IM GESPRÄCH: MARCUS PLEYER

Chef des Anti-Geldwäsche-Regulierers stellt Agenda vor

Beamter des Bundesfinanzministeriums tritt heute das Amt als FATF-Präsident an - Technologie soll Compliance-Kosten der Banken senken

Chef des Anti-Geldwäsche-Regulierers stellt Agenda vor

Der globale Regulierer im Kampf gegen Geldwäsche überprüft gut drei Jahrzehnte nach Gründung seine Methoden und Prozesse. Der neue Präsident Marcus Pleyer, der heute seine zweijährige Amtszeit antritt, hat sich eine umfangreiche Agenda vorgenommen, auf der auch die Entlastung von Banken steht.Von Tobias Fischer, FrankfurtDer Bundesbeamte Marcus Pleyer übernimmt heute die zweijährige Präsidentschaft des internationalen Regulators in der Geldwäschebekämpfung, der Financial Action Task Force (FATF). Der 50-Jährige, der seit Ende 2015 als Unterabteilungsleiter im Bundesfinanzministerium unter anderem Aktivitäten gegen Terrorismusfinanzierung und Geldwäsche verantwortet, hat die Prioritäten seiner Präsidentschaft bereits in einer Plenarsitzung des Gremiums vorgestellt, die wegen Corona virtuell stattfand. Die 39 Mitglieder verabschiedeten die Vorschläge in der vergangenen Woche einstimmig. Task Force prüft sich selbstGut drei Jahrzehnte nach ihrer Gründung kommt nicht nur die FATF selbst auf den Prüfstand, sie will sich auch für digitale Lösungen in der Geldwäschebekämpfung öffnen und sich verstärkt Herausforderungen wie der Finanzierung von Rechtsterrorismus oder Umwelt- und Schleuserkriminalität widmen. Ein Strategic Review soll Stärken und Schwächen der Organisation herausarbeiten, die Umsetzung der Schlussfolgerungen daraus soll ihr letztlich mehr Schlagkraft verleihen, sagt Pleyer im Gespräch mit der Börsen-Zeitung.Die FATF ist ihm bestens vertraut, hatte er doch vor einem Jahr das Amt des Vizes unter chinesischer Präsidentschaft angetreten, war bis Juni 2019 Leiter der deutschen FATF-Delegation und ist seit mehreren Jahren Mitglied des FATF-Führungsgremiums, der Steering Group. Ihm zur Seite steht eine Mexikanerin als Vizepräsidentin.Den besseren Austausch mit dem Privatsektor und häufigere Länderprüfungen hatte Pleyer bereits zu einem früheren Zeitpunkt als Schwerpunkte seiner Arbeit genannt (vgl. BZ vom 22. Februar). Bisher wird jedes Mitgliedsland etwa alle zehn Jahre geprüft. Dieser Zyklus solle beschleunigt werden. In diesem Jahr unterzieht sich auch Deutschland einer FATF-Evaluierung, wobei der ursprüngliche Zeitplan für Vor-Ort-Prüfungen coronabedingt verschoben wurde, wie Pleyer berichtet.Demnach verschieben sich die Prüfungstermine für alle Länder der bis 2024 laufenden vierten Runde, darunter etwa Frankreich, Deutschland und Indien, um vier Monate. Hatten sich die Prüfer hierzulande ursprünglich für Ende Oktober/Anfang November angekündigt, so werden sie nun erst im Februar/März unter anderem bei der Finanzaufsicht BaFin Einzug halten.Zu den eigenständig gesetzten Schwerpunkten der deutschen Präsidentschaft gesellen sich infolge der Pandemie zu adressierende Herausforderungen. So beschäftigt die FATF hier beispielsweise auch eine höhere Schlagzahl an Cyberangriffen sowie unrechtmäßiges Abgreifen von staatlichen Hilfszahlungen und darauf folgende Geldwäsche (vgl. BZ vom 12. Mai).Eigene Akzente setzt die Institution etwa in der digitalen Transformation. “Die FATF hat sich in der Vergangenheit hauptsächlich mit den Risiken von Digitalisierung auseinandergesetzt”, sagt Pleyer. “Wir möchten den Fokus jetzt auch stärker darauf richten, welche Chancen die Digitalisierung für die Geldwäschebekämpfung bietet.” Hier gehe es darum, das Bewusstsein dafür zu schärfen, auf welche technischen Möglichkeiten etwa Finanzinstitute, Aufseher, Strafverfolger und Analysestellen für Verdachtsmeldungen (FIU) zurückgreifen könnten, um mit digitalen Mitteln Geldwäsche leichter aufzuspüren.”Wir wollen die Effektivität steigern und zugleich Potenziale heben, die hohen Compliance-Kosten zu senken”, gibt Pleyer als Ziel aus. “Finanzinstitute weltweit