Bundesbank fordert strenge Umsetzung der Abwicklungsregeln

Doppelverwendung von hartem Kernkapital soll vermieden werden - Aufseher erkennen Gefahr der Aufweichung durch politische Initiativen

Bundesbank fordert strenge Umsetzung der Abwicklungsregeln

kb Frankfurt – Das Lösen des Too-big-to-fail-Problems (“zu groß, um zu scheitern”) von Banken ist nach der Finanzkrise das Ziel etlicher Reforminitiativen. Die Abwicklung von systemisch relevanten Instituten soll demnach den Steuerzahler nicht belasten und das Finanzsystem nicht ins Wanken bringen. Die Abwicklungsregeln können jedoch nur glaubwürdig sein, wenn sie konsequent umgesetzt werden, mahnt die Deutsche Bundesbank in ihrem Monatsbericht für Juli an. Es bestünden dabei allerdings noch einige offene Punkte bei den Mindestanforderungen für Banken. TLAC und MRELInfolge der Finanzkrise wurden seit 2011 spezielle Abwicklungsregeln für Banken eingeführt, um auch systemrelevante Banken geordnet abwickeln zu können, ohne dadurch die Finanzstabilität zu gefährden oder den Steuerzahler zu belasten. Insbesondere mit dem sogenannten Bail-in wurde ein neues Instrument eingeführt, das Eigentümer und Gläubiger an den Verlusten beteiligen soll – wofür allerdings ausreichende Verlustpuffer erforderlich sind, schreibt die Deutsche Bundesbank. Deshalb wurden auf globaler sowie europäischer Ebene zwei neue Mindestanforderungen für Banken entwickelt, die die Bundesbank in ihrem Monatsbericht nun näher analysiert: TLAC und MREL.Auf globaler Ebene der G 20-Staaten hat der Finanzstabilitätsrat FSB den Standard zur Total Loss Absorbing Capacity (TLAC) für global systemrelevante Banken ausgearbeitet und im November 2015 veröffentlicht. Er soll ab 2019 verbindlich für alle der sogenannten Global Systemically Important Banks (G-SIBs) gelten. Ziel ist die Festlegung eines Mindestvolumens von verlustabsorptionsfähigen Verbindlichkeiten für die weltweit rund 30 G-SIBs, um diese im Falle einer Schieflage geordnet und möglichst ohne Rückgriff auf öffentliche Mittel abwickeln zu können. Bail-in-fähiges KapitalDie Europäische Union (EU) wiederum hat die Minimum Requirements for Own Funds and Eligible Liabilities (MREL) eingeführt. Das Regelwerk soll sicherstellen, dass die europäischen Institute zu jeder Zeit eine Mindestquote an Eigenmitteln und bail-in-fähiger Verbindlichkeiten einhalten. Diese Quote wird – abweichend von TLAC, die auf die risikogewichteten Aktiva (RWA) einer Bank Bezug nehmen – als Anteil an den Gesamtverbindlichkeiten einschließlich regulatorischen Eigenmitteln ausgedrückt.Sowohl TLAC als auch MREL haben zum Ziel, dass ein Institut seine Verbindlichkeiten so strukturiert, dass ein ausreichender Puffer an bail-in-fähigem Kapital für den Abwicklungsfall vorhanden ist. Die Bundesbank weist jedoch darauf hin, dass sich beide Instrumente in einigen zentralen Punkten unterscheiden. So werde durch MREL ein deutlich größerer Kreis von Instituten erfasst und angesichts der vielfältigen europäischen Bankenlandschaft keine gesetzlich definierte Mindesthöhe für die MREL-Anforderungen festgelegt. Hierbei seien jedoch qualitative Kriterien zu berücksichtigen, wie sie im Mai von der Europäischen Bankenaufsicht EBA in den Regulierungsstandards (Regulatory Technical Standards, RTS) beschrieben wurden, unterstreicht die Behörde. Aber auch nach Veröffentlichung dieser RTS bestehen nach Beobachtung der Bundesbank noch einige wichtige offene Punkte zur Anwendung der MREL-Regeln. Sie sollten im Rahmen des geplanten Rechtsaktes der Europäischen Kommission zur Implementierung von TLAC adressiert werden, fordert die Bundesbank. Offene PunkteWährend bei TLAC geregelt wurde, dass die Kapitalpuffer zusätzlich zur TLAC-Anforderung erfüllt werden müssen