China nötigt Banken Opfer ab

Staatsrat plant indirekte Gewinnbeschränkungen - Zwang zu günstigen Kreditkonditionen - Kreditausfälle im Fokus

China nötigt Banken Opfer ab

Anders als die meisten anderen Industrieländern hält die chinesische Notenbank in der Coronakrise mit Lockerungsmaßnahmen zurück. Statt auf große Konjunkturpaketen setzt man im Reich der Mitte lieber darauf, die Banken zu zwingen, ihre Kreditvergabe zu favorablen Konditionen auszuweiten.Von Norbert Hellmann, SchanghaiChinas Banken werden unter immer massiveren Druck der Regierung und der Finanzregulatoren gesetzt, Kreditvergabe an Coronageschädigte kleine und mittlere Unternehmen (KMU) auszudehnen, ohne daraus resultierende Risiken in den Kreditkonditionen wieder zu spiegeln. Der Staatsrat hat nun klare Vorstellungen welche Opfer die staatskontrollierten chinesischen Kreditinstitute dafür erbringen müssen. Es soll zu einer gewaltigen Gewinnabschöpfung zugunsten von kleineren und mittleren Unternehmen kommen, indem Banken günstigere Kreditkonditionen bieten, Gebühren kappen, Rückzahlungsaufschub gewähren und vermehrt unbesicherte Kreditausreichungen leisten.In den meisten großen Industrieländern werden die Zentralbanken mit allen erdenklichen Lockerungsmaßnahmen an die Front geschickt, um verheerenden Konjunkturfolgen der Coronakrise zu bekämpfen. In China jedoch scheint man einen anderen Weg zu gehen. Nach leidigen Erfahrungen mit den Nachwehen großer Konjunkturpaketen in Form von Assetpreisblasen an Wertpapier- und Immobilienmärkten hat sich die People’s Bank of China (PBOC) bislang nur zu einer sehr behutsamen Lockerungspolitik mit einer Hand voll Mindestreservesatzsenkungen und einem leichten Herabschleusen der Geldmarktzinsen bequemt. Gewaltige AbschöpfungChinas Wirtschaftsplanern ist allerdings klar, dass damit noch nicht genügend getan ist. Es geht darum, die private Unternehmenswirtschaft als Motor der heimischen Arbeitsplatzbeschaffung noch stärker vor Coronaschäden abzuschirmen und ungeachtet ihrer angegriffenen Bonität bei der Kreditversorgung flüssig zu halten. Einer Verlautbarung des Staatsrats zufolge soll Chinas Bankensektor dazu angehalten werden die stolze Summe von 1,5 Bill. Yuan (195 Mrd. Euro) an potenziellen Gewinnen aus dem Kreditvergabegeschäft zur Unterstützung der Unternehmenswirtschaft zu opfern.Natürlich geht es dabei nicht etwa um eine Konfiskation von Gewinnen, sondern um das Einwirken auf das Zinsgefüge und Druck auszuüben Kreditvergabekonditionen und Gebühren im Dienste der Kundschaft zu vergünstigen. Hinzu kommen weitreichende Entlastungsmaßnahmen für säumige Schuldner, denen die Banken Zahlungsaufschub geben und ihre Kreditlinien aufrechterhalten sollen. Die von der Obrigkeit angepeilte Summe des impliziten Gewinnverzichts nimmt sich dennoch gewaltig aus und entspricht nach einer Einschätzung von Goldman Sachs in etwa 75 % der ansonsten zu erwartenden Nettoprofite im Bankensektor.Analysten der Citigroup erwarten nun, dass der im ersten Quartal verzeichnete Anstieg der Nettogewinne von durchschnittlich 5 % bei den chinesischen Kredithäusern im Zuge der Maßnahmen für das Gesamtjahr 2020 nahe gegen Null tendieren könnte. Dabei dürften allerdings Großbanken wegen ihres stark auf staatliche Großkonzerne abstellenden Geschäftskundenprofils deutlich besser abschneiden, als die kleinen regionalen Institute und Kreditkooperativen.Chinas Banken stehen zwar bereits unter Profitabilitätsdruck, weil im Zuge einer der laufenden Wachstumsabschwächung das Volumen der offiziell ausgezeichneten notleidenden Kredite beträchtlich angeschwollen ist (siehe Grafik). Allerdings wird die Situation immer undurchsichtiger, weil die Regulatoren den Banken wesentlich größere Ermessensspielräume bei der Auszeichnung von Non Performing Loans einräumen, um eine neue Welle von Kreditausfällen zu verhindern.Chinas Banken können diese Spielräume nutzen, um Abschreibungen und die Bildung von Risikovorsorge im Kreditgeschäft zu verschleppen. So würden sie zumindest vorläufig zu Krisengewinnlern, die trotz widriger Konjunkturbedingungen relativ kräftige Gewinnfortschritte ausweisen könnten. Dem will die Regierung in jedem Fall entgegenwirken, denn Gewinnzuwächse bei letztlich staatskontrollierten Instituten sind in Zeiten von Pleitewellen und Arbeitsplatzverlusten natürlich höchst unerwünscht. Zweistellige Gewinnzuwächse, wie sie einige chinesische Kreditinstitute im ersten Quartal noch ausweisen konnten, werden in Coronazeiten zu einer Schande.