IM GESPRÄCH: JENS SPAHN, PARLAMENTARISCHER STAATSSEKRETÄR IM BUNDESFINANZMINISTERIUM

"Börsenfusion kann Europa stärken"

Keine Sorge, dass Finanzplatz Deutschland Schaden nehmen könnte - Schwarze Null "ein Signal weit über Deutschland hinaus"

"Börsenfusion kann Europa stärken"

Seit Mitte 2015 wirkt Jens Spahn im Finanzministerium und hat mit seiner frischen und offenen Art einen guten Schwung entwickelt. Bei der Fintech-Förderung hat er die Dinge in die Hand genommen und erntet dafür viel Lob. Die sich anbahnende Fusion von Deutscher Börse und LSE betrachtet er ganz entspannt als eine Stärkung des Standortes Europa. Dem Finanzplatz Frankfurt legt er als Nummer 1 in Kontinentaleuropa nahe, doch mit ein wenig mehr Selbstbewusstsein aufzutreten.Von Björn Godenrath undStephan Lorz, FrankfurtDer Parlamentarische Staatssekretär im Bundesfinanzministerium (BMF) Jens Spahn geht davon aus, dass die geplante Fusion von London Stock Exchange (LSE) und Deutscher Börse den Kapitalmarktstandort Europa stärken kann. Die beiden Handelsplatzbetreiber ergänzten sich gut. Er habe, so weit er die Pläne kenne, keine Sorgen, dass Deutschland als Finanzplatz dabei Schaden nehmen könne, so Spahn im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Frankfurt könne es sich als der Finanzplatz Kontinentaleuropas durchaus leisten, insgesamt selbstbewusster aufzutreten in der Debatte um die geplante Verlagerung des Holdingsitzes an die Themse. Sollten US-Handelsplätze nach der Londoner oder der Deutschen Börse greifen, würde eine andere Standortdebatte geführt, betont Spahn die europäische Perspektive eines Zusammenschlusses von London und Frankfurt. Pfiffige LondonerWas Spahn generell bemängelt, ist, dass Frankfurt sich als Finanzplatz nicht so pfiffig und offensiv darstellt wie London. Die Engländer seien “deutlich besser im Marketing” und würden es schaffen, Ideen als Fakten zu verkaufen. So habe die Financial Conduct Authority (FCA) bislang zwar eine gut beworbene Initiative für eine “regulatory sandbox” gestartet, bisher aber existiere jenseits von Absichten noch gar nichts. Zentrale Fragen wie die der Haftung seien noch vollkommen ungeklärt. Dabei geht es darum, dass die Aufseher schon in der Ideenphase Fintech-Geschäftsmodelle auf ihre Erfolgstauglichkeit testen.Spahn war kürzlich mit einer Delegation in London und stellte vor Ort fest, dass es diesen “Sandkasten” noch gar nicht gibt. BaFin-Chef Felix Hufeld lehnt das Sandkasten-Modell ab, weil es Interessenkonflikte berge und nicht dem Auftrag der Behörde entspreche. Als treibende Kraft im Hintergrund hat sich Spahn aber bereits dafür ausgesprochen, dass sich in der BaFin ein Team von 10 bis 20 Leuten bildet, um als leicht zu erreichende Ansprechpartner für Fintechs zur Verfügung zu stehen. Keine Fintech-BevorzugungSpahn wehrt sich zudem gegen die insbesondere von den Sparkassen vorgetragene Kritik, dass Fintechs laxer reguliert würden, und bekräftigte, es werde “nicht mit zweierlei Maß gemessen”, und es würden auch keine Schattenbanken gezüchtet. Der 35-Jährige bekennt sich aber dazu, in der Start-up-Szene präsent sein zu wollen. Denn es sei wichtig, den Fintechs zu zeigen, “dass sie willkommen sind”. Am 14. April veranstaltet das BMF in Berlin ein “Fincamp”, um über das digitale Banking zu sprechen. In Workshops können sich die Gründer mit BaFin, BMF und Bundesbank austauschen.Bei der Förderung hat der Fintech-Beauftragte der Bundesregierung alle relevanten Standorte im Blick, wobei ein gewisser Fokus auf Berlin und Frankfurt besteht. Er sei aber der Ansicht, je mehr aus privater Initiative komme und je weniger staatliche Gelder somit nötig seien, desto besser.Zu der Frage, ob bei der bevorstehenden Integration der Abwicklungsbehörde FMSA in die BaFin ein Abschied vom Aida-Modell (Anstalt in der Anstalt, Aida) eine Option sei, sagte Spahn: “Wir werden auf jeden Fall eine Entscheidung treffen, welche die Unabhängigkeit von Abwicklungsentscheidungen sicherstellt und den Mitarbeitern der FMSA eine gute Perspektive bietet.” Die Diskussion darüber solle noch im ersten Halbjahr abgeschlossen werden. Reregulierung möglichMit Blick auf die derzeit in Brüssel stattfindende Evaluierung der Fülle an Maßnahmen