und somit eine Doppelverwendung von hartem Kernkapital nicht möglich ist, gebe es eine solche Klarstellung im MREL-Regelwerk nicht. Sollte dadurch bei MREL hartes Kernkapital sowohl zur Erfüllung der Kapitalpuffer- als auch der MREL-Anforderung – also doppelt – genutzt werden können, wäre die Funktion der Puffer nicht mehr gewährleistet, kritisiert die Bundesbank. Denn dies würde die Funktion der Kapitalpuffer außer Kraft setzen, da diese bewusst vor die sonstigen Kapitalanforderungen geschaltet wurden. Die Verlustpuffer sollen in Stresszeiten “atmen”, also abgebaut werden können, während die sonstigen Kapitalanforderungen inklusive der MREL-Anforderung zu jeder Zeit erfüllt sein müssen.Zudem sollte laut Bundesbank in den MREL-Regeln analog zu TLAC auch klargestellt werden, dass bei einer drohenden Unterschreitung der MREL-Anforderung die gleichen Konsequenzen gelten wie bei einer Unterschreitung der Mindesteigenkapitalanforderungen.Während für TLAC-fähige Verbindlichkeiten die Vorgabe gilt, dass sie nachrangig zu nicht TLAC-fähigen Verbindlichkeiten sein müssen, sei dies für die MREL-Fähigkeit derzeit nicht vorgesehen. Vor dem Hintergrund einer effektiven und rechtssicheren Ausgestaltung der MREL-Anforderung und des Bail-in sowie größerer Transparenz für Marktteilnehmer wäre dies jedoch wünschenswert, hält die Bundesbank in dem Bericht fest.Die große Bedeutung der neuen Mindestanforderungen TLAC und MREL werde durch einen Blick auf die Haftungskaskade in der Abwicklungsfinanzierung deutlich: Das Bail-in als erstes Instrument zur Abwehr der Gefährdung der Finanzstabilität und der Belastung der Steuerzahler könne nur funktionieren, wenn ein abzuwickelndes Institut über ausreichend Verlustabsorptionsmasse verfügt, die zeitnah und rechtssicher zur Verlustdeckung herangezogen werden kann. Die neuen Mindestanforderungen in Form von TLAC oder MREL seien damit eine grundlegende Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit des Bail-in-Instruments und folglich die Glaubwürdigkeit des neuen Abwicklungsregimes, betont die Bundesbank. Eindeutige KriterienGleichzeitig sei es notwendig, dass für TLAC und MREL eindeutige Kriterien gelten, die dafür sorgen, dass diese Verbindlichkeiten im Abwicklungsfall verlässlich zur Verfügung stehen. Ein zentrales Element sei dabei das Nachrangigkeitskriterium, das für TLAC verbindlich eingeführt wurde, aber auch für MREL gelten sollte. Wichtig bei der MREL-Festsetzung sei, dass diese einerseits eine ausreichende Höhe erreiche, gleichzeitig aber dabei die Institute nicht überfordert werden dürfen. Die Bundesbank schlägt deshalb vor, dass Übergangsfristen eingeräumt werden, um die Anforderungen zu erfüllen. Um Klarheit für Banken und Investoren zu schaffen, sollten die noch offenen Punkte bei der MREL-Ausgestaltung, beispielsweise die Behandlung der Puffer und die finale Festlegung der Kriterien für die MREL-Fähigkeit, zügig und zielführend geklärt werden. Falsches Signal”Letztlich können die Abwicklungsregeln nur glaubwürdig und wirksam sein, wenn diese auch konsequent umgesetzt und angewendet werden”, schreibt die Bundesbank voller Sorge, denn “verschiedentlich sind politische Initiativen beobachtbar, die auf eine Aufweichung der neuen Regelungen abzielen”. Dies wäre hingegen das falsche Signal und würde die Glaubwürdigkeit der Abwicklungsregelungen gefährden.Ein funktionsfähiger Abwicklungsmechanismus sei ein wichtiger Schritt hin zu einer Auflösung der engen Verbindung von Banken und Staaten, heißt es in dem Bericht. Weitere Schritte müssten folgen, fordern die Autoren und nennen die Begrenzung bzw. die Eigenkapitalunterlegung der Kreditvergabe von Banken an Staaten und ein stärker harmonisiertes Insolvenzrecht auf internationaler Ebene.