Wirecard-Skandal

Brauns Anwalt will Prozess aussetzen

Im Wirecard-Strafprozess hat der Verteidiger des Hauptangeklagten, Ex-Vorstandschef Markus Braun, vor Gericht versucht, die Schuld für den Bilanzbetrug auf den Kronzeugen Oliver Bellenhaus zu lenken.

Brauns Anwalt will Prozess aussetzen

sck München

– In seiner Eingangserklärung nach der von den Strafermittlern verlesenen Anklage forderte der Strafverteidiger des Hauptangeklagten Markus Braun, Alfred Dierlamm, vor der 4. Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts München I, den Strafprozess gegen seinen Mandaten auszusetzen. Er begründete das damit, dass die Staatsanwaltschaft aus seiner Sicht mehrere entscheidende Fehler bei ihren Er­mittlungen im Wirecard-Komplex gemacht hat. Zugleich stellte er die Aussagen des Kronzeugen Oliver Bellenhaus infrage. Der frühere Konzern-Statthalter in Dubai des im Juni 2020 zusammengebrochenen Zahlungsabwicklers fungiert für die Strafermittler als Hauptbelastungszeuge gegen Braun. Bellenhaus sitzt ebenfalls auf der Anklagebank.

Laut Dierlamm stellten er und seine Kanzleikollegen nach Akteneinsicht fest, dass es doch die strittigen Drittpartnergeschäfte von Wirecard gegeben habe. So hätten gemäß den Zahlungsbelegen auch nach dem Jahr 2016 Einzahlungen der Drittpartner auf inländische Konten von Wirecard im größeren Umfang existiert. Brauns Verteidiger nannte eine Summe von insgesamt über 1 Mrd. Euro. Diese Gelder seien dann zu einem „erheblichen“ Teil an „Schattengesellschaften“ weitergeleitet worden. Dierlamm sprach von vier „Veruntreuungsgesellschaften“ , die zusammen über 700 Mill. Euro verbucht hätten. „In diesen Schattenstrukturen taucht Braun nicht auf.“

Brauns Verteidiger warf der Staatsanwaltschaft vor, die Aussagen von Bellenhaus nicht kritisch genug hinterfragt zu haben. So habe dieser behauptet, die Drittpartnergeschäfte habe es von 2015 an gar nicht mehr gegeben („null Umsatz“). Die festgestellten Buchungen auf Schattenkonten widerlegten diese Angaben aber. „Bellenhaus hat in seiner Vernehmung dieses Geld verschwiegen. Bellenhaus ist nicht Kronzeuge, sondern Haupttäter“, folgerte Dierlamm. „Sämtliche Gelder dienten der Veruntreuung.“ Von den rund 450 befragten Zeugen existiere „kein Beleg“, dass Braun Kenntnis von diesen Machenschaften gehabt habe. Bellenhaus sei der einzige, der dies behaupte, führte Dierlamm aus.

„Vorverurteilung“

Er beklagte eine „Vorverurteilung“ seines Mandanten, die „beispiellos“ sei. Dazu hätten eine „Kette fataler Fehler der Staatsanwaltschaft und weitere Ereignisse“ beigetragen. Dierlamm erwähnte in diesem Zu­sammenhang den Untersuchungsausschluss des Bundestages zur Causa Wirecard und den Insolvenzverwalter des Unternehmens. Letzterer habe sich auf das „falsche Narrativ“ gestützt, dass das Drittpartnergeschäft nicht mehr existierte. „Dieses Narrativ zieht sich durch das ganze Verfahren.“ Auf Basis der Aussagen von Bellenhaus ging die Staatsanwaltschaft laut Dierlamm nach dem Motto vor: „Der Bandenchef Braun ist gefasst. Wir haben einen Kronzeugen.“ Die Strafermittler hätten erst im September 2021, also erst 15 Monate nach dem Kollaps von Wirecard, sich die Zahlungsflüsse angesehen. Den Grundsatz „follow the money“ habe die Staatsanwaltschaft nicht befolgt.

Brauns Verhalten noch wenige Tage vor dem Zusammenbruch von Wirecard belege, dass man diesem bandenmäßigen Betrug nicht unterstellen könne. Letzteres sei „absolut absurd“. Dierlamm führte aus, dass der flüchtige Ex-Wirecard-Vorstand Jan Marsalek für die Drittlandgeschäfte seinerzeit verantwortlich gewesen sei, nicht Braun. Sein Mandant habe damals noch an die Werthaltigkeit der Wirecard-Aktien ge­glaubt. Als Beispiel dafür nannte Dierlamm Brauns Kauf von Papieren im Frühjahr 2020 im Volumen von 2,5 Mill. Euro. Zudem habe sich Braun der deutschen Strafjustiz „freiwillig gestellt“. Der frühere Konzernchef ist Österreicher.

Der Anwalt von Bellenhaus bestätigte vor Gericht die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft und wies Dierlamms Darstellung zurück. „Wirecard als solche war schlichtweg ein Blendwerk“, sagte Florian Eder. „Für Herrn Bellenhaus darf ich mich stellvertretend bei den Geschädigten entschuldigen.“ Die Strafermittler werfen den Angeklagten u. a. gewerbsmäßigen Bandenbetrug vor.

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