ESG

Bill Gates, Larry Fink und nachhaltige Sparkassen

Um die Anforderungen der Nachhaltigkeit zu bewältigen, brauchen Deutschlands Sparkassen Arbeitsteilung, Mut und starke Verbände, meint Annegret Saxe, stellvertretende Vorständin der Sparkasse Münsterland Ost.

Bill Gates, Larry Fink und nachhaltige Sparkassen

Eine neue Formel in der nachhaltigen Sparkassenwelt: 17 SDG × 3 ESG × 6 DSGV × 2 BaFin. Klingt komplex – ist es auch. Die Erklärung: Es gibt siebzehn UN-Nachhaltigkeitsziele, abgekürzt SDG. Diese umspannen die drei Bereiche Ökologie, Soziales, Ökonomie, auf Englisch Environment, Social, Government (ESG). Je Sparkasse sieht der DSGV sechs nachhaltigkeitsrelevante Handlungsfelder und die BaFin bittet bei dem Thema um die Betrachtung aus zweierlei Perspektiven: outside-in und inside-out. Nun muss das Produkt nur noch mit n Verordnungen, delegierten Rechtsakten etc. multipliziert werden und fertig ist das Nachhaltigkeitsdickicht.  

Regelfülle kann verunsichern

Einem solchen begegnet man neuerdings ja mit einem „Deep Dive“. Wer in das erwähnte Dickicht eintaucht, erfährt, dass zukünftig mit Blick auf die EU-Taxonomie rund 1000 neue Datenfelder für eine berichtspflichtige Sparkasse wie die Sparkasse Münsterland Ost zu befüllen sind. Wohlgemerkt nur für das E von „ESG“, die Anforderungen und somit die Anzahl der Datenfelder für G und S stehen noch aus. Noch tiefer getaucht heißt das, dass jedes Finanz­institut überprüfen muss, ob seine Wirtschaftstätigkeiten ökologisch nachhaltig im Sinne der EU-Taxonomie sind oder nicht. Dabei definiert die EU-Taxonomie „ökologisch nachhaltig“ über sechs Umweltziele, operationalisiert über eine Vielzahl von Kriterien. Für ein konkretes Beispiel aus der Sparkassenwelt tauchen wir noch ein paar Meter tiefer: Für die Tätigkeit „Kreditvergabe für den Erwerb einer Eigentumswohnung“ lässt sich noch relativ leicht die Taxonomiefähigkeit über die Zuordnung zu einem entsprechenden Code feststellen. Für die Feststellung, ob diese taxonomiefähige Wirtschaftstätigkeit aber auch taxonomiekonform ist, muss beispielsweise für das Umweltziel 3 („Schutz von Wasserressourcen“) zukünftig der maximale Wasserdurchfluss für Handwaschbecken bekannt sein. Der ist bei sechs Litern pro Minute taxonomiekonform – für Duschen dürfen es zwei Liter mehr pro Minute sein.  

Hand aufs Herz: Das kann verunsichern. Aber alles ist eine Frage der Perspektive und Haltung – und hierhin gilt es den Fokus zu lenken. Ja, es werden zighundert oder eher zigtausend Seiten Regulatorik zu lesen und umzusetzen sein. Aber das braucht uns nicht zu schocken, das ist Grundvoraussetzung für unser Kerngeschäft und wir machen genau dies seit Jahren.

Eine sechste Marisk-Novelle liefert an diversen Stellen Diskussionsbedarfe, Umstellungen etc., aber sie haut uns nicht um, wir setzen sie um. Das Know-how haben wir in jeder Sparkasse, unterstützt von starken Verbänden und Verbundpartnern. „Eine zügige Umsetzung liegt als wichtiger Zukunftsfaktor nicht zuletzt im Interesse der Kundinnen und Kunden und ist damit auch im Fokus der Sparkassen-Träger“ – diese gemeinsame Einschätzung unseres Verwaltungsratsvorsitzenden Dr. Olaf Gericke und des Zweckverbands-Vorsitzenden Markus Lewe lässt keinen Zweifel: Auch die kommunalen Träger werden ihren Sparkassen die Nachhaltigkeit ins Pflichtenheft schreiben. Folglich bleibt festzuhalten: Deep Dive zur Kenntnis und in Angriff genommen.

