schockwellen für das etablierte Finanzsystem. “Angesichts ihrer Dimension und Technologie eröffnet sich Big Techs die Möglichkeit, riesige Mengen an Daten nahezu kostenfrei zusammenzutragen. Das ruft ,digitale Monopole` oder ,Daten-opole` hervor”, schreibt die BIZ. Diese könnten ihre Daten nicht nur nutzen, um die Kreditwürdigkeit eines potenziellen Kreditnehmers einzuschätzen, sondern versetze sie in die Lage, den höchsten Zinssatz oder auch die höchste Versicherungsprämie zu ermitteln, den er zu zahlen bereit wäre. Die Nutzung massenhafter persönlicher Daten könnten zudem zum Ausschluss risikobehafteter Gruppen vom Versicherungsmarkt führen.Big Techs stellten staatliche Behörden vor neue Herausforderungen, weil der Markteintritt neuer Gesellschaften nicht zu mehr Wettbewerb, sondern im Gegenteil zu dessen Beschränkung führen könne. Der traditionelle Fokus der Wettbewerbsbehörden auf einen bestimmten Markt, auf Firmengröße, Preis und Marktkonzentration greife im Fall der Big Techs zu kurz. Um gleiche Spielregeln für alle Finanzmarktakteure zu schaffen, müssten Aspekte der Finanzstabilität, des Wettbewerbs und des Datenschutzes berücksichtigt sowie gegeneinander abgewogen werden, und es bedürfe institutioneller Mechanismen zur Abstimmung auf nationaler und internationaler Ebene. Jüngst hatte Sparkassenpräsident Helmut Schleweis vor der Gefahr monopolartiger Strukturen und der Abhängigkeit der Nutzer durch Big Techs gewarnt und sich für ein digitales Ordnungsrecht stark gemacht (vgl. BZ vom 7. Juni).