Blase trotz niedriger Zinsen nicht in Sicht

Gewerblicher Immobilienmarkt in Deutschland entwickelt sich seit 2009 stetig positiv - Übernachfrage mit steigenden Preisen vor allem bei Core-Immobilien

Blase trotz niedriger Zinsen nicht in Sicht

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat die Geldpolitik seit Herbst 2008 zur Überwindung der Rezession und zur Stabilisierung des Finanzsystems massiv gelockert. Der Leitzins (Hauptrefinanzierungssatz) wurde von 4,25 % auf zuletzt 0,5 % gesenkt; der Tagesgeldsatz unter Banken (Eonia) liegt seit Herbst 2012 unter 0,1 %, der Dreimonatssatz (Euribor) seither bei rund 0,2 %. Trotz eingeführter Maßnahmen dauert die Rezession in den Krisenländern immer noch an. Keine Änderung absehbarDie Erwartungen in den Märkten gehen von keiner gravierenden Änderung der Geldpolitik auf mittlere Sicht aus. Eine über so lange Zeit expansive Geldpolitik hat es in den letzten sechzig Jahren nicht gegeben. Während dieser Kurs der EZB für die tief in einer Anpassungsrezession verharrenden Länder der Währungsunion hilfreich und mit geringen Risiken verbunden erscheint, stößt er in Deutschland aus folgenden Gründen zunehmend auf Kritik: Sehr niedrige Zinsen können einerseits zu Fehlinvestitionen der Bankkunden führen, die sich nur so lange rechnen, wie die Finanzierungskosten ungewöhnlich niedrig sind. Die sehr günstige Refinanzierung der Banken bei der Notenbank sowie am Kapitalmarkt könnte andererseits volumengetriebene Kreditgeber veranlassen, die Kreditwürdigkeit der Kunden zu großzügig zu beurteilen. Zudem verliert die Risikostruktur des Kreditgebers beim Einkauf des Geldes an Bedeutung. Banken mit einem risikoreichen Profil kaufen Geld ebenfalls billig ein. Eine Wettbewerbsverzerrung im Bankenwettbewerb ist die erwartete Konsequenz.Diese Wirkung der niedrigen Zinsen und die reichliche Liquidität führen zu steigenden Preisen von Vermögenswerten wie Immobilien und Aktien. Insgesamt erweist sich eine lange Phase sehr niedriger Zinsen bedingt durch geldpolitische Eingriffe unter dem Gesichtspunkt der Markteffizienz als nachteilig. Wie ist der Immobilien-Investmentmarkt in Deutschland vor diesem Hintergrund zu beurteilen, und wie verhalten sich die Banken in diesem Umfeld?Der deutsche Immobilien-Investmentmarkt, mit Transaktionen von gewerblichen Immobilien und Wohnportfolios, hat sich nach einem spektakulären Einbruch seit 2009 stetig positiv entwickelt. Lag das Transaktionsvolumen infolge der Finanzkrise 2009 noch bei rund 38 Mrd. Euro (Quelle: DIP), so stieg dieser Wert bis 2012 stetig auf ca. 59 Mrd. Euro an. Die meisten Prognosen für 2013 gehen von einer ähnlichen Größenordnung wie 2012 aus.Die Nachfrageseite auf dem Immobilien-Investmentmarkt wird aktuell auch durch das niedrige Zinsniveau geprägt. Die durchschnittliche Umlaufrendite für Bundesanleihen sank seit Ende 2008 von rund 3 % auf derzeit rund 1,6 %. In Verbindung mit der üppig vorhandenen Liquidität und hohen Spreads bezogen auf 10-jährige Bundesanleihen von ca. 2,5 % (Core) bis 5,5 % (z. B. Logistik) genießt der Immobilien-Investmentmarkt eine hohe Anziehungskraft. Hinzu kommt die robuste wirtschaftliche Entwicklung mit verlässlichen Rahmenbedingungen in Deutschland, die sich zusammen mit den wenig spekulativ errichteten Immobilien positiv auf Leerstände und somit auf den Cash-flow auswirken. Weiter sinkende RenditenDiese Situation hat zu einer Übernachfrage mit steigenden Preisen in den meisten Immobilien-Assetklassen und insbesondere bei Core-Immobilien geführt. Historisch gesehen sind die Nettoanfangsrenditen bereits sehr niedrig, aber angesichts des Niedrigzinsniveaus kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Renditen weiter sinken beziehungsweise die Preise weiter steigen.Trotz der hohen erzielbaren Immobilienpreise steht jeder Verkäufer allerdings vor der Aufgabe, einen etwaigen Verkaufserlös in einer ähnlichen Risikoklasse sinnvoll zu reinvestieren. Der Anlagenotstand wird das Angebotsvolumen und somit auch das Transaktionsvolumen