der Bankenregulierung will Spahn nicht ausschließen, dass es zu einer Reregulierung kommen könne. Zeigten sich unerwünschte Wechselwirkungen, müssten Dinge auch angepasst werden, gibt sich Spahn pragmatisch. Riester-Struktur nachbessernDie Kritik an die Adresse der Banken und Versicherer wegen der hohen Gebühren für Riester-Policen, die viele Sparer abschrecken und die Renditen dramatisch drücken würden, hält er zum Teil für gerechtfertigt. Die Banken und Sparkassen sollten die Anreizstruktur für die Bankberater anpassen. Denn Letztere hätten wegen der Provisionsstruktur kaum Interesse, auf weniger betuchte Klientel zuzugehen. Dabei sei es “zur Vermeidung von Altersarmut dringend nötig, dass man die Vorsorgeprodukte stärker gerade auf die Geringverdiener abstellt”.Nach Ansicht von Spahn hat die Politik seinerzeit aber den großen Fehler begangen, die private Vorsorge nicht mit einer Opt-out-Lösung eingeführt zu haben. Wegen der großen Zahl der Sparer wären dann auch die Verwaltungskosten geringer ausgefallen. Man habe anfangs auch zu wenig auf eine Standardisierung der Produkte gedrungen.Die von Hessen vorgeschlagene Deutschland-Rente, von der die Gelder in einen zentralen Fonds fließen, der auch in die heimische Wirtschaft investiert und Aktien erwirbt, hält Spahn deshalb für eine bedenkenswerte Option. Statt neue Sozialprogramme aufzulegen, wie sie Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel wünsche mit seiner Forderung nach einem “Solidarpakt für Arme”, müsse man eher an neue Formen des Vorsorgesparens denken. Hierbei müsse aber vor allem berücksichtigt werden, dass es Rentnern in Deutschland so gut gehe wie seit 30 Jahren nicht. Das liege beispielsweise an einer zu erwartenden übermäßig starken Rentenerhöhung 2016, der Rente mit 63 und der Mütterrente. Sorgenkind AktienkulturGrundsätzlich sieht Spahn in diesem Zusammenhang Handlungsbedarf bei der Verbesserung der Aktienkultur in Deutschland. “Texanische Pensionsfonds sind in Deutschland teilweise stärker investiert als die heimischen Lebensversicherer”, beklagt er. Einen Grund für die Zurückhaltung der Deutschen bei Aktien macht er in den schlechten Erfahrungen der vergangenen Jahre aus, etwa beim Telekom-Börsengang (“Manfred-Krug-Späteffekt”).Man könne sich aber nicht einerseits über die schlechte Entwicklung und Ungleichheit der Vermögen im Vergleich mit anderen Ländern beklagen, andererseits jedoch Aktien als Anlageform rundweg ablehnen. “Wir brauchen eine neue Debatte über die Aktienkultur in Deutschland”, fordert er. Zu oft würden zudem Steuerfragen als hinderlich für den Aktienkauf vorgeschoben. Viel wichtiger sei indes der “Kulturwandel”, was den Umgang mit Finanzen betrifft.Zumindest was öffentliche Institutionen angeht, hat die Bundesregierung Spahn zufolge schon konkrete Vorhaben auf den Weg gebracht. So können der Vorsorgefonds der Pflegeversicherung und der Vorsorgefonds des Bundes künftig ihren Aktienanteil auf bis zu 20 % anschwellen lassen, teilte er mit. Standhaft bleibenAn der “schwarzen Null” darf die Bundesregierung nach Meinung von Spahn trotz niedrigster und bisweilen sogar negativer Zinsen nicht rütteln. Die Flüchtlingskosten könne man durch die positive Haushaltsentwicklung aus den Überschüssen finanzieren. Das sei zum einen der guten Konjunktur geschuldet, zum anderen aber vor allem der Disziplin in den vergangenen Jahren bei der Konsolidierung. Auf Bundesebene gebe es entgegen vielfältigen Klagen zudem keinen Investitionsstau. “Alles, was baureif ist, wird finanziert”, versichert Spahn. Die in der Öffentlichkeit zur Schau gestellte schlechte Infrastruktur sei eher im Bereich der Kommunen zu suchen. Die vom Bund aufgelegten Programme für Investitionszuschüsse würden von diesen nur sehr zurückhaltend nachgefragt, beklagt er. An der “schwarzen Null” darf nach Ansicht von Spahn aber auch aus einem anderen Grund nicht gerüttelt werden: Sie zeige der Eurozone, dass Deutschland sich weiter anstrenge, um die Staatsfinanzen in Ordnung zu halten. Würde man sie fallen lassen, wie viele Ökonomen und auch internationale Organisationen drängten, wäre das ein “Dammbruch” für andere Länder. Spahn: “Die schwarze Null ist ein Signal weit über Deutschland hinaus.”