Blockchain nimmt Kurs auf Nachhandelsmarkt

Zentralverwahrer und Notenbanken prüfen Distributed-Ledger-Technologie für den Masseneinsatz - Euroclear sieht viele Vorteile

Blockchain nimmt Kurs auf Nachhandelsmarkt

In der Abwicklung von Geld- und Wertpapiertransaktionen biete der Einsatz der Distributed-Ledger-Technologie Vorteile, meint der Zentralverwahrer Euroclear. Doch fehle ein regulatorischer Rahmen, der zur Verbreitung der Blockchain beitrage. Die Europäische Zentralbank startet derweil eine Blockchain-Kooperation mit der Bank of Japan.Von Dietegen Müller, FrankfurtIn der Zahlungs- und Wertpapierabwicklung kündigt sich vernehmbar ein technologischer Umbruch an. Die jüngste Nachricht, die darauf hinweist, ist das Forschungsprojekt der Europäischen Zentralbank zusammen mit der Bank of Japan zum Einsatz der Distributed-Ledger-Technologie (DLT) in globalen Zentralbank-Dienstleistungen. DLT ermöglicht, Transaktionen ohne das Dazwischenschalten eines Intermediärs, der etwa Kredit- oder Erfüllungsrisiken abnimmt, abzuwickeln. Parallelen zu T2S-EinführungEZB-Direktoriumsmitglied Yves Mersch hatte am Dienstag in einer Rede erklärt, nach Beobachtung der Notenbank würde sich die Anwendung der DLT derzeit vor allem darauf konzentrieren, dass Marktteilnehmer sie entweder zur Steigerung ihrer internen Effizienz zu nutzen versuchen, oder aber dass eine Gruppe bedeutender Marktteilnehmer DLT-Modelle einführe und diese eine “kritische Masse” erreichten, was “die Umstellung ganzer Marktsegmente auf die DLT” ermögliche. Die Distributed-Ledger-Technologie liegt als Blockchain-Technologie der virtuellen Währung Bitcoin zugrunde, doch besteht für ihren Einsatz bisher noch kein regulatorischer Rahmen.Mersch zog in puncto DLT Parallelen zur Einführung des europäischen Abwicklungssystems T2S, an dem ab Februar 2017 auch der Zentralverwahrer Clearstream angedockt sein soll. T2S habe zu einer “beispiellosen Harmonisierung im Nachhandel geführt”. Die EZB werde nun “weiter prüfen”, ob die Fortschritte bei den DLT-basierten Lösungen zu einem Dienstleistungsniveau führen könnten, das dem des Zahlungsverkehrssystems Target2 und dem Wertpapierabwicklungssystem T2S “entspricht oder dieses sogar übertrifft”.Statt einem “Grüne-Wiese-Ansatz zu folgen”, konzentriere sich die EZB dabei, so Mersch, auf konkrete Fragen wie: “Können die derzeitigen liquiditätssparenden Merkmale über sogenannte Smart Contracts angeboten werden?” Dabei gehe es um den Einsatz “im Massenbetrieb”, aber auch um die Bereitstellung von Schnittstellen. So soll etwa untersucht werden, ob eine Zentralbank eine DLT-Umgebung mit Zentralbankgeld versorgen und die im Umlauf befindliche Menge an Zentralbankgeld steuern könne. Oder ob ein Treuhänder aus dem Privatsektor dafür sorgen könnte, “dass die im Umlauf befindlichen Werte in einer DLT-basierten Lösung vollständig mit einem entsprechenden Betrag an Zentralbankgeld unterlegt sind, das außerhalb des DLT-Umfelds gehalten wird”. Auch die Bundesbank hat kürzlich eine Kooperation mit der Deutschen Börse, zu welcher der Zentralverwahrer Clearstream gehört, für einen Blockchain-Prototypen bekannt gegeben. Integrierte RegulierungDer internationale Zentralverwahrer Euroclear stellt davon unabhängig in einem Arbeitspapier fest, der derzeitige regulatorische Rahmen sei nicht geeignet, eine “weite Verbreitung der DLT-Nutzung zu fördern”. Doch solle etwa der Einsatz der DLT durch einen Zentralverwahrer “an sich keine spezifischen regulatorischen Genehmigungen” auslösen. Es gehe hier um eine Frage der Anwendung einer Technologie durch bereits regulierte Marktinfrastrukturen. Übersetzt meint dies, die Verwendung der Blockchain sollte nicht in einem separaten Genehmigungsprozess geregelt sein, sondern wenn möglich in bestehende Regularien integriert werden.Leitlinien dazu sollten, so Euroclear, durch die Europäische Bankenaufsicht (EBA), die Wertpapier- und Marktaufsicht (ESMA) oder durch das Committee on Payments and Market Infrastructures (CPMI) und die Organisation Internationaler Wertpapieraufseher (IOSCO) ausgearbeitet werden. Offen sei auch, inwieweit zentrale Aufsichtsbehörden notwendig sind, um etwa Smart Contracts oder die Ausgabe von Vermögenswerten über DLT-Modelle zu managen. Die Aufseher könnten als beobachtende “Knoten” in einem Blockchain-basierten Abwicklungssystem ins Spiel kommen, so das Papier. Auch seien gemeinsame technologische Standards angezeigt.Das Papier wurde unter anderem von Paul Symons, Head of Government Relations, und Angus Scott, Head of Product Strategy and Innovation, mit der Wirtschaftskanzlei Slaughter and May erarbeitet. Euroclear hält fest, es gebe viele offene Fragen, etwa “die Teilnahme der Zentralbanken in einer DLT-Umgebung und die Verwendung von Zentralbankgeld in der DLT-Wertpapierabwicklung” sowie “die Interoperabilität zwischen DLT- und Nicht-DLT-Systemen” – genau diese Punkte, welche die EZB untersuchen will. “Es gibt viel, was Regulierer und Marktteilnehmer an Blockchain-basierten Abwicklungssystemen mögen – von signifikanten Einsparungen aus geringeren Latenzzeiten und unnötigen Dopplungen im System bis hin zu stärkeren Garantien in der Abstimmung von Transaktionen”, heißt es in dem Papier zuversichtlich. Geringere VerwahrrisikenSo würden sich Settlement-Latenzzeiten verringern und in den mitunter verschlungenen Verwahrketten auch Verwahrrisiken “signifikant verringern”. Im Fall der Insolvenz der US-Investmentbank Bear Stearns hatte sich dieses Risiko darin gezeigt, dass die Anzahl der von Bear Stearns ausgegebenen Aktien nicht mit der Zahl der insgesamt von den verschiedenen Depotstellen erfassten Titeln übereingestimmt hatte. Für die zu viel vorhandenen Titel musste am Ende der Käufer von Bear Stearns, J.P. Morgan, geradestehen.Geklärt werden müsse auch, was geschehen würde, wenn die Technologie ganz “freigesetzt” würde. Etwa was die Endgültigkeit von Transaktionen anbelangt, wenn es individuell ausgehandelte Smart Contracts gebe, die von Investoren direkt in einem Register gehalten würden. Daraus würden sich auch Fragen für die Liquiditätsversorgung des gesamten Finanzsystems ableiten, wenn etwa “jedes Wertpapier sein eigenes Mini-Settlement-System” darstellt. Und wer die Registrierstelle sei, der die Verpflichtungen letztlich fixiert.