stecken jedes Jahr Milliarden in die Compliance und Geldwäschepräventionssysteme. Aber wenn man die Zahl der Verdachtsmeldungen und Verurteilungen betrachtet, ist das Kosten-Nutzen-Verhältnis noch nicht optimal. Das müssen wir dringend verbessern – und damit am Ende die Geldwäschebekämpfung mit digitalen Lösungen insgesamt effektiver und effizienter machen.”Seit Jahren ist zu beobachten, dass Banken sicherheitshalber immer mehr Geldwäscheverdachtsmeldungen an die FIU abgeben. Zwar verdreifachte sich ihre Zahl zwischen 2014 und 2018 auf mehr als 77 000, doch kam es in lediglich 1,2 % der Fälle zu Verurteilungen wegen Geldwäsche gemäß § 261 Strafgesetzbuch. Ein deutsches Finanzinstitut mit einer Bilanzsumme von mehr als 10 Mrd. Dollar zahlt pro Jahr durchschnittlich 46 Mill. Dollar für Anti-Geldwäsche-Compliance, hat der US-Datendienstleister Lexis Nexis Risk Solutions festgestellt. Um die Kosten zu senken, setzt die FATF, auch angesichts der Coronakrise, auf Finanztechnologien. Im April rief sie dazu auf, darauf “im größtmöglichen Umfang” zurückzugreifen. Effizienz plus DatenschutzDie entsprechende Prüfung von Neukunden (Know your Customer/KYC) soll nur ein Baustein davon sein. Es werde darüber hinaus ein Projekt initiiert, in dem es um die intelligente Nutzung und mögliche Teilung von KYC- und Transaktionsdaten etwa zwischen verschiedenen Banken gehen werde, um schneller verdächtige Strukturen zu erkennen, kündigt der FATF-Präsident an. Und dies bei gleichzeitiger Wahrung des hohen Datenschutzniveaus. “Gibt es etwa technische Lösungen, die Geldwäschebekämpfung effizienter machen und gleichzeitig ein hohes Datenschutzniveau bewahren? Um auszuloten, ob sich hier Wege finden lassen, werden wir zu einem Forum einladen, in dem alle Gruppierungen zusammenkommen – Geldwäschebekämpfer, Datenschützer und Technologieentwickler.”Handlungsbedarf sieht Pleyer auch bei Rücküberweisungen, also Geldüberweisungen von Migranten in ihre Heimatländer (Remittances). Immer mehr Banken zögen sich aus diesem Geschäft zurück, weil es ihnen zu teuer oder aus Compliance-Gesichtspunkten zu riskant sei. “Wir als FATF wollen deutlich kommunizieren, was an Compliance bei Rücküberweisungen wirklich notwendig ist. Wir beobachten, dass viele Banken hier verunsichert sind und in der Folge – statt Risiken angemessen zu managen – versuchen, Risiken gänzlich zu vermeiden.” Manche Banken gehen bei der Geschäftsanbahnung nicht nur entsprechend dem KYC-Ansatz vor, dem zufolge sie ihre eigenen bestehenden und künftigen Kunden kennen und prüfen müssen, sondern verfolgen einen noch weitergehenden Ansatz, nämlich auch die Kunden ihrer Kunden unter die Lupe zu nehmen (Know Your Customer’s Customer/KYCC). Die FATF wolle Aufklärungsarbeit leisten, dass Letzteres im Regelfall nicht nötig sei.Pionierarbeit leistet die Task Force in der Bekämpfung des Rechtsterrorismus. “Es geht darum, Erkenntnisse aus einzelnen Ländern zu sammeln und Typologie-Papiere mit Indikatoren zu entwickeln, die es Banken und Behörden, wie etwa den Financial Intelligence Units, ermöglichen, anhand bestimmter Muster illegale Finanzflüsse im Zusammenhang mit solchen Verbrechen wie Rechtsterrorismus oder auch Umweltstraftaten zu erkennen und am besten zu verhindern”, berichtet Pleyer. Virtuelle SitzungenCorona habe sich nicht nur auf die Arbeitsagenda der FATF, sondern auch auf interne Abläufe ausgewirkt. Treffen konnten nicht stattfinden, sondern wurden in den virtuellen Raum verlagert, so auch eine Sitzung der Vereinten Nationen, an der Pleyer eigentlich heute in New York teilgenommen hätte. Könnten Treffen der Steering Group, die sechsmal im Jahr für meist einen Tag zusammenkommt, recht gut digital abgehalten werden, so sei es nicht möglich, Plenarsitzungen, die eine Woche dauern, ohne Weiteres virtuell zu ersetzen. Diese finden immer Ende Juni, Ende Oktober und Mitte Februar statt. Die Sommer-Sitzung im nächsten Jahr ist für die dritte Juniwoche in Berlin geplant, kündigt Pleyer an.