Ulli Spankowski

Börse Stuttgart weitet Kryptohandel aus

Die Börse Stuttgart sieht ihr Heil in Kryptowährungen. Der Handel via Bison-App soll ausgeweitet werden, kündigt Chief Digital Officer Ulli Spankowski an: zum einen um neue digitale Währungen, zum anderen über den Einstieg in weitere Märkte. Dutzende zusätzlicher Mitarbeiter werden eingestellt.

Börse Stuttgart weitet Kryptohandel aus

Von Thomas Spengler, Stuttgart

Die Börse Stuttgart weitet den Kryptohandel per Smartphone stark aus. „Wir geben richtig Gas“, sagt Ulli Spankowski, Chief Digital Officer der Gruppe Börse Stuttgart, über die Ausbaupläne für die 2019 an den Start gegangene App Bison, mit der bisher die vier Kryptowährungen Bitcoin, Ethereum, Litecoin und Ripple gehandelt werden können. Dabei soll’s freilich nicht bleiben. Bis Ende des Jahres soll der Handel auf fünf weitere der insgesamt 4000 existenten Kryptowährungen erweitert werden. Noch im zweiten Quartal ist der aktive Einstieg in den österreichischen Markt geplant, bevor die Schweiz und Frankreich folgen.

50 neue Mitarbeiter

Nachdem die Zahl der aktiven Nutzer auf aktuell 425000 geklettert und der Umsatz seit Jahresbeginn bis 30. April auf 3,5 Mrd. Euro gestiegen ist, sollen im laufenden Jahr rund 50 neue Mitarbeiter eingestellt werden. Noch einmal so viele sind für 2022 geplant, insbesondere Softwareentwickler, Produktmanager sowie Spezialisten für Marketing und Operators – verteilt auf die Standorte Stuttgart, München, Berlin und Ljubljana. Insgesamt zählt die Gruppe Börse Stuttgart derzeit rund 400 Beschäftigte, von denen 60 bei dem börseneigenen Fintech Sowa Labs tätig sind, das die Smartphone-App programmiert und weiterent­wickelt.

Dass man an der Börse Stuttgart so bullisch für die Bison-App ist, liegt an dem anhaltenden Run auf den Handel mit Kryptowährungen, die manche aufgrund ihrer Begrenztheit bereits als digitales Gold ansehen. Zwischen 1000 und 4000 Neukunden kommen täglich laut Spankowski hinzu. „Es geht rasant bergauf“, wie er sagt. Häufig übersteigen die täglichen Handelsvolumina die 60 Millionen-Euro-Marke, der Tagesrekord liegt bei gut 120 Mill. Euro. „Während heißer Marktphasen wird das Geschäft stark befeuert“, sagt Spankowski im Gespräch mit der Börsen-Zeitung.

Nadelöhr Video-Ident

Dies zeige aber auch, dass man mit dem Kryptohandel per Smartphone in der Breite der Anlegerschaft angekommen sei. Und weil sich das eigene Video-Ident-Verfahren Anfang des Jahres zum Nadelöhr entpuppt hatte, musste man sogar eine Weile auf die Bremse treten und das Marketing ganz bewusst zurückgefahren. „Der Markt ist eben ständig in Bewegung“, so Spankowski, dessen Team die Features von Bison permanent weiterentwickelt.

Wie viel die neuen Wachstumspläne kosten werden, will der Digital-Experte nicht beziffern. Allerdings schlagen sich die Investitionen bereits in der Gewinn-und-Verlust-Rechnung der Börsen-Tochter Euwax nieder, die im ersten Quartal einen stark erhöhten Aufwand von 18,4 (i.V. 4,3) Mill. Euro verbuchte, der ebenso wie deutlich gestiegene Erträge insbesondere auf den Ausbau des Kryptohandels zurückgeht.

