Braunschweig bekräftigt Interesse an Sparkasse
Carsten Steevens.
Herr Dr. Kornblum, sind die fünf Kommunen im Geschäftsgebiet der Braunschweigischen Landessparkasse (BLSK), die Städte Braunschweig und Salzgitter sowie die Landkreise Holzminden, Helmstedt und Wolfenbüttel, weiterhin interessiert, die Sparkasse, die derzeit als teilrechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts zum Nord/LB-Konzern gehört, in ihre Trägerschaft zu übernehmen?
Ja.
Haben alle Kommunen ein gleich starkes Interesse?
Es besteht weiterhin das gleiche Interesse und der feste Wille. Wir sehen in einer Herauslösung der BLSK aus der Nord/LB, einem sogenannten Carve-out, wirtschaftliche und marktstrategische Vorteile für die Sparkasse wie für die Landesbank. Wir haben gemeinsam mit einem renommierten Gutachter ein mehrstufiges Verfahren vorgeschlagen, das der Restrukturierung und der aktuellen Situation der Nord/LB Rechnung trägt. Diese Idee sieht vor, die BLSK zunächst in eine voll rechtsfähige Anstalt in der Anstalt, eine „AidA 2.0“, umzuwandeln. In weiteren Schritten könnte die BLSK erst technisch-organisatorisch und schließlich rechtlich aus der Nord/LB herausgelöst werden.
Der Vorschlag liegt schon seit längerem auf dem Tisch. Das Land Niedersachsen als Mehrheitseigentümer der Nord/LB hat bislang Ideen zur Herauslösung der BLSK aus der Bank als nicht tragfähig bewertet.
Das ist tatsächlich frustrierend. Wir haben wiederholt verschiedene Wege vorschlagen; diese wurden jedoch ausnahmslos abgeblockt, ohne dass das Land signalisiert hätte, was es sich denn alternativ vorstellen kann. Die Gesetzeslage sieht die Möglichkeit einer Übertragung der BLSK auf die Kommunen im Alten Braunschweiger Land seit langem vor. Ich verweise nur auf den jüngsten Staatsvertrag zwischen Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern über die Nord/LB von Ende 2019.
Der bis Oktober amtierende niedersächsische Finanzminister Reinhold Hilbers (CDU) hat wiederholt erklärt, grundsätzlich offen zu sein für eine Herauslösung der BLSK aus der Nord/LB.
Ich bin seit November 2021 Braunschweiger Oberbürgermeister und erst seit einigen Monaten Verwaltungsratsvorsitzender der BLSK. An Gesprächen mit dem Finanzministerium in den vergangenen Jahren war ich nicht beteiligt. Auf Grundlage von vielfältigen Gesprächen, die ich in den vergangenen Monaten dazu geführt habe – auch mit dem ehemaligen Finanzminister –, habe ich bisher jedoch nicht den Eindruck gewonnen, dass vonseiten des Finanzministeriums ein Weg zu einer konstruktiven Lösung in Richtung einer stärkeren Verselbstständigung der BLSK aufgezeigt worden wäre. Gegenvorschläge auf unsere Vorschläge habe ich nicht wahrgenommen. Unser Eindruck ist, dass man in Hannover den Weg der Verselbständigung der BLSK bislang nicht gehen wollte. Meinen Kollegen in den anderen Kommunen und mir wurde noch nicht mitgeteilt, welchen Weg das Land denn zu gehen gedenkt – außer: Wir machen es nicht.
Die neue rot-grüne Landesregierung in Niedersachsen hat in ihrem Koalitionsvertrag verankert, gemeinsam mit allen Beteiligten in der Bank und in der Region ergebnisoffen zu prüfen, ob und wie eine Herauslösung der Braunschweigischen Landessparkasse aus der Nord/LB ermöglicht werden kann. Was erwarten Sie vom neuen Finanzminister Gerald Heere (Grüne)?
Das Thema BLSK ist Teil des Koalitionsvertrags der neuen niedersächsischen Landesregierung. Dadurch steigen die Chancen, konstruktiv über die Zukunft der Sparkasse zu sprechen und eine Herauslösung innerhalb der kommenden fünf Jahre umzusetzen. Es sollte jetzt offen gesagt werden, wie die Vorstellungen des Landes aussehen. Wenn ein Carve-out derzeit für das Land nicht in Frage kommt – wofür es ja gute Gründe geben kann –, sollte zumindest der Wille signalisiert werden, den Weg in Richtung einer stärkeren Selbständigkeit der BLSK mitzugehen. Argumente dagegen habe ich bislang nicht gehört.
Der Finanzminister eines Landes blickt anders auf dieses Thema als Sie als Oberbürgermeister einer Stadt.
Natürlich akzeptieren wir, dass ein Landesfinanzminister anderen Zwängen folgt und folgen muss als eine Kommune. Zugleich fordern wir als Kommunen aber ein, dass man auch unsere Interessen berücksichtigt. Die Rahmenbedingungen für solche Gespräche sind infolge der Corona-Pandemie, des Ukraine-Kriegs, der hohen Inflation und der Energiekrise natürlich nicht einfacher geworden. Insofern wären wir bereit, einen neuen Fahrplan für die Herauslösung der BLSK zu prüfen und vorzuschlagen. Das Signal des Landes, das Thema im Koalitionsvertrag als Prüfauftrag zu verankern, stimmt mich sehr hoffnungsvoll, und ich habe mich darüber sehr gefreut.
Wie könnte der Fahrplan aussehen?
Dazu möchte ich zunächst sagen: Wir können nur unsere Vorschläge vorlegen. Vorankommen können wir erst, wenn das Land in konstruktive Gespräche mit uns eintritt. Ich bin zuversichtlich, dass wir schnell in einen guten Dialog mit dem neuen Finanzminister kommen können. Vor dem Hintergrund der aktuellen Zins- und Finanzsituation werden wir dann zu prüfen haben, inwieweit bisherige Rechnungen modifiziert werden müssen. Dazu könnten wir erneut auf den Gutachter zugehen. Voraussetzung wäre aber zumindest eine Offenheit des Landes für den Schritt in Richtung „AidA 2.0“. Das wäre ja noch nicht der große Schritt des Carve-out, sondern nur ein erster Zwischenschritt, der allerdings sehr wichtig wäre.
Aus Sicht des Landes, so lautet die Ausgangslage, darf der Nord/LB durch eine Herauslösung der BLSK kein Schaden entstehen. Es stellt sich hier die Frage der Finanzierung. Es war sogar die Rede davon, dass die Kommunen mindestens 400 Mill. Euro aufbringen müssten. Können Sie die finanziellen Anforderungen des Landes oder der Nord/LB erfüllen?
Zunächst müssten wir erst einmal darüber sprechen, wie diese finanziellen Anforderungen tatsächlich aussehen. Dazu gab es bislang noch keinen Austausch. Man kann vermuten, dass es unter den aktuellen Krisenbedingungen nicht einfacher wird, die Anforderungen zu erfüllen. Aber wir verfolgen ja nicht nur unsere eigenen Interessen. Wir als Kommunen im Alten Braunschweiger Land wollen selbstverständlich, dass die Nord/LB auch in Zukunft eine starke Bank ist. Unser Gutachter hat herausgearbeitet, dass eine Herauslösung der BLSK Vorteile für alle Seiten hätte. Wenn das Land zu einem anderen Ergebnis kommt, sollten wir miteinander konstruktiv über die unterschiedlichen Positionen reden und versuchen, eine gemeinsame Position zu finden.
Was besagt denn Ihr bisheriges Gutachten?
Eine Neuberechnung auf Basis von Daten des Jahres 2021 und der damaligen Rahmenbedingungen hat infolge buchhalterischer Effekte sowie einmaliger und dauerhafter Entlastungen einen Gesamteffekt in Höhe eines mittleren dreistelligen Millionenbetrags als Nutzen für die Nord/LB und ihre Träger aufgezeigt. Das würden wir im Lichte der Krisen nochmals prüfen lassen. Aber der Weg, den wir beschreiten wollen, wäre ohnehin keiner von heute auf morgen. Die Herauslösung würde eine aktuelle Begutachtung sowie eine Umsetzung gegebenenfalls in mehreren Schritten erfordern.
Warum könnte die BLSK ihr Potenzial als kommunales Institut besser entfalten denn als Teil einer Landesbank?
Als kommunale Sparkasse hätte die BLSK mehr Gestaltungsspielräume, mehr Beinfreiheit. Sie könnte eigenständig entscheiden und müsste sich nicht einfügen in Strukturen und Anforderungen eines Konzerns. Vorstände und Gremienmitglieder haben teilweise zwei Hüte auf, weil sie zum einen der Nord/LB gegenüber verantwortlich sind, zum anderen aber auch Interessen der BLSK berücksichtigen müssen. Durch Herauslösung der BLSK würde ein seit langem bestehendes Spannungsverhältnis beseitigt: Die Nord/LB folgt als kapitalmarktorientierte Geschäftsbank ja einer anderen strategischen Ausrichtung als die BLSK als eine schon nach dem Gesetz gemeinwohlorientierte, stärker auf eine Region ausgerichtete Sparkasse. Hier prallen zwei Bankwelten aufeinander, die versuchen, miteinander zu harmonieren.
Verbindungen zwischen einer Landesbank und Sparkasse gibt es auch anderswo in Deutschland.
Ja. Aber für unsere Region, für die Betreuung mittelständischer und privater Kunden, für die Umsetzung des gemeinwohlorientierten Auftrags wäre es für die BLSK aus meiner Sicht besser, wenn sie kommunale Träger hätte. Das enorme Geschäftspotenzial in unserer wirtschaftsstarken Region ließe sich einfacher nutzen, Entscheidungen könnten zielgerichteter und genauer an die Gegebenheiten vor Ort angepasst werden. Hier muss ja gerade in einem Land wie Niedersachsen unterschieden werden zwischen ländlichen Räumen und stark verdichteten Räumen mit großer Nähe zu Großindustrie und Wissenschaft. Im Übrigen entspräche eine Sparkasse in kommunaler Trägerschaft der Gründungsphilosophie der Sparkassen und auch der gelebten Realität in fast ganz Deutschland.
Für wahrscheinlich halten Sie es aus heutiger Sicht, dass die BLSK eine Sparkasse mit kommunalen Trägern wird?
Ich bin schon optimistisch, dass wir uns dem Ziel über Zwischenschritte nähern können. In Anbetracht der aktuellen Krisen und der Herausforderungen für die öffentlichen Haushalte wird das aber nicht über Nacht möglich sein.
Das Interview führte