Zusätzliche Berechtigung

Viel wichtiger ist etwas anderes: Seit Jahren kämpfen Sparkassen und Genossenschaftsbanken für ihre Sichtbarkeit, Akzeptanz und Bedeutung auf europäischer Ebene. Nun – so zumindest das Verständnis unseres Vorstandsteams – antwortet die EU laut und deutlich. Indem die europäische Politik dem Finanzsektor eine Schlüsselrolle für die nachhaltige Transformation der Gesamtwirtschaft zugeschrieben hat, bestätigt sie nach unserer Einschätzung gleichzeitig den dreigeteilten deutschen Bankensektor und misst dessen Regionalinstituten eine zusätzliche Existenzberechtigung bei. Denn wie sollte der Weg der Transfor­mation ohne Letztere beschritten werden?

Der Weg der schrittweisen Transformation sollte an jeder kleinen Stelle eines lokalen Wirtschaftssystems begonnen werden, um die ambitionierten Nachhaltigkeitsziele erreichen zu können. Wer könnte hier den Dialog mit den Wirtschaftseinheiten vor Ort suchen und Anschub für die Transformation geben, wenn nicht die regionalen Institute? DSGV-Präsident Helmut Schleweis sagt es deutlich: Es kann klappen, wenn wir möglichst alle auf den Weg der Transformation mitnehmen. Das heißt auch, es geht eben nicht um ein schnelles Aussortieren und anschließendes Fokussieren auf die „Best-in-Class-Unternehmen“, um dem HKS13-Rot möglichst schnell einen grünen Rahmen zu geben. Es geht uns Sparkassen um alle Kundinnen und Kunden, privat wie gewerblich, und – siehe oben – es wird herausfordernd.

Freude macht da vielleicht erst mal nur, dass Bill Gates’ „Banking is necessary, banks are not“-Credo spätestens jetzt überholt ist. Die ge­samtgesellschaftliche, hochdringliche Aufgabe der Transformation wird ohne Sparkassen und Genossenschaftsbanken nicht gelingen können. Ob sie mit ihnen gelingt, ist natürlich auch noch nicht klar. Aber mit ihrer regionalen Verankerung, dem Denken in Wirtschaftskreisläufen und ihrer DNA, seit jeher betriebswirtschaftliche Notwendigkeit mit dem öffentlichen (oder genossenschaftlichen) Auftrag zu verknüpfen, haben wir gute Startpositionen, die es jetzt selbstbewusst und mutig zu nutzen gilt.

Mut ist gefordert

Drei Punkte sind dabei für die Sparkassen wichtig. Erstens: eine kluge und effiziente Arbeitsteilung, bestehend aus gelebter Dezentralität für die unendlich vielen notwendigen Einzelschritte vor Ort einerseits und effizienter Zentralität für die erfolgreiche und schnelle Umsetzung aller regulatorischen Notwendigkeiten andererseits. Hier sind Sparkassen mit ihren starken Verbundpartnern gut aufgestellt. Zweitens: der Mut eines jeden einzelnen Instituts, den Weg zu mehr Nachhaltigkeit einzuläuten und sich von der vermeintlichen „Greenwashing-Schockstarre“ zu lösen. Absolute Ernsthaftigkeit an den Tag zu legen und ausreichend Respekt vor der oben beschriebenen Rechenaufgabe „17 × 3 × 6 × 2 × n“ zu haben ist richtig, aber Stillstand aus Angst vor der Größe der Aufgabe keine Lösung. Drittens: starke Verbände, die sich für Rahmenbedingungen einsetzen und das fast Unmögliche bezahlbar und somit möglich machen.

Es bedarf der Unterstützung

Bei einem Finanzierungsbedarf, der weit über die Kosten der deutschen Wiedervereinigung hinausgeht, bedarf es unterstützender Maßnahmen, wie etwa eines bereits geforderten Transformationsfaktors bei der Eigenmittelunterlegung von Krediten für die nachhaltige (und digitale) Transformation. Andernfalls werden Hausbanken bei der notwendigen Finanzierung der vielen großen und kleinen Transformationsinvestitionen an ihre Grenzen stoßen.

Es gibt also auf allen Ebenen genug zu tun. Ein Warten aufeinander kann für den Sparkassensektor nicht die Lösung sein. Ziel muss sein, dass zukünftig beim Thema „Nachhaltigkeit und Investment“ nicht mehr an erster Stelle BlackRock genannt wird, sondern eine selbstverständliche Verknüpfung zu uns Sparkassen gelingt. Legen wir unsere gesamte dezentrale Kraft der 370 Sparkassen zusammen, können wir es sowohl mit Bill Gates als auch mit Larry Fink aufnehmen. Fangen wir also einfach beherzt an, denn letztlich braucht es für eine generationsgerechtere Welt den Einsatz aller.

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