Für Anleger ist der Handel auf Bison zwar gebührenfrei, es fallen jedoch implizite Kosten an, die die Euwax AG in Form von sogenannten Differenzbeträgen durch eine Geld-Brief-Spanne in Höhe von 0,75% vereinnahmt. Die Nutzer handeln die Kryptowährungen also stets direkt mit der Euwax, die den Status eines Finanzdienstleisters hat. Die Verwahrung der über Bison erworbenen Kryptowährungen übernimmt treuhänderisch die Blocknox GmbH, eine weitere Tochter der Börse Stuttgart Digital Ventures. Laut Spankowski war Bison bereits nach einem Jahr profitabel und spülte der Euwax 2020, wie aus dem Geschäftsbericht indirekt hervorgeht, einen Gewinn von 4,8 Mill. Euro in die Kasse. Was den Reifegrad des Marktes für Kryptowährungen angeht, ist für Spankowski „die Phase der Skepsis vorbei“. Sowohl bei Retailern als auch bei Profis ist die Nachfrage ungebrochen groß. „Viele stellen sich nur mehr die Frage, wie sie sich positionieren sollen“, sagt er. Auch die ganz großen Häuser wie Goldmann Sachs und J.P. Morgan sind hiermit ge­meint. Dass aber der Kryptohandel seine Pionierzeit ganz hinter sich gelassen hat, dem widerspricht freilich seine anhaltend hohe Volatilität, die bei jedem Huster von Elon Musk große Ausschläge zeigt. Um hier mehr Stabilität in den Markt zu bekommen, kann sich Spankowski Volatilitätsunterbrechungen für den Handel bei zu starken Schwankungen vorstellen. „Das würde das Geschäft natürlich für besonders risikofreudige Anleger weniger interessant machen“, sagt er. Oder anders ausgedrückt: Zocker am Markt würden zugunsten hoher Schwankungen lieber auf Volatilitätsunterbrechungen verzichten.

Ernüchtert zeigt sich Spankowski indessen von der Modernisierung des deutschen Wertpapierrechts, bei dem digitale Aktien immer noch auf sich warten lassen. Bekanntlich sind seit Anfang Mai durch das „Gesetz zur Einführung von elektronischen Wertpapieren“ (eWpG) zunächst nur Schuldverschreibungen als digitale Wertpapiere zugelassen. Bis Aktien dran sind, dürfte es wohl noch 18 bis 24 Monate dauern, schätzt Spankowski. Wobei es der Börse Stuttgart insbesondere um Security Tokens geht, die sich meist wie elektronische Aktien ausgestalten lassen.

Zukunft Tokenisierung

Spankowski sieht insbesondere in der Tokenisierung „die Zukunft der Finanzwirtschaft“, wie er sagt. Dabei geht es darum, auf Grundlage der Blockchain nicht nur Währungen oder Wertpapiere, sondern eben auch industrielle Assets wie etwa Maschinen-Nutzungszeiten digitalisiert abzubilden. Geht die Rechnung auf, können sich damit sowohl auf der Unternehmens- als auch auf der Investorenseite neuartige Möglichkeiten der Finanzierung und der Investition eröffnen.

Gar nicht abstreiten will Spankowski, dass Handel und Abwicklung der Kryptowährungen extrem viel Energie verbrauchen. Laut University of Cambridge verschlingt allein der Bitcoin jährlich mit 121 Terawattstunden mehr Strom als die gesamten Niederlande. Allerdings will Spankowski dabei nicht Energieverbrauch automatisch mit CO2-Ausstoß gleichsetzen. „Es herrscht genügend Innovationsdruck, die Kosten zu senken“, meint er. Daher würden sich die Bitcoin-Schürfer oft Regionen aussuchen, wo Energie im Überfluss vorhanden sei. Allerdings sitzen rund zwei Drittel der „Schürfer“ in China, wo sie zwar im Sommer billigen Strom aus Wasserkraft nutzen, im Winter aber die Energie ausgerechnet aus Kohle beziehen.