China fordert eine deutsche Willkommenskultur
Von Dietegen Müller, FrankfurtMit einer Philippika gegen die Bundesregierung und Finanzaufsicht wartete Weidong Wang auf, der Leiter der Handels- und Wirtschaftsabteilung der chinesischen Botschaft in Berlin. “Das Umfeld für die Geschäftsentwicklung hat sich verschlechtert”, sagte Wang am Mittwoch am “China Day” der Euro Finance Week in Frankfurt.Wang kritisierte zunächst, dass die Bundesregierung verstärkt grenzüberschreitende Beteiligungen und Unternehmensübernahmen unter sicherheitspolitischen Erwägungen prüfe. Chinesische Investoren seien im Hinblick auf Investitionen in Deutschland “sehr beunruhigt über die Intransparenz” sowie die Bearbeitungszeiten der damit verbundenen Verwaltungsmaßnahmen, deren Dauer nicht abschätzbar sei. Im Juli hatte die Bundesregierung den Einstieg des staatlichen chinesischen Netzbetreibers State Grid Corp of China beim Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz verhindert.Wang ging aber über die Industriepolitik hinaus. Im nächsten Atemzug warf er der Bundesregierung und der deutschen Finanzaufsicht vor, chinesische Banken vor Ort viel strengeren Anforderungen zu unterwerfen als etwa Banken aus der Europäischen Union oder aus den Vereinigten Staaten. “Das ist auch eine Art von Diskriminierung”, sagte der chinesische Gesandte, der hinzufügte, es handle sich hier um eine “unfaire Behandlung”. Diese habe zur Folge, dass die chinesischen Institute ihren europäischen Hauptsitz statt in Frankfurt in London, Paris oder Luxemburg einrichten würden. Dies entspreche aber nicht dem Ziel der Bundesregierung, so Wang. “Wir appellieren an die Regierung, eine neue Willkommenskultur einzuführen.” Unfaire Regulierung solle abgebaut werden.Am Finanzplatz Frankfurt und in hessischen Ministeriumskreisen ist die Kritik Wangs nicht unbekannt. Allerdings gilt sie als extrem einseitig – denn über unfaire Praktiken könnten sich wohl auch einige deutsche Unternehmen zu Recht beklagen, die in China investiert haben. Im Finanzsektor heißt das damit verknüpfte Zauberwort “Reziprozität”. Daran werkeln die deutsche Finanzaufsicht BaFin und die chinesische Finanzaufsicht wohl schon seit Jahren, aber eher auf Sparflamme. Dabei geht es um die gegenseitige Anerkennung vergleichbarer Minimalvorgaben und vereinfachte Prozedere.Dies ist keineswegs nur in Frankfurt ein Thema. Auch andere europäische Aufsichtsbehörden setzen bei der Bewilligung für chinesische Banken ein gewisses Maß an Reziprozität voraus, also etwa einen vergleichbaren Marktzugang in China. Doch gehen die Fortschritte seit dem ersten High-Level-Finanzdialog im Jahr 2015 zwischen China und Deutschland nur sehr langsam voran. Die Hoffnungen ruhen nun auf einem weiteren solchen Dialog, der “bald” kommen soll, wie es schon im Juli in Berlin hieß. Freiheit oder Kontrolle?Dass Frankfurt im europäischen Vergleich so schlecht abschneidet, liegt auch an der Bereitschaft chinesischer Institute, die regulatorischen Vorteile anderer Standorte auszunutzen. Handelt es sich um rechtlich unselbständige Zweigstellen von Banken – wie im Fall der chinesischen Banken in Frankfurt -, ist die BaFin strenger, was die Anrechenbarkeit von Eigenkapital oder den Spielraum für die Geschäftstätigkeit anbelangt. Rechtlich unselbständig bedeutet im Gegenzug dafür mehr Kontrolle durch den (chinesischen) Eigentümer. Und so miserabel können die Bedingungen am Main nicht sein, hat doch im Juli die China International Capital Corporation (CICC) angekündigt, in Frankfurt ihren Hauptsitz in Kontinentaleuropa aufzubauen. Dafür verantwortlich ist Michael Müller, früher Managing Director beim Bankhaus Metzler.Die Kritik des Gesandten Wang zeigt aber, dass Deutschland auch in der Finanzplatzpolitik gut daran täte, stärker als bisher das internationale Spielfeld im Auge zu behalten und auch danach zu handeln. Zusätzlich soll es eine Harmonisierung in der Bewilligungspraxis für Finanzinstitute aus Drittstaaten geben. Die Einführung eines europäischen Holdingkonzepts sei ein erster Schritt, die Ungleichbehandlung zu vermeiden, meint Stephan Bredt, Abteilungsleiter “Wirtschaftsordnung, Finanzdienstleistungen, Börsen” im hessischen Wirtschaftsministerium.Denn die chinesische Kritik an Deutschland ist nichts anderes als ein Abbild fehlender Einheitlichkeit. Und die Regulierungsarbitrage chinesischer Banken ist zunächst nichts anderes als eine Frage des Standortwettbewerbs. Der Finanzplatz Frankfurt beansprucht aufgrund des Austritts Großbritanniens aus der Europäischen Union ja auch, in Kontinentaleuropa die Führungsrolle zu übernehmen. Des einen Freud` ist im europäischen Alltag eben des anderen Leid – nach wie vor.—–Die Kritik Chinas an Deutschland ist auch ein Abbild fehlender europäischer Einigkeit.—–