FRANKFURT FINANCE SUMMIT 2017

Brexit-Risiken werden konkret

Finanzbranche prüft Jobverlagerungen aus London - Wirtschaft muss vor Verhandlungsende entscheiden

Brexit-Risiken werden konkret

Bislang haben sich die wirtschaftlichen Folgen des Brexit in Grenzen gehalten. Auf dem Frankfurt Finance Summit aber wird deutlich, dass die Zeit für Kompromisse knapp wird, zumal die Unternehmen eigentlich schon lange vor Ende der Verhandlungen Klarheit für Dispositionen brauchen.Von Stephan Lorz, FrankfurtSylvie Matherat, Regulierungsvorstand der Deutschen Bank, verliert im Hinblick auf die Brexit-Entscheidung langsam die Geduld mit der Politik. “Es gibt einen Zeitpunkt, an dem es zu spät wäre, noch einen Wechsel des Clearingstandorts vorzunehmen. Insofern müssen wir die Entscheidung deutlich früher treffen, als sich die Politik offenbar vorstellt.” Wenn es auf einen “harten Brexit” hinausläuft, wäre das Euro-Clearing in London nämlich nicht mehr zugelassen, die Geschäfte müssten in die EU verlagert werden. Man spreche hier über “Transaktionen mit einem Volumen von mehreren Billionen”, schildert Matherat. Allein für die Deutsche Bank gehe es um “Tausende von Jobs”. Sie fordert in diesem Zusammenhang, schon jetzt eine Übergangsperiode für die Umsetzung des britischen EU-Austritts einzuräumen. Darüber “brauchen wir dringend Klarheit”.Dass sich die Lage schon bald klären könnte und die Banken frühzeitig Klarheit über die Brexit-Prozeduren bekommen, bezweifelt indes FDP-Europaparlamentarier Michael Theurer. Seiner Ansicht nach liegt der Ball zunächst im britischen Spielfeld. “London muss sagen, was es erreichen will. Wir müssen uns dann darüber klar werden, ob und inwiefern wir Kompromisse eingehen wollen.” Eine Aufweichung der vier Freiheiten – freier Personen-, Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr – werde es jedenfalls nicht geben, legt er sich fest. Denn das würde einen regelrechten Desintegrationsprozess in der EU starten.Die Forderung der Wirtschaft an die Adresse der EU, sich auf Vorfestlegungen einzulassen, hält er zudem für fehl am Platz. Wenn die Unternehmen schnell Klarheit haben wollten, sollten sie ihre Geschäfte und ihre Jobs aus Großbritannien schon jetzt in das künftige EU-Gebiet verlagern. Den Brexit hat die EU schließlich nie gewollt. Das war “eine britische Idee”.Theurer sorgt sich mehr darum, dass die Brexit-Verhandlungen so viele Kapazitäten verschlingen, dass in der EU Debatten über viel wichtigere Zukunftsfragen verzögert würden. Das Brexit-Votum öffne den Menschen aber auch die Augen, wie wichtig die EU sei.Jens Wilhelm, Vorstand von Union Investment, hat die Hoffnung nicht aufgegeben, dass sich ein “harter Brexit” doch noch vermeiden lässt. Mit der voraussichtlichen Bestätigung des Verhandlungsmandats von Premierministerin Theresa May durch die für Juni anberaumten Wahlen könnte sie künftig leichter Kompromisse eingehen, vermutet er. Denn mit einer womöglich größeren parlamentarischen Mehrheit im Rücken müsste sie dann nicht mehr auf die “extremen Brexiteers” in ihren Reihen Rücksicht nehmen, die das bislang verhindern.