IM BLICKFELD

Brexit-Gewinner Frankfurt lässt die Kirche im Dorf

Von Walther Becker, Frankfurt Börsen-Zeitung, 24.8.2017 Die Citi verstärkt sich, Morgan Stanley expandiert, Goldman Sachs will die Angestelltenzahl mindestens verdoppeln, die Deutsche Bank wird an ihrem Sitz ausbauen, J.P. Morgan spielt mit dem...

Brexit-Gewinner Frankfurt lässt die Kirche im Dorf

Von Walther Becker, FrankfurtDie Citi verstärkt sich, Morgan Stanley expandiert, Goldman Sachs will die Angestelltenzahl mindestens verdoppeln, die Deutsche Bank wird an ihrem Sitz ausbauen, J.P. Morgan spielt mit dem Gedanken, hier ihr Investment Banking anzusiedeln, und Nomura, Sumitomo und Daiwa haben ebenso wie die britische Standard Chartered der Mainmetropole als Drehkreuz für ihr EU-Geschäft den Zuschlag erteilt: “Frankfurt won. What now?”, fragt nicht nur die Londoner “Financial News”.Mit der Kombination aus Banken und nationalen wie internationalen Institutionen und Aufsichtsorganen – EZB, ESRB, SSEM, EIOPA, Bundesbank und BaFin – steht die Mainmetropole singulär im Vergleich zu anderen Finanzplätzen da. Und die Bundesregierung gibt sich zuversichtlich, dass sie auch den Zuschlag für den künftigen Standort der Europäischen Bankenaufsicht (EBA) bekommt. Wo sollen neue, moderne Arbeitsplätze in Zeiten des vielbeschworenen “War for Talents” hin?Frankfurt, der Brexit-Gewinner, lässt die Kirche im Dorf. “Die Flächen werden auf jeden Fall ausreichen. Insbesondere wenn die neuen Tower von 2019 an verfügbar werden”, beruhigt Stephan Bräuning, Managing Director von Colliers International in Frankfurt. Im Central Business District – Bankenviertel, City und Westend – seien 300 000 Quadratmeter (qm) zu 25 bis 40 Euro pro Quadratmeter und Monat verfügbar. Die Spitze liegt mit gut 40 Euro immer noch weit unter dem, was einst im Messeturm mit 110 DM zu berappen war. Diese Mieten sind zwar in Deutschland top, aber geradezu ein Schnäppchen für die Klientel, die in anderen Finanzzentren weit höhere Beträge gewöhnt ist. Die Bundesbank, die sich in Trianon und Skyper eingemietet hat, sucht indessen auf sieben Jahre weitere 50 000 qm, solange ihr Hauptsitz revitalisiert wird.Frankfurt setzt für neue Projekte auf Mischnutzung mit Wohnen, Hotels und öffentlichen Plätzen, um die Bürostandorte abseits der Arbeitszeiten zu beleben und attraktiv für gut betuchte Angestellte zu machen. Dichtere SkylineDamit wird die Skyline noch dichter: Mit Omniturm (44 000 qm ab Herbst 2018, dort, wo früher Metzler war), One an der Messe mit 48 000 Quadratmetern 2019/20, Marienturm (57 400 qm) gegenüber Soll und Haben der Deutschen Bank sowie The Spin und dem Ende des Jahres fertigen Winx (Maintor) entstehen weitere Hochhäuser. Im Mittelpunkt steht das Ensemble, das Groß & Partner direkt hinter dem Wolkenkratzer der Commerzbank (259 Meter) auf dem ehemaligen Gelände der Deutschen Bank in Angriff nimmt. Vier Türme sollen hier bis 2022 in den Himmel wachsen – zwischen 100 und 228 Meter hoch. Hinzu kommt der Global Tower, die alte Zentrale der Commerzbank, der entkernt und neu genutzt werden soll.Hatten sich die Banken schon vor dem Votum der Briten über den EU-Austritt in Frankfurt umgeschaut, so wurde jetzt definitiv der erste Mietvertrag als Effekt des Brexit in Frankfurt abgeschlossen. Morgan Stanley hat sich mehrere Etagen im Omniturm gesichert. Die Vermietung lag in Frankfurt in den vergangenen zehn Jahren laut Bräuning bei im Schnitt 460 000 Quadratmetern im Jahr, 2016 und 2017 dürften es jeweils 500 000 qm sein. “Mit dem Brexit rechnen wir mit einem Plus von circa 8 %, also 20 000 bis 30 000 Quadratmetern zusätzlich im Jahr, sagt Bräuning, der derzeit die zweite Welle – Anwaltskanzleien, Steuerberater, Versicherer und andere – beobachtet. Wie viele Banker herkommen, lässt sich seriös nicht sagen. Schätzungen reichen von 4 000 bis über 20 000 Stellen. Und nicht alles entfällt auf Frankfurt: Private-Equity-Fonds präferieren Luxemburg, einige Institute ziehen Paris, Dublin oder Amsterdam vor. Und mancher Banker und Anwalt, der die Mainmetropole nicht kennt, will eher ins vermeintlich “hippe” Berlin. Doch ist das zur Verfügung stehende Flächenangebot an der Spree deutlich niedriger als am Main. Insgesamt sind im Frankfurter Stadtgebiet rund 11 Mill. qm Büroflächen am Markt. Im Bau sind nach Angaben der Verwaltung durchgängig 200 000 bis 300 000 qm. Der Leerstand wurde laut CBRE zuletzt auf 10,6 % gedrückt.Das Risiko, im Bankenviertel spekulativ zu bauen, ist gering. Das hat nicht zuletzt der Taunusturm gezeigt, der ohne Vorvermietung angegangen wurde und heute proppenvoll ist. Selbst die Pollux-Häuser, die Blackstone 2014 mit hohem Leerstand erworben hat, sind inzwischen voll vermietet. Angesichts des verknappten Angebots hat sich der Wind für Eigentümer zum Positiven gedreht. Hatten sie früher häufig nur einen Interessenten für bestimmte Flächen, so stehen nun vier vor der Tür. “Das führt dazu, dass es deutlich weniger Incentives gibt”, sagt Bräuning. Die lagen zuvor bei Laufzeiten von fünf Jahren durchaus bei 10 % der Mieten. Und die Nutzer müssen flexibler werden und unter Umständen auch mit Stockwerken, die nicht unmittelbar zusammenhängen, vorliebnehmen. Eigner stehen auch insofern auf der Sonnenseite, als mit höherem Vermietungsgrad die Objekte zu Investments werden. “Jedes Objekt mit einem Vermietungsgrad von 85 bis 90 % kann schnell zum Investment werden: “Die Kaufinteressenten stehen Schlange.” Die Deals über 660 Mill. Euro für die Commerzbank-Zentrale und 650 Mill. für den Taunusturm sind gelaufen. Im Schaufenster sollen derzeit Trianon, Japan Center, Garden Tower, Tower 185 und Taunusanlage 11 stehen.