insbesondere im Core-Segment insoweit zusätzlich limitieren, wovon Verkäufer von Core+ und B-Standorten profitieren dürften. Das Nadelöhr bleiben also die guten Immobilien.Der deutsche Investmentmarkt verfügt insbesondere in der Niedrigzinsphase über eine hohe Attraktivität, was auch der Anteil ausländischer Investoren von ca. 40 % am Transaktionsvolumen unterstreicht. Allerdings geht die Schere zwischen Angebot und Nachfrage immer weiter auseinander. Alles dies wird die Diskussion um eine Blasenbildung auch mittelfristig befeuern.Vor Ausbruch der Finanzmarktkrise wurde wenig Eigenkapital in Transaktionen eingebracht. Es wurden sehr hohe Leverages über strukturierte Finanzierungen unter Einbindung der Banken ermöglicht. Die Renditeanforderungen waren hoch und konnten kalkulatorisch dadurch erreicht werden, dass Eigenkapitalrisiken teilweise von den Kreditgebern beinahe wie Fremdkapitalrisiken bewertet wurden. Core+-Immobilien mit vermeintlichen Wertsteigerungspotenzialen und überzogenen Renditeanforderungen wurden in großem Maßstab transferiert und finanziert. Dies waren klare Signale einer Blasenbildung auch in Deutschland. Werterhalt statt RenditeHeute ist genau das Gegenteil der Fall. Die Banken sind konservativer bei der Kreditvergabe, und die Investoren haben ihre Renditeansprüche reduziert und setzen in erster Linie auf Werterhalt. Aufgrund fehlender Anlagealternativen bringen vor allem die institutionellen Investoren deutlich mehr Eigenkapital in die Transaktionen ein. Dieser hohe Eigenkapitalpuffer wirkt gegen einen möglichen Wertverfall und beugt einer Blasenbildung vor.Abzulesen ist die genannte Entwicklung an dem gestiegenen gewerblichen Transaktionsvolumen, dem eine deutlich geringere Zunahme des Finanzierungsvolumens gegenübersteht. Das Finanzierungsvolumen der Immobilienbanken blieb nahezu konstant. Ich sehe keine Wertsteigerung “auf Pump”.Den Banken bietet sich im Augenblick die Möglichkeit, gute Transaktionen langfristig zu finanzieren. Sie achten hierbei aber angesichts des niedrigen Zinsniveaus verstärkt auf angemessene Exit-LTVs (Beleihungsquote Loan-to-Value – d. h., bei relativ hohen anfänglichen LTVs wird eine adäquate Tilgung verlangt) und eine ausreichende und nachhaltige Kapitaldienstfähigkeit, die zum Laufzeitende des Kredites bei mindestens 6 bis 8 % liegen sollte, so dass auch eine mögliche Prolongation und damit Rentabilität des Projektes zukünftig bei steigenden Zinsen gewährleistet ist.Darüber hinaus zahlt sich für die deutschen Pfandbriefbanken und die Investoren eine gute Qualität des Deckungsstockes aus. Immobilieninvestoren in Deutschland haben damit Zugang zu einer sehr sicheren und günstigen Refinanzierungsquelle im Bereich des Realkredites. Der Pfandbrief gewinnt sogar noch unter dem Basel-III-Regime an Bedeutung, da diese Papiere für Banken und Versicherungen zur Einhaltung der Liquiditätskennziffern LCR (Liquidity Coverage Ratio) und NSFR (Net Stable Funding Ratio) neben Bundeswertpapieren ins Portfolio gekauft werden können. Generell hat sich der Pfandbrief während der Finanzkrise als sehr stabile Wertanlage erwiesen und wirkt mit seinen strengen Deckungsstockregularien ebenfalls einer Blasenbildung entgegen. Attraktiv für InvestorenDer deutsche Immobilieninvestmentmarkt strahlt aktuell eine große Attraktivität auf in- und ausländische Investoren auch mangels Anlagealternativen aus. Trotz einer erheblichen Übernachfrage nach guten gewerblichen Immobilien sehen wir derzeit keine Blasenbildung, da die Investoren deutlich mehr Eigenkapital als in der Vergangenheit einsetzen und die Banken aufgrund ihrer geschäftspolitischen Leitplanken und der zu erwartenden regulatorischen Anforderungen weiterhin moderat finanzieren werden. Überdies ist dort, wo partiell die Preise stärker steigen als die Mieten, nämlich in den deutschen Top-Standorten eben auch die Nutzernachfrage – nicht nur das Interesse der Finanzinvestoren – stark ausgeprägt.—Von Edgar Zoller, Stellvertretender Vorsitzender des Vorstands der BayernLB