Brexit Map - Wer profitiert vom britischen EU-Austritt?
Die genauen Modalitäten des britischen EU-Austritts werden noch ausgelotet. Klar ist jedoch bereits, dass Frankfurt in den Standortentscheidungen von Brexit-Banken eine herausragende Position einnimmt. Mittlerweile hat sich eine ansehnliche Akkumulation von Finanzplatz-Akteuren pro Frankfurt herausgebildet, die in Europa ihresgleichen sucht.Die Verhandlungen zwischen der Europäischen Union (EU) und Großbritannien verlaufen trotz einiger Fortschritte im Dezember 2017 insgesamt sehr schleppend. Es ist zwar nicht wahrscheinlich, jedoch nicht ganz auszuschließen, dass es doch noch einen Exit vom Brexit geben könnte. Schließlich ist kein Deal nicht wirklich eine Option, auch wenn die “Brexiteers” dies anders beurteilen. Schon allein aufgrund der Größenverhältnisse gilt: Großbritannien ist stärker auf eine Einigung angewiesen als die EU. Daher wächst im Jahresverlauf der Druck auf Premierministerin Theresa May (oder ihren Nachfolger), sich einem Kompromiss anzunähern. Letztlich geht es um Schadensbegrenzung. Ein Abkommen könnte einen relativ freien Warenaustausch, einen eingeschränkten Handel bei Dienstleistungen sowie eine begrenzte Arbeitnehmerfreizügigkeit umfassen.Noch herrscht große Unsicherheit, wie der Zugang britischer Banken zum EU-Binnenmarkt nach dem Brexit ausgestaltet sein wird. Die Londoner Finanzinstitute können sich somit nicht darauf verlassen, dass alles so bleibt, wie es ist. All diejenigen Banken, die derzeit ihre europäischen Geschäfte mittels EU-Pass aus London heraus betreiben, müssen sich einen neuen Standort suchen. Um eine entsprechende Zulassung in einem anderen Mitgliedsland zu erhalten, ist eine Zeitspanne von rund einem halben Jahr einzukalkulieren. Je nach bisher bestehender Niederlassungsform in einem EU-Mitgliedsland muss zuvor allerdings erst einmal eine Banklizenz beantragt und von der jeweiligen Aufsichtsbehörde genehmigt werden. Dies kann hierzulande bis zu ein Jahr dauern. Innerhalb dieser insgesamt bis zu eineinhalb Jahre dauernden Phase ist der Aufbau neuer Büros mit qualifiziertem Personal zu bewerkstelligen. Die Zeit drängt also. Hohe AnziehungskraftTrotz ernstzunehmender Herausforderungen ist der Brexit für das deutsche Finanzzentrum eine einmalige Chance auf eine noch bessere Positionierung im internationalen Wettbewerb. Wie in der jüngsten Finanzplatz-Studie der Helaba dargelegt, spricht vieles dafür, dass die Mainmetropole aus diesem mehrjährigen Umstrukturierungsprozess als primärer Profiteur hervorgehen wird. Schließlich ist Frankfurt mit seinen zahlreichen Standortqualitäten im europäischen Finanzplatzgefüge die klare Nr. 2 hinter London, was auf Akteure aus dem In- und Ausland schon länger eine hohe Anziehungskraft ausübt. Bereits prominent vertretenAuch das deutsche Aufsichtswesen hat dazu beigetragen, dass Frankfurt im Brexit-induzierten Verlagerungsprozess eine herausgehobene Stellung innehat. Seit ihrem informativen Workshop zum Jahresbeginn 2017 hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) den Dialog mit den Londoner Banken intensiviert und zahlreiche Zulassungsanträge entgegengenommen, die sie angesichts des Zeitdrucks pragmatisch handhabt. So zeigt die deutsche Aufsichtsbehörde in ihren Brexit-bedingten Genehmigungsverfahren eine gewisse Flexibilität, indem sie beispielsweise die von ihrem britischen Pendant geprüften Risikomodelle der Banken temporär akzeptiert. Gleichwohl hat die BaFin allerdings klargestellt, dass sie keine reinen Briefkastenfirmen zulassen wird und zum Stichtag des Brexit ein angemessenes Risikomanagement der Banken in Frankfurt vorhanden sein muss.Die großen Londoner Investmentbanken sind fast alle bereits prominent am deutschen Finanzzentrum vertreten. Schon länger sind sie fester Bestandteil der lebhaften Frankfurter Community, bei manchen reicht die Geschichte ihres Instituts in Deutschland sogar bis in die 1920er Jahre zurück. Das Gros dieser “Global Player” unterhält eine Zweigstelle in Frankfurt, etliche agieren als Tochtergesellschaft. Davon sind einige Institute sogar gewissermaßen mehrfach, nämlich mit differierender Rechtsstruktur zur Abdeckung bestimmter Geschäftsbereiche am Main beheimatet. Dies spricht für Frankfurt als wichtigen Standort in der Europastrategie international agierender Banken. Nicht wenige in London ansässige Auslandsbanken verfügen damit bereits über eine fundierte Basis am deutschen Finanzzentrum, die der aufsichtsrechtlichen Genehmigung für eine Expansion am Main zuträglich ist. Von der Themse an den MainBis zur Jahresmitte 2017 hatten nur wenige Finanzinstitute ihre Umzugspläne publik gemacht. Mit Aufnahme der wenn auch schleppend verlaufenden Brexit-Verhandlungen hat sich dies geändert. Etliche Player gehen seitdem offensiver mit ihren Verlagerungsplänen um. Grundsätzlich zeichnet sich eine Diversifizierung der Aktivitäten auf mehrere Alternativstandorte ab. Allerdings ist aus Effizienz- beziehungsweise Kostengründen von einer gewissen Schwerpunktbildung an einem zentralen Finanzplatz in Europa auszugehen. Und hierbei wird oftmals das deutsche Finanzzentrum avisiert.Wie die Brexit Map der Helaba zeigt, haben 17 Banken bis Ende Januar 2018 den Finanzplatz Frankfurt auserkoren. Eine ansehnliche Akkumulation von Finanzplatz-Akteuren, die in Europa ihresgleichen sucht! Darunter sind viele namhafte Kreditinstitute. Diese Banken wollen unter Anpassung ihrer europäischen Geschäftsstruktur Jobs von der Themse an den Main verlagern oder hier neue Büros eröffnen. Bei manch einem Institut haben sich diese Pläne schon so weit konkretisiert, dass zum Beispiel Stellen ausgeschrieben werden. Nach den anfänglichen Optionierungen von Büroflächen werden nun auch immer mehr Entscheidungen bekannt, in welchen Turm sich welche der Brexit-Banken einmietet.Angesichts der Größenordnung der bereits verkündeten Standortentscheidungen pro Frankfurt ist seine herausragende Position im Brexit-induzierten Umstrukturierungsprozess offenkundig. Je mehr offizielle Bekenntnisse es für das deutsche Finanzzentrum als bevorzugten Verlagerungsstandort gibt, umso mehr gewinnt es an internationaler Attraktivität und umso wahrscheinlicher wird eine gewisse Sogwirkung. So erhöht sich Frankfurts Anziehungskraft auf weitere Brexit-Banken wie auch auf andere Finanzplatz-Akteure, die am führenden Finanzzentrum Kontinentaleuropas mit seinem wachsenden Cluster präsent sein wollen.—-Gertrud R. Traud, Chefvolkswirtin/Bereichsleitung Research der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba)