Börse nimmt Flaute von Immobilienfonds vorweg

Anteile werden seit März mit Abschlag gehandelt - Aussicht erscheint trüber, als offizielle Fondsdaten nahelegen

Börse nimmt Flaute von Immobilienfonds vorweg

Von Jan Schrader, FrankfurtDeutsche Immobilienfonds werden auch ein halbes Jahr nach Zuspitzung der Coronakrise an der Börse mit einem Abschlag gehandelt: Nachdem die Preise der Fondsanteile im März im Sog der Börsenunruhe eingebrochen waren, haben sie sich nur kurz erholt und stagnieren seither unter dem Niveau des Jahresbeginns. Der Abschlag trifft etliche Fonds in dem Segment, darunter Produkte der Reihen “Grundinvest” der DWS, “UniImmo” von Union Investment, “DekaImmobilien” der gleichnamigen DekaBank und der Einzelfonds “HausInvest” der Commerzbank-Tochter Commerz Real. Insgesamt ist das Segment offener Publikumsimmobilienfonds zur Jahresmitte laut Bundesbank 111 Mrd. Euro schwer.Der Handel an der Börse erlaubt es Anlegern, sich von Fondsanteilen zu trennen, ohne dabei an die üblichen Mindesthalte- und Kündigungsfristen gebunden zu sein. Lediglich ein Bruchteil der Fondsvolumen wird aber tatsächlich an der Börse gehandelt. Der größte Immobilienfonds in Deutschland, der 17,1 Mrd. Euro schwere “Deka-ImmobilienEuropa”, kam im gesamten vergangenen Jahr in Frankfurt lediglich auf Börsenumsätze von 51 Mill. Euro, auch bei anderen Fonds ist das Volumen gering. Im laufenden Jahr ist der Handel des Deka-Schwergewichts im Vergleich zu 2019 nur geringfügig gestiegen, selbst im März nahm das gehandelte Volumen nur leicht zu. Gleichwohl ist der Handel aufschlussreich, denn in den Börsenpreisen kommt die Erwartung von Investoren zum Ausdruck: Sie erwarten offenbar sinkende Immobilienwerte. Erste Zeichen der SchwächeBisher sind die offiziellen Fondskennziffern solide: Der Netto-Inventarwert (Net Asset Value, NAV) der Fonds hat sich seit Jahresbeginn kaum verändert, die Rendite liegt nach Zahlen des Fondsverbands BVI für Juni auf Jahressicht mit 2,8 % auf dem Niveau des zehnjährigen Durchschnitts. Die Ratingagentur Scope, die Immobilienfonds bewertet, hat in der vergangenen Woche aber davor gewarnt, dass die Renditen von Fonds auf Gesamtjahressicht voraussichtlich auf 1,5 bis 2,0 % absinken werden und einzelne Fonds gar negativ abschneiden könnten (vgl. BZ vom 28. August). Die gutachterliche Ermittlung in Deutschland ziele auf einen nachhaltigen Immobilienwert und zeichne Marktbewegungen daher nicht eins zu eins nach, sagt Scope-Analystin Sonja Knorr.Die Immobilienpreise stehen bereits unter Druck: Während Wohnobjekte weiterhin immer teurer werden, sind die Preise für Gewerbeimmobilien nach Erhebung des Verbands deutscher Pfandbriefbanken (VDP) im zweiten Jahresviertel erstmals seit mehr als acht Jahren leicht gefallen. Immobilienfonds haben den überwiegenden Teil der Vermögen in Gewerbeobjekte investiert, vor allem in Büros, aber auch in Einzelhandelsobjekte und Hotels, die von der Krise besonders betroffen sind. Fonds für Wohnimmobilien schlagen sich an der Börse derweil etwas besser (siehe Grafik).Die weitgehend stabilen Netto-Inventarwerte von Fonds lassen das Segment stabiler erscheinen, als es möglicherweise ist: Nach Abzug der Nettomittelzuflüsse hat sich der Wert der Fonds laut Bundesbank seit Jahresbeginn kaum verändert. Werden jedoch Börsenkurse als Grundlage genommen, ergibt sich ein anderes Bild, wie das Beispiel des “HausInvest” zeigt. Als der Rücknahmepreis zu Jahresbeginn bei 42,49 Euro stand, verzeichnete die Börse ein nahezu identisches Niveau. Anfang August notierte der Kurs am Tagesschluss mit 39,98 Euro derweil unterhalb des offiziellen Rücknahmepreises, der zu diesem Zeitpunkt bei 42,39 Euro stand. Auf Grundlage der Börsenwerte wäre der Fonds im ersten Halbjahr nicht von 15,7 Mrd. auf 16,3 Mrd. Euro gewachsen, wie die Fondsanbieterin Commerz Real ausweist, sondern rechnerisch auf 15,3 Mrd. Euro gefallen – zwischen dem Fondsvolumen und dem Börsenwert klafft eine Differenz von annähernd 1 Mrd. Euro. Wie effizient ist der Markt?Ob die Börsenkurse aber tatsächlich realistische Erwartungen zum Immobilienmarkt anzeigen oder angesichts geringer Handelsvolumina kein zuverlässiges Bild vermitteln, ist unklar. Ein Sprecher der Commerz Real will die Bedeutung der Börsenentwicklung nicht kommentieren. Scope-Analystin Knorr vermutet, dass in einigen Fällen die Not einige Anleger dazu verleitet haben könnte, Fondsanteile unter dem offiziellen Wert zu verkaufen – unabhängig davon, wie viel Potenzial tatsächlich in dem Segment steckt.