Brüssel sucht Lehren aus dem Wirecard-Skandal
ahe/sp Brüssel/Berlin – Im Zuge der Aufarbeitung des Wirecard-Skandals arbeiten die EU-Institutionen weiter an einer Stärkung des europäischen Regulierungsrahmens. Die EU-Kommission hat den Mitgliedstaaten jetzt eine Liste mit Handlungsoptionen in den Bereichen Corporate Governance, Rechnungsprüfung und Aufsicht vorgelegt. Dabei geht es um punktuelle Nachbesserungen der heutigen Regeln, unter anderem um strengere Berichtspflichten und einen besseren Informationsaustausch der Behörden. In einem sogenannten Non-Paper für den Ausschuss für Finanzdienstleistungen des Rates (Financial Services Committee), das der Börsen-Zeitung vorliegt, verweist die Brüsseler Behörde aber auch darauf, dass die Antworten auf den Wirecard-Fall breiter ausfallen sollten: Das Scheitern des Finanzdienstleisters werfe insbesondere auch Fragen im Hinblick auf die Bankenaufsicht, die Regulierung von Fintech- und Zahlungsunternehmen sowie die Bekämpfung der Geldwäsche auf, hieß es in dem Papier.Der Fall Wirecard hat nach Ansicht der EU-Kommission gezeigt, dass das deutsche Aufsichtssystem für die Durchsetzung von Finanzinformationen zwar im Einklang mit dem EU-Recht stand – aber dennoch dazu beigetragen haben könnte, dass die falschen Angaben zur Unternehmensberichterstattung nicht rechtzeitig aufgedeckt wurden. Nach Angaben der Behörde gilt es nun zu sondieren, ob die Regeln, die etwa in der EU-Transparenzrichtlinie festgelegt sind, weiter gestärkt werden sollten, sowohl bei der Überwachung der Kapitalmärkte als auch der Abschlussprüfer.Nach Ansicht des Europaabgeordneten Markus Ferber gibt es allerdings keine systemischen Defizite bei der europäischen Finanzaufsicht. Dies zeige auch die dünne Vorschlagsliste der EU-Kommission. “Im Wirecard-Fall hat die BaFin versagt, nicht die europäische Ebene”, stellt der CSU-Finanzexperte klar. “Wir sollten uns nichts vormachen: Auch das beste Aufsichtsrecht nützt nichts, wenn wie im Wirecard-Fall einerseits mit enormer krimineller Energie vorgegangen wird und andererseits so schludrig beaufsichtigt wird, wie das die BaFin gemacht hat.”Laut EU-Kommission gibt es bisher auch keine Hinweise darauf, dass die geltenden IFRS-Rechnungslegungsstandards (International Financial Reporting Standards) zu dem Betrug beigetragen oder ihn erleichtert haben. Möglicherweise müsse es aber bessere Anreize und einen wirksameren Durchsetzungsrahmen geben, der eine qualitativ hochwertigere Finanzberichterstattung fördern könnte, hieß es.Im parlamentarischen Untersuchungsausschuss des Bundestages zum Bilanzbetrug bei Wirecard standen am Freitag nicht die Aufseher, sondern noch einmal die Banken im Vordergrund. Klaus Michalak, Vorsitzender der Geschäftsführung der KfW Ipex-Bank, die Wirecard 2018 einen Kredit über 100 Mill. Euro gewährte und ihn im September 2019 verlängerte, sprach von einem “beispiellosen Fall der Fälschung”. Dass die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG in einem Sonderbericht zu Wirecard im April 2020 den Verbleib von milliardenschweren Cash-Positionen nicht habe nachweisen können, sei “ein intensives Warnsignal” gewesen. Bedenken habe Wirecard aber stets “zur Zufriedenheit” der Bank ausgeräumt. Das sei auch noch im Frühjahr 2020 so gewesen, sagte Michalak. Mittlerweile habe die Bank 90 Mill. Euro des Kredits an Wirecard abgeschrieben.